Recht und Kapitalmarkt

Reformpläne im Insolvenzrecht greifen zu kurz

Von Michael Pluta*) Börsen-Zeitung, 5.5.2010 Mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 16 % auf 34 300 rangiert Deutschland nach Frankreich auf der EU 15-Liste der Firmenpleiten 2009 laut Creditreform an zweiter Stelle. Angesichts der...

Reformpläne im Insolvenzrecht greifen zu kurz

Von Michael Pluta*) Mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 16 % auf 34 300 rangiert Deutschland nach Frankreich auf der EU 15-Liste der Firmenpleiten 2009 laut Creditreform an zweiter Stelle. Angesichts der dramatischen Zahlen des vergangenen Jahres hat nun auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf dem Deutschen Insolvenzrechtstag in Berlin im März angekündigt, als wichtigste Reform im Wirtschaftsrecht die Anpassung der Insolvenzordnung voranzutreiben, um diese stärker auf die Rettung der Unternehmen auszurichten.In einem ersten Schritt steht die Reform des Insolvenzplanverfahrens mit Eigenverwaltung im Fokus mit dem Ziel, dass Insolvenzanträge frühzeitig gestellt und Managern die Furcht vor einem Kontrollverlust genommen wird. Seit dieser Ankündigung werden Maßnahmen und Reformschritte im Insolvenzverfahren wieder einmal heftigst diskutiert, und die Insolvenzordnung steht auf dem Prüfstand. Sanierung im VordergrundDas Insolvenzplanverfahren mit Eigenverwaltung ist eines von drei Verfahren, über das Unternehmen eine Sanierung durch eine Insolvenz anstreben können. Das gängigste Verfahren in Deutschland ist die übertragene Sanierung, daneben existiert das Insolvenzplanverfahren mit Insolvenzverwalter. Das Insolvenzplanverfahren mit Eigenverwaltung ist dagegen eine durch das schuldnerische Unternehmen selbstständig durchgeführte Restrukturierung unter der Aufsicht eines Sachwalters. Es ist ähnlich dem in den USA gängigen Verfahren Chapter 11.Im Vergleich zum Chapter 11 führt es in Deutschland aber noch ein Schattendasein, da auch viele deutsche Gerichte einen Insolvenzplan ohne Begründung ablehnen können und dies auch tun. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Das Verfahren wird als instabil bezeichnet. Ein weiterer Grund ist, dass Geschäftsführern, die die Insolvenz zu verantworten haben, nicht die Fähigkeit zugesprochen wird, nun das Unternehmen zu retten. Ein einmal gescheitertes Unternehmen oder ein Geschäftsführer stehten in Deutschland als gebrandmarkt dar. Anderer NameGeplant ist jetzt, dem Verfahren einen anderen Namen zu geben, um den Betrieben den Makel der Insolvenz zu ersparen. Tatsache ist nun aber einmal, dass ein Betrieb, der seine Schieflage offenbart, seinen Kredit augenblicklich verspielt hat. Die Reaktionen der Gläubiger sind gleichermaßen restriktiv, egal wie schön der Verfahrensname klingt. Die Vorbehalte gegenüber einer Insolvenz werden nicht dadurch behoben, dass man dem Verfahren einen wohlklingenden Namen verpasst, und vor allem nicht dadurch, dass man die bisher Gescheiterten mit ihren Beratern weiterwirtschaften lässt.Sieht man sich die Zahl der sanierungsfähigen Betriebe an und zieht davon diejenigen ab, in denen die handelnden Personen entweder Straftaten wie Insolvenzverschleppung, Kreditbetrug, Untreue und Unterschlagung begangen haben sowie fachlich und menschlich ungeeignet sind oder auch nur den Kredit bei den Gläubigern verspielt haben, bleiben weniger als 1 % der Manager übrig, die man an Bord lassen könnte.Lohnt sich dafür eine Gesetzesänderung? Geht es um das Wohlergehen gescheiterter Manager oder nicht vielmehr um den Erhalt des Betriebes an sich? Würden sich nicht auch alle anderen, die Vorbelasteten und Ungeeigneten, für die ein solches Verfahren nicht gedacht ist, in ein Verfahren flüchten wollen, weil es sozialverträglicher klingt, so wie damals beim Vergleichsverfahren? Das sind alles Fragen, die noch geklärt werden müssen und die zu weiterhin regen Diskussionen anregen werden.Das Ziel der Reformbemühungen muss es natürlich sein, den Betrieb zu erhalten und möglichst viele Werte sowohl für die Gläubiger inklusive Mitarbeiter als auch für die Volkswirtschaft zu bewahren. Errungenschaften wie Gleichheit der Gläubiger, Schutz der Kleingläubiger vor den Großen, Rückabwickeln anfechtbarer Handlungen und die Unabhängigkeit der Verwalter dürfen nicht aufgegeben werden.Auch die Förderung der Professionalisierung