Recht und Kapitalmarkt

Reform des "Acting in Concert" gibt keine Rechtssicherheit

Neuregelungen im Risikobegrenzungsgesetz zum abgestimmten Verhalten von Aktionären dürften Anfechtungsklagen erleichtern

Reform des "Acting in Concert" gibt keine Rechtssicherheit

Von Hartmut Krause*) Das Bundeskabinett hat kürzlich den Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) verabschiedet. Vergangenen Freitag hat es den Bundesrat passiert. Hiernach werden Investoren mit größeren Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften detaillierten Meldepflichten über ihre Absichten und die Herkunft ihrer Finanzmittel unterworfen. Außerdem werden die Regeln verschärft, nach denen die Stimmrechte von Aktionären, die ihr Verhalten in Bezug auf eine börsennotierte Gesellschaft mit anderen Aktionären abstimmen, für Zwecke der Meldung ihres Stimmrechtsanteils und der Auslösung eines Pflichtangebots zusammengerechnet werden (“Acting in Concert”). Verschärft werden auch die Rechtsfolgen: Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig keine oder eine unzutreffende Meldung über die Höhe seines Stimmrechtsanteils abgibt, soll seine Aktionärsrechte nicht nur – wie bisher – bis zur Nachholung der ordnungsgemäßen Meldung verlieren, sondern auch noch sechs Monate darüber hinaus. Kritik von großen FondsInsbesondere die Verschärfung der Regeln zum “Acting in Concert” war von großen internationalen Fonds als zu weitgehend und wirklichkeitsfremd kritisiert worden. Vertreter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatten sich dieser Kritik angeschlossen. Worum geht es?Bisher erfolgt eine Zurechnung von Stimmrechten dann, wenn Aktionäre ihr Verhalten in Bezug auf die börsennotierte Gesellschaft aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Art und Weise untereinander abstimmen; ausgenommen sind Vereinbarungen über die Ausübung von Stimmrechten in Einzelfällen. Wie der Bundesgerichtshof im Herbst vergangenen Jahres in einem Urteil betreffend die WMF AG entschieden hat, wird nur dann zugerechnet, wenn sich die Vereinbarungen auf die Ausübung von Stimmrechten in der Hauptversammlung beziehen. Diese Linie ist dem Gesetzgeber zu restriktiv. Die geplante Neuregelung sieht vor, dass sich die Abstimmung nicht mehr nur auf die börsennotierte Gesellschaft beziehen muss, sondern sich auch auf den Erwerb ihrer Aktien beziehen kann. Außerdem soll die Ausnahme für Abstimmungen im Einzelfall gestrichen werden. Nach einer als Korrektiv verstandenen Regelung soll abgestimmtes Verhalten jedoch voraussetzen, dass ein Aktionär und ein Dritter “in einer Weise zusammenwirken, die geeignet ist, die unternehmerische Ausrichtung der Zielgesellschaft dauerhaft oder erheblich zu beeinflussen” (Bundesregierung) bzw. “eine erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft dauerhaft herbeizuführen” (Bundesrat). Für die Praxis hätte dies folgende Konsequenzen: Erstens soll, so die Gesetzesbegründung, der von zwei Investoren abgestimmte parallele Erwerb von Aktien zur Zurechnung führen – vorausgesetzt, dass die Investoren in einer Weise zusammenwirken, die geeignet ist, die unternehmerische Ausrichtung der Zielgesellschaft dauerhaft oder erheblich zu beeinflussen (Bundesregierung) bzw. eine erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft dauerhaft herbeizuführen (Bundesrat). Wenn die Investoren lediglich parallele Interessen haben, aber keinen Kontakt zueinander auf- nehmen, liegt kein “acting in concert” vor, denn es fehlt schon an der geforderten Abstimmung. Gleichgerichtete Interessen allein führen nicht zur Zurechnung. Dass der Aktienerwerb gleichzeitig stattfindet, ist – wie nach bisheriger Rechtslage – kein Indiz für ein abgestimmtes Vorgehen. Zweitens sollen laut Gesetzesbegründung Abstimmungen innerhalb des Aufsichtsrats zur Zurechnung führen – vorausgesetzt, dass die Investoren in der von Bundesregierung bzw. Bundesrat geforderten Art und Weise zusammenwirken. Ob die vorgeschlagene Regelung dieses Ziel erreicht, ist zweifelhaft. Der Bundesgerichtshof hat in der WMF-Entscheidung hervorgehoben, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind, keinen Weisungen unterliegen und daher nicht als Repräsentanten bestimmter Aktionäre angesehen