PORTFOLIO - IM INTERVIEW: CHRISTIAN VOLLMUTH, DEUTSCHER DERIVATE VERBAND

"Regulierer treiben Kostentransparenz voran"

Studie zeigt überraschend geringe Emittentenmargen bei Zertifikaten - Diskrepanz zu anderen Analysen

"Regulierer treiben Kostentransparenz voran"

Zertifikate gelten im Allgemeinen als sehr hochmargige Produkte. Eine Studie der European Derivatives Group (EDG) und des Deutschen Derivate Verbandes (DDV) zeigt nun, dass die Emittentenmargen von Zertifikaten deutlich geringer sind als angenommen. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt DDV-Geschäftsführer Christian Vollmuth die Unterschiede zu den Ergebnissen anderer Studien.- Herr Vollmuth, wieso hat der DDV eine große Studie veröffentlicht, in der die EDG die Emittentenmarge von Zertifikaten ermittelt hat?Immer wieder ist der Vorwurf zu hören, Zertifikate würden viele versteckte Kosten enthalten und daher könnten die Emittenten hohe Gewinne einstreichen. Die repräsentative EDG-Studie stellt das durch Fakten richtig. Die Emittentenmargen von Zertifikaten sind sehr viel kleiner als vielfach angenommen.- Wie hoch ist denn die ermittelte durchschnittliche Marge?Vorab ist wichtig: Die erwartete Emittentenmarge ist eine Vorkostengröße. Sie beinhaltet zwar den erwarteten Gewinn des Emittenten, umfasst aber auch dessen sämtliche Kosten. Hierzu gehören beispielsweise die Aufwendungen für Personal, Börsenzulassungen oder Handelssysteme. Bei einer zufälligen Auswahl der EDG von 1 529 strukturierten Wertpapieren beträgt die durchschnittliche Emittentenmarge 0,46 % pro Jahr. Bei der repräsentativen Auswahl nach tatsächlichen Marktvolumen sogar nur 0,36 % jährlich.- Welche Produkte sind für den Anleger besonders teuer?Entgegen der oft gern geübten Kritik an Zertifikaten fällt in der Studie keine Produktgruppe für den Anleger aus dem Rahmen. Auch der Wert der Kapitalschutz-Zertifikate, über deren vermeintlich hohe Emittentenmarge besonders häufig spekuliert wurde, liegt mit 0,73 % deutlich unter 1 % pro Jahr.- Wie erklären Sie die große Diskrepanz zu den Ergebnissen der Studie der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA von Juli 2013? Dort wurden Durchschnittsmargen von 4,6 % ermittelt.Bei der ESMA-Studie gibt es für mich das ein oder andere Fragezeichen, was Untersuchungsgegenstand und damit die Ergebnisse angeht. Es wurden gerade mal 76 Produkte untersucht, um den gesamten europäischen Zertifikatemarkt abzudecken. Allein für den deutschen Markt hat die EDG aber in ihrer Studie insgesamt 3 179 Produkte analysiert. Hinzu kommt, dass die einbezogenen Produkte der ESMA-Studie die Anteile und Charakteristiken der nationalen Zertifikatemärkte nicht wirklich wiedergeben. Übrigens beziehen sich auch die plakativ nach außen getragenen 4,6 % der ESMA auf einen Zeitraum von drei Jahren. Eine Angabe der Emittentenmarge pro Jahr sieht mit 1,5 % schon deutlich weniger beeindruckend aus- Beim Kauf von Filialprodukten fallen neben der Emittentenmarge in der Regel auch Provisionen des Vertriebs an. Wieso werden diese aus der Studie ausgeklammert?Das hat einen einfachen Grund. Die Vertriebskosten sind den Anlegern bereits seit Jahren bekannt. Sie werden von den Zertifikateemittenten in den Produktinformationsblättern ausgewiesen.- Wieso wurden Produkte wie die populären Faktorzertifikate und Partizipationszertifikate in der Studie nicht berücksichtigt?Bei Faktor- und Partizipationszertifikaten ist die Laufzeit der Produkte in der Regel unbeschränkt. Um sie in die EDG-Studie miteinzubeziehen, hätten diese Produkte mindestens auf täglicher Basis bis zum Auflagezeitpunkt zurückgerechnet werden müssen. Das ist zum einen schwierig umzusetzen und sehr aufwendig. Zum anderen müsste man dann eine relativ willkürliche Annahme zur Haltedauer dieser Zertifikate treffen. Eine solche Vorgehensweise weicht aber von den anderen Produktkategorien ab, die auf die Restlaufzeit der Produkte abzielt. Inkonsistenzen sollten in der Studie vermieden werden.