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Rentenanlagen in Zeiten der Schuldenkrise

Börsen-Zeitung, 21.10.2011 Wir leben wahrlich in turbulenten Zeiten: Die europäische Schuldenkrise hat sich in den vergangenen Monaten massiv verschärft, die Schulden übersteigen hier immer häufiger das jährliche Bruttoinlandsprodukt (BIP). Selbst...

Rentenanlagen in Zeiten der Schuldenkrise

Wir leben wahrlich in turbulenten Zeiten: Die europäische Schuldenkrise hat sich in den vergangenen Monaten massiv verschärft, die Schulden übersteigen hier immer häufiger das jährliche Bruttoinlandsprodukt (BIP). Selbst die USA haben ihr “AAA”-Rating verloren – früher undenkbar. Viele Anleger mussten schmerzhaft erkennen, dass die Risiken selbst bei Staatsanleihen großer Volkswirtschaften alles andere als hypothetisch sind. Das Verhältnis von Schulden zum BIP liegt vielerorten mittlerweile bei deutlich über 100 %. Ganz anders sieht die Lage in vielen Emerging Markets aus. Hier liegt der Schuldenstand im Durchschnitt bei gerade einmal 40 % des BIP bei gleichzeitig hohen Wachstumsraten und soliden Kreditkennzahlen. Neue StrategienEntsprechend überdenken viele Anleger derzeit ihre Strategien und Anlageschwerpunkte und verschieben ihren Fokus in Richtung Schwellenländer und hier insbesondere in Richtung “traditionelle” Schwellenländer wie Brasilien, Russland, Indien, China oder Südafrika (BRICS). Durch die massive Nachfrage notieren die Anleihen dieser Märkte zwischenzeitlich nah am fairen Preis. Sollten die US-Zinsen wieder ansteigen, bleibt wenig Raum für einen Rückgang der Spreads und attraktive Renditen. Als Alternative bieten sich für Anleger zwar teils Unternehmensanleihen aus Schwellenländern an, deren Renditen verfehlen bislang aber zu häufig die hohen Erwartungen.Immer häufiger rücken deshalb neben den BRICS-Staaten dank positiver makroökonomischer Daten auch die sogenannten “Frontier Markets” in den Vordergrund. Zu dieser Untergruppe der Emerging Markets zählen vergleichsweise kleine Volkswirtschaften mit unterentwickelten Finanzmärkten und einem teils beschränkten Marktzugang. Erfolgreiche Beispiele sind die Mongolei, Mosambik oder Serbien. Aber auch Uruguay, die Elfenbeinküste oder Sri Lanka zählen zu diesen “Grenzstaaten”.Frontier Markets sind für Anleger aus drei Gründen interessant: dem enormen Potenzial für ein langfristig starkes Wachstum, den überdurchschnittlichen Zinsen und der niedrigen Korrelation mit traditionelleren Anlageklassen. Letztere führte auch in den jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten übrigens zu einer sehr stabilen, positiven Wertentwicklung.Natürlich befinden sich diese Staaten noch in einem sehr frühen Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung und viele Investoren sorgen sich um die Liquidität der jungen Märkte jenseits des Anleger-Mainstreams. Ein genauerer Blick auf das Anleiheuniversum von Frontier Markets zeigt jedoch, dass deren Liquidität von Anlegern aus den Industrienationen unterschätzt wird. Aktuell befinden sich im Markt von den 50 Kernmärkten Anleihen für rund 275 Mrd. Dollar, in harten wie in lokalen Währungen. Nicht eingeschlossen in diese Zählung sind synthetische Bonds oder andere Anleihe-Instrumente.Die derzeitige ökonomische und finanzpolitische Situation der Frontier Markets ist vergleichbar mit der heute entwickelter Schwellenländer in den späten neunziger Jahren. Viele Eckdaten sprechen dafür, dass Anleger in den kommenden fünf bis zehn Jahren hier mit einer ähnlich rasanten Entwicklung rechnen. Insgesamt haben sich die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen für Anlagen in Frontier Markets kontinuierlich verbessert. Kräftiges WachstumMehr und mehr Frontier Markets sind klar auf Wachstumskurs, auch wenn die Story immer individuell ist: Die Mongolei verfügt beispielsweise über sehr hohe Vorkommen an Kupfer, Gold, Kohle, Uran und Zinn. Die Wachstumsraten liegen dort aktuell bei über 10 % jährlich. Mosambik wiederum ist als großer Kohleproduzent auf dem Sprung zum erfolgreichen Exportland. Serbien dürfte vom immer wahrscheinlicher werdenden EU-Beitritt massiv profitieren. Für Anleger interessant ist auch die Tatsache, dass Frontier Markets und ihre Währungen bislang von den großen Kapitalströmen gemieden wurden und sich Märkte wie Kurse gerade deswegen stabiler entwickelten.In etablierteren Märkten halten internationale Investoren häufig 25 bis 35 % der Anlagen, in Ungarn sind es sogar knapp 50 %. Bei Änderungen in der Asset Allocation oder globalen Ereignissen ziehen diese Anleger ihr Kapital rasch ab und sorgen für entsprechende Marktverwerfungen. Frontier-Markets-Anleihen und -Währungen werden dagegen stärker national nachgefragt und sind deswegen stabiler und enger verknüpft mit der tatsächlichen lokalen Entwicklung, die Volatilität dieser Märkte ist folglich niedriger. Hohe RenditenNeben den im Vergleich zu Staatsanleihen aus Industrienationen hohen Renditen der Frontier Markets können Anleger auch auf Währungsgewinne setzen, da viele Anleihen in lokalen Währungen denominiert sind. Auch wenn sie als “weiche” Währungen gelten, zeigen viele Schwellenländerwährungen gerade in Zeiten von Dollar- und Euro-Schwemme Stärke. Aktuelle Beispiele sind der Neue Metical in Mosambik und der serbische Dinar, der von einem relativ starken serbischen Bankensektor ebenso profitiert wie von einer Verlängerung der Kreditlinie durch den Internationalen Währungsfonds (IWF). Der IWF stützt im Übrigen aus politisch-strategischer Sicht viele Frontier Markets, ähnlich wie andere Gläubigerländer, insbesondere China – und sorgt so auch für entsprechende Liquidität.In der Summe führen diese Faktoren zu einem jährlichen Renditepotenzial von mehr als 10 % – in Zeiten, in denen russische oder brasilianische Staatsanleihen nur noch Renditen von 3,25 bis 4,25 % bieten. Nicht außer Acht gelassen werden dürfen hierbei die definitiv vorhandenen Risiken. Insbesondere Neuwahlen, Bürgerkriege oder Korruption führen in einigen Fällen zu negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung. Entscheidend sind deshalb tiefe Kenntnisse der lokalen Verhältnisse, eine sehr breite Streuung über Länder und Kontinente sowie permanente Aufmerksamkeit.