Immobilien

Retail-Investments gefragt wie lange nicht mehr

Anhaltende Dynamik 2011 - Wachsender Online-Handel beunruhigt noch nicht - B-Lagen ohne Belebung

Retail-Investments gefragt wie lange nicht mehr

Von Ulli Gericke, BerlinShoppingcenter, Supermärkte, Kaufhäuser und Fachmarktzentren sind gesucht und so begehrt wie schon lange nicht mehr. Allein im vergangenen Jahr wurden nahezu 8 Mrd. Euro bundesweit in Einzelhandelsimmobilien investiert – weit mehr als doppelt so viel wie in der Periode zuvor. Mit einem Umsatzanteil von gut 40 % am gesamten gewerblichen Transaktionsvolumen hierzulande (von etwas über 19 Mrd. Euro 2010) haben Einzelhandelsimmobilien nunmehr Bürogebäude überholt: “Retail-Investments auf der Pole-Position”, betitelt dementsprechend BNP Paribas Real Estate ihre erste Datenübersicht zu Einzelhandelsimmobilien – die im Wesentlichen auch Jones Lang LaSalle bestätigt, die allerdings Büros noch knapp an der Spitze sieht.”Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist, dass viele deutsche und auch internationale Investoren großes Vertrauen in die künftige gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands setzen und demzufolge nicht nur von stabilen, sondern sogar von wachsenden Konsumausgaben ausgehen”, begründet Christoph Meyer, Geschäftsführungsmitglied von BNP Paribas Real Estate und Leiter des Retail-Investment, das wachsende Interesse – nicht ohne den Nachsatz: “Die sehr gute Entwicklung des Investmentumsatzes dürfte sich aus heutiger Sicht auch in diesem Jahr fortsetzen.”Fast wortgleich fügt Jan Linsin, Head of Research beim deutschen Ableger des Beratungshauses CB Richard Ellis, an: “Insgesamt rechnen wir für den Investmentmarkt für Einzelhandelsimmobilien mit einer Fortsetzung der positiven Dynamik” – zumal Retail-Immobilien zunehmend in den Portfolio-Allokationen vor allem der institutionellen Anleger Berücksichtigung fänden.Dieser geballte Optimismus überrascht insofern etwas, als der Online-Handel unverändert rasch expandiert. Während der gesamte Einzelhandel nach Erwartungen von Stefan Genth, dem Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), nur auf ein bescheidenes Umsatzplus von 1,5 % kommen dürfte, sollten die Erlöse von Amazon, Ebay & Co.com 2011 um gut 10 % explodieren – auf Kosten der stationären Händler. Insgesamt erwartet der HDE, dass derzeit 7 % aller Waren online gekauft werden.Dessen ungeachtet erfreuen sich Retail-Immobilien auch im jüngsten King Sturge Immobilienkonjunktur-Index einer Top-Bewertung. Unangefochten führen dort zwar seit jeher – und noch verstärkt seit der Finanzkrise – Wohnungen als sichere und Cash-flow-starke Immobilien das Investoreninteresse an. Mit zuletzt gut 140 Punkten rangiert das Handelsklima aber auf Platz 2, mit größerem Abstand vor Büros und Industrieimmobilien. Begehrte ShoppingcenterBei weitem größtes Segment innerhalb der Retail-Immobilien waren 2010 Shoppingcenter, die allein mit Transaktionserlösen von 3,2 bis 3,5 Mrd. Euro den gesamten Handelsumsatz im Jahr davor übertrafen. Für das laufende Jahr rechnet Jan Dirk Poppinga, Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, im Shoppingcenter-Segment wegen des knapper werdenden Angebots an sicheren “Core”-Objekten mit langfristig gesicherten Mieteinnahmen tendenziell mit einem eher sinkenden Transaktionsvolumen. “Solange es die Wettbewerbssituation und die Einzelhandelskennzahlen des jeweiligen Standorts zulassen, werden Investoren vermehrt Value-Added-Objekte in den Fokus ihrer Akquise rücken, zumal die gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten und das Anziehen des deutschen Binnenkonsums die internationalen Kapitalströme vermehrt nach Deutschland lenken werden.”Zweitwichtigstes Segment mit fast 30 % am Transaktionsvolumen waren Geschäftshäuser, die vor allem bei Privatanlegern und “Core”-orientierten institutionellen Investoren weiterhin sehr beliebt waren, ermittelten die Immobilienmakler