- Die Vertriebsprovisionen von Finanzprodukten müssen seit längerem ausgewiesen werden. Gibt es Bestrebungen auch die Emittentenmarge von Zertifikaten zukünftig auszuweisen?Gerade auch die Kostentransparenz spielt im Fairness-Kodex, der neuen Selbstverpflichtung der Zertifikateemittenten, eine zentrale Rolle. Ab Frühjahr 2014 weisen die Emittenten in den Produktinformationsblättern der Anlageprodukte den sogenannten vom Emittenten geschätzten Wert aus. Dieser Issuer Estimated Value, kurz IEV, ist vergleichbar mit dem Preis, den die EDG zur Bestimmung der Emittentenmarge berechnet hat. Künftig können also alle Interessenten die erwartete Emittenmarge mit Hilfe der Produktinformationsblätter einfach ermitteln. Hierfür müssen sie vom Ausgabepreis des Zertifikats den IEV und gegebenenfalls Vertriebskosten abziehen.- Was entgegnen Sie Kritikern wie Daniel Sandmeier, Präsident des Schweizer Branchenverbands SVSP, dass die Marge der Emittenten bei Emission oder auch während der Laufzeit nicht transparent offenlegbar ist? Sie sei erst am Ende der Produktlaufzeit bekannt.Herr Sandmeier hat Recht. Zum Zeitpunkt des Verkaufs der Emission ist die Emittentenmarge unsicher. Sie kann aufgrund von Marktrisiken nur geschätzt werden. Auch eine Fluggesellschaft, die heute – Mitte November 2013 – Tickets für Flüge im Sommer 2014 verkauft, kennt aktuell weder den zukünftigen Kerosinpreis noch die Ausgestaltung des nächsten Tarifabschlusses ihrer Mitarbeiter. Sie berechnet aber trotzdem unter bestimmten Annahmen einen Ticketpreis, der die erwarteten Kosten und einen erwarteten Gewinn enthält. So verhält es sich auch bei der Berechnung der Marge. Allerdings besteht bei Zertifikaten, die zum Teil viele Jahre Laufzeit aufweisen, sogar noch mehr Ungewissheit. Kein Emittent kann heute abschätzen, welche Kosten auf ihn im Rahmen der drohenden Finanztransaktionsteuer zukommen werden.- In der Schweiz wurde eine den Fonds vergleichbare Gesamtkostenquote (TER) von einigen Emittenten eingeführt. Wäre eine solche Kennzahl nicht auch für Zertifikate sinnvoll?Der Ausweis einer Kostenquote, die einen Vergleich zu anderen Investments ermöglicht, ist sicherlich erstrebenswert. Jedoch enthält die TER für strukturierte Produkte in der Schweiz wie auch die TER für Fonds nicht alle Kostenkomponenten bzw. Aufwände, die der Anleger trägt. Mit dem Ausweis des IEV sowie der Kostenstudie gehen wir deshalb noch einen Schritt weiter, denn auf Basis dieser Informationen sind konkrete Zahlen zu allen Kostenkomponenten inklusive der Emittentenmarge vorhanden. Somit sind wir in Sachen Kostentransparenz sogar Vorreiter bei allen Wertpapierformen und Finanzprodukten in Deutschland und Europa.- Glauben Sie, dass ein Ausweis der Emittentenmargen das angeschlagene Vertrauen der Anleger in die Zertifikate wieder herstellen kann?Von dem angeschlagenen Vertrauen im Zuge der Finanzkrise waren nicht nur Zertifikate, sondern Finanzprodukte aller Anlageklassen betroffen. Beim Kauf eines Finanzprodukts ist für einen Anleger aber sicherlich entscheidend, dass er gute Erfahrungen mit einem Produkt gemacht hat und mit der erzielten Rendite zufrieden ist. Ein Mehr an Produkt- und auch Kostentransparenz ist dabei ein wichtiger Beitrag zum Anlegerschutz und hilft auch, gute von schlechten Produkten zu unterscheiden. Daher trägt mehr Transparenz auch immer zu mehr Vertrauen bei.- Welche Bestrebungen bestehen bei den Regulatoren, dass die Emittenten gezwungen werden, die Margen bei den Zertifikaten auszuweisen?Europäische Regulierer treiben die Kostentransparenz nahezu aller Finanzprodukte voran, was wir sehr begrüßen. Denn Zertifikate sind sicher transparenter als viele andere Finanzprodukte. Künftig soll es im Rahmen der PRIP-Initiative europaweit für alle Anlageprodukte Produktinformationsblätter geben, die insbesondere auch eine verpflichtende Angabe aller Kosten vorsehen. Allerdings zeigt sich auch hier, dass die Mühlen des Gesetzgebers langsam mahlen. Wir sind daher schon mit gutem Beispiel vorangegangen und haben mit dem Fairness Kodex eine umfassende Selbstregulierung vorgelegt.Das Interview führte Armin Schmitz.