werden können. Wenn aber Aufsichtsratsmitglieder nicht als Vertreter bestimmter Aktionäre anzusehen sind, können Abstimmungen im Aufsichtsrat kein im Sinne der Vorschrift relevantes Zusammenwirken von Aktionären darstellen. Drittens sollen, so die Gesetzesbegründung, Abstimmungen außerhalb oder vor einer Hauptversammlung zur Zurechnung der Stimmrechte führen. Bei diesen Fällen können die von Bundesregierung und Bundesrat formulierten Anforderungen an das Zusammenwirken der Investoren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Nach dem Regierungsentwurf würde schon ein Zusammenwirken zur Erhaltung des Status quo zur Stimmrechtszurechnung führen. Dass dies ein Pflichtangebot auslösen soll, erscheint wenig interessengerecht.Demgegenüber stellt der Bundesrat zutreffend auf eine dauerhafte erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft ab. Aber auch dieses Kriterium ist problematisch: Es führt schon dann zur Zurechnung, wenn die Art und Weise des Zusammenwirkens lediglich abstrakt geeignet ist, eine erhebliche Änderung dauerhaft herbeizuführen. Diese Eignung dürfte bereits dann zu bejahen sein, wenn Investoren ergebnisoffen ihre Meinung zu strategischen Fragen austauschen oder andere wesentliche Themen diskutieren. RedeverbotDenn solange nicht feststeht, dass der Status quo erhalten bleibt, kann man diesem Dialog nicht absprechen, dass er “geeignet” ist, eine erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft dauerhaft herbeizuführen. Lediglich der Austausch von Informationen oder der Dialog zwischen Investoren, die kein beachtliches Stimmengewicht haben und auch nicht dauerhaft zusammenarbeiten, dürfte nicht zur Zurechnung führen. Die gesetzlichen Änderungen würden daher die rechtspolitisch erwünschte Diskussion zwischen Investoren und Gesellschaften deutlich erschweren. Investoren könnten sich veranlasst sehen, ihre Kritik künftig weniger im Dialog mit der Gesellschaft und anderen Aktionären, sondern verstärkt in der Presse vorzutragen.Besondere Bedeutung gewinnen die geplanten Vorschriften, wenn sich maßgeblich beteiligte Aktionäre über die Besetzung des Aufsichtsrats vorab abstimmen. Nach dem Wortlaut des Regierungsentwurfs müsste dies zur Stimmrechtszurechnung führen: Weil der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder bestellen und abberufen und damit Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen kann, ist die Abstimmung über die Besetzung des Aufsichtsrats – unabhängig davon, ob der Aufsichtsrat später den Status quo erhält oder ändert – geeignet, die unternehmerische Ausrichtung der Zielgesellschaft dauerhaft oder erheblich zu beeinflussen, und könnte demnach ein Pflichtangebot auslösen. Zwar soll nach der Gesetzesbegründung nicht jede Abstimmung über die Besetzung des Aufsichtsrats zur Zurechnung führen; vielmehr soll bei der Abstimmung über die Auswechslung mehrerer Mitglieder darauf abgestellt werden, ob hiermit konkrete unternehmerische oder finanzwirtschaftliche Entscheidungen wie etwa die Zerschlagung des Unternehmens oder die Zahlung einer Sonderdividende beabsichtigt werden. Nur – wie lässt sich diese Absicht ermitteln? Laut Begründung des Regierungsentwurfs soll desto mehr für ein “Acting in Concert” sprechen, je größer die Zahl der ausgewechselten Aufsichtsratsmitglieder ist. Zwingend ist diese Schlussfolgerung jedoch nicht. Selbst die Annahme eines Zusammenhangs zwischen der Zahl der ausgewechselten Aufsichtsratsmitglieder und der vom Bundesrat als Prüfstein formulierten Eignung zur dauerhaften erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft erscheint konstruiert. Feld für BerufsklägerInteressengerecht ist dies alles nicht – und rechtssicher schon gar nicht. Nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes werden die bekannten Berufskläger wichtige Hauptversammlungsbeschlüsse leichter als bisher mit der Behauptung eines “Acting in Concert” anfechten und damit die Umsetzung wichtiger Strukturmaßnahmen verzögern können. Vor diesem Risiko könnte der Gesetzgeber die betroffenen Gesellschaften schützen – wenn er in Bezug auf das “Acting in Concert” alles beim Alten beließe. *) Dr. Hartmut Krause ist Partner der internationalen Rechtsanwaltsgesellschaft Allen & Overy.