der Insolvenzgerichte durch Aufwertung der Stellen, Verbesserung der Ausstattung und mehr Fortbildungsangebote, insbesondere bei betriebswirtschaftlichen Themen, sollte vorangetrieben werden, um die Gerichte als ebenbürtige Gesprächspartner für alle Beteiligten in dieser schwierigen Materie zu etablieren.Die Insolvenzverwalter dürfen sich dem Trend der Reformbemühungen nicht verschließen. Sie sollten die Stärkung des Insolvenzverfahrens mit Eigenverwaltung als Alternative akzeptieren, da in der vorläufigen Insolvenzphase entscheidende Weichen für die effiziente Durchführung gestellt werden. Wesentlich ist dabei insbesondere die Person des Insolvenzverwalters bzw. des Sachwalters. Bereits vor Sanierungsbemühungen besteht das Bedürfnis, Sicherheit zu bekommen, dass eine sachkundige Person ausgesucht wird, die auch willig ist, das Verfahren zu begleiten. Deshalb sollte Gläubigern und Schuldnern die Möglichkeit gegeben werden, mit dem Gericht über die Auswahl zu diskutieren.In dem Zusammenhang der Restrukturierung steht auch der Debt-Equity-Swap zur bilanziellen Restrukturierung in der Diskussion, bei dem Forderungen gegenüber einem Schuldner in Eigenkapital umgewandelt werden. Der Debt-Equity-Swap sollte insbesondere dann im Fokus stehen, wenn die Gesellschafter nach der Insolvenzphase ausscheiden sollen.Vorteile einer Umwandlung von Forderungen in Beteiligungen führen zu einer Entlastung der Liquidität, da Zins- und Tilgungsverpflichtungen wegfallen. Gleichzeitig wird ein positives Zeichen durch das Unternehmen gesetzt, das Geschäftspartner und Mitarbeiter dazu bringen könnte, wieder Vertrauen in das krisengeschüttelte Unternehmen zu bekommen. Allerdings ist es noch ein weiter Weg, bis der Debt-Equity-Swap zum Einsatz kommen kann, da eine Vielzahl rechtlicher Detailfragen besprochen und Gesetze angepasst werden müssen.Das Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung bietet auch jetzt schon einige Vorzüge, die genannt werden sollten. So behält der Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen. Zudem werden beim Schuldner in der Regel auch bereits vor Antragstellung auf Eröffnung eines Verfahrens Insolvenzspezialisten in die Geschäftsleitung bestellt, sodass das Unternehmen auf die Sanierungsphase vorbereitet ist. Kompetenzen nutzenDass die Geschäftsführer, die durch einen Sachwalter überwacht werden, im Amt bleiben, kann natürlich auch ein Vorteil sein, denn der Sachwalter kann die Kompetenzen des Schuldners bei größeren Firmen schneller nutzen. Beim Insolvenzplanverfahren bleibt der Rechtsträger erhalten. So können beispielsweise auch Lizenz- und Mietverträge der Unternehmen mit Dritten einfach weiterlaufen. Sie müssen nicht auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden, was ein Vorteil sein kann, da hierzu das Einverständnis von Vermietern und Lizenzgebern vorliegen muss. Wenn sie ihre Zustimmung verweigern, weil sich bei einer Neuvermietung oder Neuvergabe von Lizenzen bessere Alternativen ergeben, kann beispielsweise eine übertragende Sanierung nicht durchgeführt werden, sondern ausschließlich ein Insolvenzplanverfahren. Zweitens spricht für das Insolvenzplanverfahren, dass der Eigentümer seine Werte erhalten kann. Er bekommt sein Unternehmen saniert zurück. BranchenspezifischBei vielen Unternehmensgruppen lohnt sich ein Insolvenzplanverfahren mit Eigenverwaltung bereits ohne große Reformen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Sportvereine, denen ihre Ligazugehörigkeit erhalten werden kann. Auch Freiberufler wie Ärzte, Anwälte oder Unternehmen, die durch außerordentliche, nicht geschäftsbetriebsrelevante Vorfälle wie Hochwasserschäden oder falsche Steuersparmodelle bei Selbstständigen Insolvenz beantragen mussten, gehören dazu. Hier bietet sich der Einsatz eines Sanierungsverfahrens über einen Insolvenzplan mit Eigenverwaltung durchaus an, da das Vertrauen in die fachliche und wirtschaftliche Kompetenz der Geschäftsführer nicht verloren gegangen ist.Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei der Auswahl nur um einen kleinen Teil der Insolvenzverfahren handelt und unbedingt verhindert werden muss, dass Schuldner, für die es nicht gedacht ist, in den Genuss des Verfahrens kommen.—-*) Michael Pluta ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Gründer der Pluta Rechtsanwalts GmbH.