Recht und Kapitalmarkt

Restrukturierung mit Hilfe aus England

Schemes of Arrangement werden hierzulande Schule machen - Einführung eines solchen Vergleichsinstruments auch in Deutschland sinnvoll

Restrukturierung mit Hilfe aus England

Von Johannes Kremer und Daniel Beck *)Kürzlich ist mit Telecolumbus, einem der wichtigsten Kabelnetzbetreiber in Deutschland, erstmals ein deutsches Unternehmen durch ein Scheme of Arrangement restrukturiert worden. Schemes of Arrangement sind Restrukturierungsinstrumente des englischen Rechts, die deutschen Unternehmen eine erfolgreiche Restrukturierung und die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens ermöglichen können. Schemes of Arrangement ermöglichen einem Unternehmen, seinen Gläubigern (oder einer Gruppe von Gläubigern) einen Vergleich aufzuzwingen. Alle dem Scheme of Arrangement unterliegenden Gläubiger sind an den Vergleichsvorschlag gebunden, auch wenn nur ein Teil dieser Gläubiger zustimmt. Nur bestimmte GläubigerDer Vergleich wird von dem Unternehmen vorgeschlagen und gilt als von seinen Gläubigern genehmigt, wenn nach der Anzahl 50 % sowie nach Forderungsvolumen 75 % der beteiligten Gläubiger zustimmen. Das Scheme of Arrangement erfasst nur solche Gläubiger, die von dem Unternehmen in das Scheme einbezogen werden. Dadurch können bestimmte Gläubiger (etwa Kreditgeber) erfasst werden, ohne dass andere Gläubiger (etwa Lieferanten) betroffen sind. Ein solches Scheme erfordert ferner die Billigung durch das zuständige englische Gericht. Dieses prüft bei seiner Entscheidung unter anderem, ob es von seiner Zuständigkeit für das Scheme of Arrangement Gebrauch machen wird und ob der Vergleich eine unbillige Benachteiligung einzelner Gläubiger bewirken würde.Grundsätzlich sind alle denkbaren Rechtsverhältnisse zwischen einem Unternehmen und seinen Gläubigern einem Vergleich durch Scheme of Arrangement zugänglich. Typische Gegenstände des Vergleichs sind etwa die Stundung von Zahlungsverpflichtungen, der Verzicht auf Forderungen, die Ausgabe von Genussrechten und die Umwandlung von Fremdkapital in Unternehmensanteile (Debt-to-Equity Swaps).Schemes of Arrangement setzen keine Insolvenzsituation voraus. Die mit einem Insolvenzverfahren regelmäßig einhergehenden Nachteile wie der Kontrollverlust des Managements, eine Minderung des Unternehmenswerts oder eine Rufschädigung können somit vermieden werden. Nicht erforderlich ist auch, dass das Unternehmen seinen Sitz oder seinen Interessenmittelpunkt (das sogenannte Centre of Main Interest, kurz Comi) nach England verlegt. Sitzverlegungen nach England, wie in den Fällen Deutsche Nickel oder Schefenacker in der Vergangenheit, können damit vermieden werden.Nicht jedem Unternehmen steht der Weg einer Restrukturierung durch Scheme of Arrangement offen. Englische Gerichte billigen ein solches Scheme eines deutschen Unternehmens nur dann, wenn eine “ausreichende Verbindung” zwischen dem Unternehmen und England besteht. Hier kann es jedoch bereits ausreichen, dass die durch das Scheme of Arrangement zu ändernden Verträge englischem Recht unterliegen. Entscheidung gefragtOb englische Schemes of Arrangement in Deutschland anerkannt werden, ist bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden. Während die rechtswissenschaftliche Literatur mehrheitlich der Ansicht ist, Schemes of Arrangement seien in der Bundesrepublik anzuerkennen, ist die Entscheidungspraxis der Untergerichte bislang uneinheitlich. Ein Verfahren über die Anerkennung solcher Schemes in Deutschland ist mittlerweile beim Bundesgerichtshof anhängig. Wünschenswert wäre eine klare Entscheidung zu Gunsten der Anerkennung, nicht zuletzt, da sonst Konflikte zwischen englischen und deutschen Gerichten drohen.Ein Hauptanwendungsfeld für Schemes of Arrangement deutscher Unternehmen sind Restrukturierungen englischer Kreditfinanzierungen. Auch wenn regelmäßig für Änderungen von Finanzierungsverträgen die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Kreditgeber ausreicht, ist für umfangreiche Restrukturierungen grundsätzlich die Zustimmung aller Darlehensgeber erforderlich. In solchen Situationen, insbesondere bei Beteiligung einer großen Zahl von