RECHT UND KAPITALMARKT

Restschuldbefreiung nun nach drei Jahren

Neuregelung in der Insolvenzordnung nutzt nicht alle Möglichkeiten

Restschuldbefreiung nun nach drei Jahren

Von Marion Gutheil *)Für die Entschuldung natürlicher Personen hat der Gesetzgeber am 17.12.2020 eine gesetzliche Neuregelung in der Insolvenzordnung beschlossen, mit der Schuldner nun nach drei – und nicht wie bisher nach spätestens sechs – Jahren die Restschuldbefreiung erlangen können. Dies bedeutet, dass Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen von nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gläubigern nun nach drei Jahren befreit werden.Das gerade verabschiedete Gesetz, das in einigen Teilen sehr kontrovers diskutiert wurde, stellt zum einen die zwingend vorgeschriebene Umsetzung der EU-Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsverfahren in nationales Recht dar. Gleichzeitig ist es aber auch Teil des Konjunktur- und Krisenbewältigungspaketes als Folge der Corona-Pandemie.Es ist sehr begrüßenswert, dass gerade mit Blick auf die mit der Covid-Pandemie einhergehenden finanziellen Belastungen großer Teile der Bevölkerung für diejenigen, die unverschuldet in Zahlungsschwierigkeiten geraten, ein wirtschaftlicher Neustart nun in einem absehbaren Zeitraum ermöglicht wird. Beeinflusst durch die Coronakrise, werden wir in Zukunft sicher vermehrt mit Insolvenzanträgen konfrontiert werden, bei denen etwa eine lang andauernde Kurzarbeit eine Immobilienfinanzierung kippen lässt oder in der Gastronomie Tätigen das fest eingeplante Trinkgeld wegfällt. Auch mancher Einzelkaufmann wird die coronabedingten Umsatzausfälle bei nahezu gleichbleibenden Kosten nicht auffangen können, eine weitere Verschuldung mit Blick auf den zu leistenden Kapitaldienst nicht darstellbar sein.Die Verkürzungsregelung wird rückwirkend für Insolvenzanträge gelten, die ab dem 1.10.2020 gestellt wurden. Diese Rückwirkung dürfte allerdings in der Praxis wenig Relevanz haben, gingen doch seit Monaten, nämlich seit die Verkürzung in greifbare Nähe gerückt ist, kaum noch Anträge beim Gericht ein. Dies, obwohl parallel ein Stufenmodell für Anträge ab dem 17.12.2019 in monatlichen Schritten die Restschuldbefreiungsphase verkürzt. Die Anträge warteten bis gestern in den Schuldnerberatungsstellen und bei beauftragten Rechtsanwälten und werden nun wohl die Gerichte überschwemmen. Neuanfang erschwertDie Differenzierung zwischen der zunächst befristeten Geltungsdauer für Verbraucher und der unbefristeten für (ehemals) unternehmerisch tätige Personen ist nach nachvollziehbarer Kritik letztlich nicht ins Gesetz aufgenommen worden, hätte dies nach Auslaufen der gesetzlichen Frist doch bedeutet, dass ein ehemals selbstständig Tätiger von geschäftlichen und privaten Verpflichtungen nach drei Jahren befreit wäre, während der Verbraucher von seinen privaten Schulden erst nach sechs Jahren entlastet würde. Der vor vielen Jahren für wenige Monate selbstständige Kleinstunternehmer hätte also gegenüber dem Verbraucher einen nicht nachvollziehbaren Vorteil. Die parlamentarische Diskussion hat gefruchtet. Eine Gleichbehandlung aller natürlichen Personen ist gesetzlich geregelt.Damit ein nachhaltiger Neustart zeitnah nach Erteilung der Restschuldbefreiung ermöglicht wird, wäre es allerdings sinnvoll gewesen, einen Vorschlag des Referentenentwurfs in das Gesetz aufzunehmen: die Speicherfristen in den Auskunfteien wie der Schufa auf ein Jahr nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu verkürzen. Der Gesetzgeber will nun allerdings erst die Evaluierung abwarten, um zu klären, wie sich die Speicherung insolvenzbezogener Daten auf einen Neustart auswirkt. Dies führt dazu, dass ein Neuanfang durch die gespeicherten Negativmerkmale mindestens deutlich erschwert, wenn nicht versperrt ist.Mit dem jetzt vorliegenden Gesetz hat man eine Chance auf eine kurzfristige und vor allem nachhaltige Entschuldung der Betroffenen ungenutzt gelassen. Da hilft es auch nicht, wenn zukünftig insolvenzbedingte Berufsverbote wie etwa bei Architekten oder Rechtsanwälten mit der Rechtskraft über die Entscheidung zur Restschuldbefreiung aufgehoben werden. Aufgrund der Negativauskunft wird es dann noch nicht einmal gelingen, einen neuen Mobilfunkvertrag abzuschließen.Wünschenswert wäre es gewesen, wenn der Gesetzgeber die sich ihm bietende Möglichkeit umfassend genutzt hätte, einen nachhaltigen wirtschaftlichen Neustart für jeden redlichen Schuldner zu ermöglichen, und zwar nicht nur durch die sinnvolle Verkürzung der Restschuldbefreiung, sondern auch durch die zeitnahe Löschung der Hinweise auf das Insolvenzverfahren. Dann wäre der von Thomas Mann in den Buddenbrooks bereits 1901 bemühte Ausspruch: “Bankrott, das war etwas Grässlicheres als der Tod, das war Tumult, Zusammenbruch, Ruin, Schmach, Schande, Verzweiflung und Elend” sicher bald Fiktion gewesen. *) Marion Gutheil ist Partnerin bei Mönning Feser Partner Rechtsanwälte Insolvenzverwalter in Düsseldorf.