weiter. Auch Fach- und Supermärkte sowie Fachmarktzentren standen mit zusammen gut einem Fünftel aller Deals stark im Fokus der Anleger. In Kauf- und Warenhäuser wurden rund 6 % investiert.Rund ein Drittel des Transaktionsvolumens wurde zu Kaufpreisen von 100 bis 500 Mill. Euro umgesetzt. Bemerkenswert ist laut Meyer, dass Transaktionen bis zu 10 Mill. mit 9 % am Ergebnis beteiligt waren. “Dies unterstreicht, dass der Markt für Retail-Investments 2010 insgesamt sehr lebhaft war und nicht nur durch wenige große Deals dominiert wurde.” Mit reichlich 40 % hatten ausländische Investoren einen deutlich höheren Anteil als im Jahr zuvor mit 17 %.Im Umkehrschluss der hochschnellenden Nachfrage samt steigenden Preisen sanken die Renditen. Insbesondere für großflächige Einzelhandelsimmobilien, also Shoppingcenter an A-Standorten und Fachmarktzentren, fielen die Spitzenrenditen um je 50 Basispunkte (BP) auf 5,25 % bzw. 6,25 %. Noch deutlicher zeigt sich die gestiegene Attraktivität von Einzelhandelsimmobilien in der Spitzenrendite für Shoppingcenter an B-Standorten, wo CBRE seit Ende 2009 ein Minus um 70 BP auf 5,80 % beobachtete. Bei Fach- und Supermärkten sank die Rendite dagegen “nur” um 25 BP auf 7,25 %. Nach diesen deutlich rückläufigen Nettoanfangsrenditen 2010 rechnet Linsin für das laufende Jahr mit einem nachlassenden Druck auf die Spitzenrenditen.Aktivste Investoren auf der Käuferseite waren Immobilien-AGs sowie Real Estate Investment Trusts (Reit), auf die CBRE zufolge 22 % des Investitionsvolumens entfielen. Dank des Erwerbs einiger großvolumiger Shoppingcenter addierte sich der Anteil der offenen Immobilienfonds und Spezialfonds auf 20 %. Mit knapp 16 bzw. gut 15 % folgten Versicherungen/Pensionskassen bzw. geschlossene Fonds. Knapp drei Viertel des gesamten Transaktionsvolumens entfielen damit 2010 auf im Wesentlichen eigenkapitalstarke Investoren.Noch stärker als ohnehin schon schnellte das Investitionsvolumen in den sechs großen Handelsmetropolen hierzulande hoch. Mit gut 3,5 Mrd. Euro wurden in den Big Six 170 % mehr umgesetzt als im Jahr 2009. Klar an der Spitze lag Berlin mit knapp 1,4 Mrd. oder allein 40 % der Gesamtsumme. Platz 2 belegte Hamburg (816 Mill.) vor Köln (620) und München, mit 386 Mill. Euro. Die Spitzenrenditen beziffert BNP Paribas Real Estate auf aktuell 4,25 % in München, in Hamburg auf 4,3 % und dann ansteigend Köln, Düsseldorf, Frankfurt bis Berlin mit 4,6 %. Während Shoppingcenter in guten Lagen hoch gefragt seien, lasse in B- und C-Lagen ein spürbarer Preisanstieg noch auf sich warten.Die absehbar weiterhin gute Entwicklung im laufenden Jahr begründet Meyer mit dem anhaltend umfangreich umlaufenden Anlagekapital sowie den guten Perspektiven beim privaten Konsum. Beides spreche dafür, dass Retail-Objekte weiterhin ganz oben auf der Einkaufsliste von Investoren stünden. Begrenztes Angebot”Ob dieser großen Nachfrage auch ein ausreichendes Angebot, vor allem im ,Core`-Segment, gegenüberstehen wird, bleibt aber noch abzuwarten.” Im Anlegerfokus stünden weiterhin nachhaltig vermietete Shoppingcenter sowie Geschäftshäuser in Top-Lagen. “Aber auch das Thema Refurbishment von Warenhäusern in zentralen innerstädtischen Lagen ist auf der Agenda.”Quasi als Beleg der vermeintlich glänzenden Perspektiven von Einkaufszentren startete dieser Tage der Shoppingcenter-Entwickler High Gain House Investments mit seinem ehrgeizigen Vorhaben, die riesige Ödnis am Berliner Leipziger Platz, auf der vor dem Krieg das legendäre Kaufhaus Wertheim stand, wieder zu bebauen. Bis 2013 wollen die Berliner mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von etwa 450 Mill. Euro einen Einkaufstempel mit Büros, Hotel und Wohnungen errichten – quasi vis-à-vis der Potsdamer-Platz-Arkaden. Während die Büroflächen schon vollständig vermietet seien, beziffert der Bauherr den Vorvermietungsstand bei den Einzelhandelsflächen auf schon heute mehr als 70 %.