ANLAGEPRODUKTE

Regulierung bremst Derivateverkauf

Trotz Hausse am Aktienmarkt rückläufiges Volumen - Beratungsprotokolle senken Absatz

Regulierung bremst Derivateverkauf

Der Zertifikatemarkt profitiert nur wenig von der Hausse am Aktienmarkt. Zunehmende Regulation behindert den Absatz im Filialgeschäft, wo man sich auf risikoarme Zinsprodukte fokussiert. Das Anlagevermögen sinkt sukzessive. Banken verlagern das Zertifikategeschäft auf die Selbstentscheider.Von Armin Schmitz, FrankfurtVon der Hausse an den Aktienmärkten ist am Zertifikatemarkt nicht viel zu spüren. Obwohl sich die Lage bei der Staatsschuldenkrise entspannt hat und die Anleger an die Aktienmärkte zurückkehren, ist ein steigendes Interesse an Zertifikaten und Hebelprodukten ausgeblieben. Das Marktvolumen fiel von 98,7 Mrd. Euro Ende Dezember 2012 im laufenden Jahr auf zuletzt 92,6 Mrd. Euro. Noch im September 2007 lag das in Derivaten verwaltete Volumen bei rund 139 Mrd. Euro. Die börslichen Umsätze haben im laufenden Jahr weiter abgenommen. Das Geschäft verlagert sich zunehmend auf außerbörsliche Handelssysteme. Mittlerweile laufen dort 80 % des Handels.Die Hoffnung, dass der Zertifikatemarkt wieder zu der alten Stärke zurückfindet, hat sich 2013 also nicht erfüllt. Zu sehr bedeutet der 15. September 2008, der Tag, an dem die Investmentbank Lehman Brothers insolvent wurde, eine Zäsur. Mit dem Ausfall der Zertifikate des US-Emittenten wurde den Anlegern bewusst, dass Zertifikate ein Emittentenrisiko besitzen. Neben dem Imageschaden für “das Zertifikat” sorgten Anlegeranwälte und die zunehmende Regulation der Finanzindustrie dafür, dass sich der Zertifikatemarkt zu einem Nischenmarkt gewandelt hat.Neben der hohen Risikoaversion der Anleger, die auch andere Finanzproduktanbieter spüren, leidet die Industrie unter dem Anlegerschutzgesetz und dem damit verbundenen Dokumentationsaufwand. Eine Umfrage des Branchenmediums “Der Zertifikateberater” unter Anlageberatern und Emittenten zeigt, dass 73 % der Befragten angeben, dass sich die Beratungsprotokolle als verkaufshemmend ausgewirkt haben. 48 % gaben an, dass sich viele Kunden durch die Fragenflut abschrecken lassen. Es wundert daher nicht, dass im Beratungsgeschäft risikoarme Produkte wie strukturierte Anleihen, zu denen Floater, Zinsstufenprodukte und Kapitalschutzprodukte gehören, zu den Favoriten zählen. 66 % des Open Interest sind in Produkten investiert, die mit einem vollständigen Kapitalschutz ausgestattet sind. Verlagerung ins InternetInsgesamt dürften der hohe Verwaltungsaufwand und die rechtlichen Risiken dazu führen, dass immer mehr Banken das Geschäft mit den Zertifikaten auf Internetplattformen verlagern, um den Beratungsaufwand weiter zu reduzieren. Das provisionsgetriebene Filialgeschäft, einer der großen Wachstumstreiber vor der Lehman-Pleite, dürfte also weiter zurückgehen. Eine Umfrage des Deutschen Derivate Verbandes zeigt, dass rund die Hälfte der Emittenten von einem unveränderten Geschäftsverlauf ausgeht. Aufwind dürften zunehmend die Plattformen erfahren, die den Vertrieb maßgeschneiderter Produkte ermöglichen.Diese Papiere werden demzufolge erst emittiert, wenn der Anleger bei einer Bank nach einem für ihn geeigneten Produkt anfragt. Vermögensverwalter, Depot-A-Verwalter oder Berater haben mithilfe dieses internetbasierten Moduls die Möglichkeit, strukturierte Produkte wie beispielsweise Discount-Zertifikate, Aktienanleihen und Bonuszertifikate nach ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend maßzuschneidern.Im börslichen Handel dominieren die Selbstentscheider mit dem Handel von Hebelprodukten. Neben den Optionsscheinen und Knock-out-Produkten haben sich die Faktor-Zertifikate als feste Größe etabliert. Sie generieren börsliche Umsätze von rund 200 Mill. Euro.Auch wenn diese Produktgruppe hohe Handelsvolumina generiert, befürchten Experten, dass Zertifikate künftig von der Bevölkerung nur noch mit Hebelprodukten in Verbindung gebracht werden. Davon ist man bei Teilschutzzertifikaten wie Discounttiteln und Bonuspapieren noch weit entfernt.Eine Umbenennung der Anlagezertifikate in Exchange Traded Products (ETP) würde sicherlich Vorteile bringen, weil dieser Begriff nicht negativ besetzt ist. Institutionelle Anleger subsumieren unter ETP Exchange Traded Funds (ETF), Exchange Traded Commodities (ETC) und Exchange Traded Notes (ETN). Da bei ETC und ETN Anlagestrategien und Assetklassen ebenfalls über Schuldverschreibungen verbrieft werden, sind sie den Zertifikaten vergleichbar.