Kreditgebern, ist eine Zustimmung sämtlicher Kreditgeber aber meist nicht zu erreichen. Zudem locken Restrukturierungsszenarien oft Hedgefonds an, die eine Restrukturierung mit dem Ziel blockieren, sich ihre Zustimmung abkaufen zu lassen. In solchen Fällen können das Unternehmen und die Gläubigermehrheit durch Schemes of Arrangement einen Vergleich auch gegen den Willen der Minderheit erzwingen. Alternative: PlanverfahrenEine Alternative zu Schemes of Arrangement liegt im deutschen Insolvenzplanverfahren, das bereits im Vorfeld geplant und vorbereitet werden kann. Insbesondere bei Unternehmensgruppen kann versucht werden, die Insolvenz auf Teile zu beschränken und überlebensfähige Bereiche herauszulösen. Eine Eigenverwaltung kann dazu beitragen, dass das Management auch in der Insolvenz weitreichende Kontrolle behält. Diese wird aber bislang selten gewährt. Trotz der jüngsten Reformen des Insolvenzrechts unterliegt die Restrukturierung nach wie vor den bekannten Unwägbarkeiten des deutschen Insolvenzrechts, vor allem mangelnder Einflussmöglichkeit auf Auswahl und Maßnahmen des Verwalters sowie Angriffen auf einzelne Restrukturierungsmaßnahmen durch Rechtsbehelfe einzelner Gläubiger.Die Möglichkeit, sich durch eine “Flucht nach England” in den Schutz des dortigen Insolvenzrechts zu begeben, wurde mehrfach erprobt und oft kritisiert. Prominente Beispiele sind die Fälle Deutsche Nickel und Schefenacker. Beide Unternehmen nutzten die Möglichkeit, durch eine Sitzverlegung in den Genuss des restrukturierungsfreundlicheren englischen Insolvenzrechts zu kommen. Jedoch versuchen deutsche Gerichte nunmehr verstärkt, den Wegzug in das englische Insolvenzrecht zu verhindern. Eine Sitzverlegung nach England zur Ausnutzung des dortigen Insolvenzrechts ist daher mit einigen Unsicherheiten verbunden. Erster FallMit der Telecolumbus-Gruppe wurde kürzlich erstmals ein deutsches Unternehmen mittels eines Schemes of Arrangement restrukturiert. Die Restrukturierung erfolgte in mehreren Schritten, in denen ein Teil der Forderungen der Kreditgeber in Anteile oder Bezugsrechte umgewandelt wurde. Zudem gewährte die Gruppe den Kreditgebern ein eigenkapitalähnliches Instrument, dessen Zinslast und Kreditsumme sich der wirtschaftlichen Situation der Kreditnehmergruppe anpassen.Somit wurde die Schuldenlast der Kreditnehmergruppe reduziert, den Darlehensgebern aber die Möglichkeit gegeben, an einer Erhöhung des Unternehmenswerts oder am Erlös aus einer Unternehmensveräußerung zu partizipieren. Die Restrukturierung erfolgte im wesentlichen steuerneutral und sicherte so das Überleben der Kreditnehmergruppe nachhaltig.Im Markt wird erwartet, dass die Telecolumbus-Restrukturierung den Beginn einer Reihe von Schemes of Arrangement deutscher Unternehmen markiert. Wegen des Fehlens vergleichbarer Instrumente hierzulande werden vor allem Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil (etwa aus Portfolios von Private-Equity-Fonds) künftig Interesse daran haben, Restrukturierungen mittels Schemes of Arrangement durchzuführen.Auswirkungen werden auch auf die Rechtslage in Deutschland erwartet. Das hiesige Recht, insbesondere das Insolvenzrecht, wird seit langem wegen seiner mangelnden Restrukturierungsfreundlichkeit kritisiert. Im Wettbewerb der Rechtsordnungen wird sich Deutschland der Schaffung eines günstigeren Umfelds für Restrukturierungen nicht dauerhaft verwehren können. Mit dem neuen Schuldverschreibungsgesetz wurden erste Ansätze geschaffen, Restrukturierungen auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu ermöglichen. Die starke Nachfrage nach Restrukturierungen mittels Schemes of Arrangement zeigt, dass ein derartiges Instrument auch in Deutschland sinnvoll wäre.Weiterhin sind negative Auswirkungen auf den Finanzierungsstandort Deutschland zu befürchten. Investoren und Unternehmen werden künftig frühzeitig entscheiden müssen, ob eine Finanzierung unter englischem Recht erfolgen soll, um sich mit Blick auf eine potenziell erforderliche Restrukturierung den Weg eines Schemes of Arrangement offen zu halten.—-*) Dr. Johannes Kremer ist Partner, Dr. Daniel Beck Associate bei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom.