Recht und Kapitalmarkt

Rien ne va plus

Wie Auktionsverfahren zur Trennung zerstrittener Familienstämme beitragen können - Frühzeitig Rahmenbedingungen festlegen

Rien ne va plus

Von Mark K. Binz *)Wenn sich Gesellschafter eines Familienunternehmens, meist nach langjährigem Streit, trennen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, diesen Prozess professionell abzuwickeln. Oft sind sich die Parteien zunächst nicht einmal darüber einig, welcher Familienstamm geht und welcher bleibt, zumal sich der ausscheidende Gesellschafter meist als Verlierer sieht.”Ich bin bereit, an jeden zu verkaufen, nur nicht an Dich!” ist ein häufiger Ausspruch zwischen Brüdern. Als Ausweg bleibt dann nur noch ein Gesamtverkauf. Vielfach ist sogar das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten schon soweit gestört, dass nicht einmal das gemeinsame Ziel, einen optimalen Kaufpreis zu erhalten, die Streithähne eint. Wie die Fälle Märklin, Gardenia oder Dornier zeigen, sitzen dann dem potenziellen Erwerber gleich mehrere Berater und Investmentbanker gegenüber, die alle den Ehrgeiz haben, zu zeigen, dass sie es noch besser können mit oft katastrophalem Ausgang. Die BewertungAber selbst wenn feststeht, welche Seite geht und welche bleibt, stellt sich die oft nicht weniger schwierige Frage, was das Unternehmen eigentlich wert ist. Die Auffassungen divergieren oft um mehrere 100 %. Verbleibende Gesellschafter überbetonen naturgemäß dabei die Risiken, wohingegen der ausscheidungswillige Gesellschafter sich bereits bei rotarischen Freunden, seiner Hausbank oder einem zufällig kennen gelernten M & A-Berater “kundig” gemacht hat und zu einem “Mondpreis” gelangt.In dieser Situation kommt oft ein Bewertungsgutachten ins Spiel. Beide Seiten lassen jeweils ein Parteigutachten erstellen, das zum jeweils untersten beziehungsweise obersten vorstellbaren Unternehmenswert gelangt und eine Einigung daher eher erschwert.Sinnvoller wäre es, wenn die Beteiligten einen gemeinsamen Gutachter mit der Bewertung beauftragen. Aber auch diese Lösung klingt besser, als sie wirklich ist: Zum einen wird der Gutachter schnell daran scheitern, dass entweder die von ihm für die Bewertung nach dem Verfahren des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) erforderliche Unternehmensplanung nicht existiert oder aber von dem übernahmewilligen Gesellschafter als viel zu ambitioniert in Zweifel gezogen wird, während der ausscheidungswillige Gesellschafter der Auffassung zuneigt, es wäre bei der Ergebnisplanung eigentlich auch “ein Schnaps mehr” drin gewesen. Die VersteigerungAm Ende kommt es darauf an, wer über das erforderliche “Herrschaftswissen” verfügt. Ist dies ein Fremdgeschäftsführer, so ist dieser vor dem Hintergrund streitender Gesellschafter nicht zu beneiden. Setzt er aufs falsche Pferd, rollt meist sein Kopf. Ein erfahrener Fremdgeschäftsführer hält sich bis zuletzt bedeckt – was dem Gutachter die Arbeit nicht gerade erleichtert. Zudem sind Gutachten nicht verbindlich. Diesen Nachteil vermeidet ein Schiedsgutachten. Aber auch ein Schiedsgutachten beseitigt nicht die erwähnten Unsicherheiten in puncto Herrschaftswissen und Unternehmensplanung. Insoweit kann es für beide Seiten zu sehr unliebsamen Überraschungen kommen.Alle diese Komplikationen werden vermieden, wenn sich die streitigen Gesellschafter auf ein internes Auktionsverfahren verständigen. Denn dann ist es völlig belanglos, wie viel das Unternehmen an sich wert ist. Entscheidend ist allein, wie viel dem einen oder anderen Gesellschafter es wert ist, Alleingesellschafter zu sein.Man stelle sich folgenden Ablauf vor: Die Brüder Guido und Ernst Riedel treffen sich beim Notar. Sie hatten das elterliche Unternehmen zu gleichen Teilen geerbt, sind in der Geschäftsführung meist gegensätzlicher Ansicht. Beide wollen daher die Firma alleine fortführen. Das Unternehmen soll nun demjenigen Bruder zufallen, der für den Anteil von 50 % des anderen Bruders den höchsten Preis bezahlt. Guido beginnt die Versteigerung mit einem vorher festgelegten Mindestgebot von 150 Mill. Euro. Das Angebot ist, wie alle anderen, bindend. Anschließend hat Ernst 15 Minuten Zeit, das Angebot zu erhöhen. Der Mindest-Betrag, um den der Kaufpreis jeweils erhöht werden muss, wurde vorab auf 10 Mill. Euro festgelegt. Die Versteigerung ist beendet, wenn das zuletzt abgegebene Angebot nicht mehr erhöht wird. Das K.o.-VerfahrenSolche Versteigerungen sind eine geeignete Möglichkeit, um Gesellschafterkonflikte durch Trennung zu fairen Bedingungen rasch und reibungslos zu lösen. Eine Sonderform der internen Auktion ist das von unserer Kanzlei sogenannte K.o.-Verfahren, bei dem jede Seite nur einen “Schuss” hat. Beide Seiten legen einen verschlossenen Umschlag auf den Tisch, das höhere Gebot erhält den Zuschlag.Eine spannende Variante des K.O.-Verfahrens, auch amerikanisches Roulette genannt, sieht folgendermaßen aus: Lediglich eine Seite unterbreitet ein Verkaufsangebot für den eigenen Anteil von 50 %. In diesem Falle entscheidet die andere Seite, ob sie zu dem angebotenen Preis kaufen oder seine eigene Beteiligung verkaufen möchte. Alle Verfahren erfolgen auf der Grundlage eines zuvor verbindlich vereinbarten Rahmenvertrages und können nicht mehr einseitig gestoppt oder boykottiert werden.Lehnt eine Partei ein Auktionsverfahren trotz angebotenen Wahlrechts ab, weil sie die Firma unbedingt haben möchte, liegt der Verdacht nahe, dass sie in Wirklichkeit nicht bereit ist, dem ausscheidungswilligen Mitgesellschafter einen fairen Preis zu bieten. Gesellschafter spekulieren oft darauf, die besseren Nerven, zumindest aber die clevereren Anwälte zu haben, um so am Ende billiger als im Auktionsverfahren an das Unternehmen zu kommen. Der GesellschaftervertragFamilienunternehmen, vor allem mit mehreren Stämmen, ist zu empfehlen, bereits im Gesellschaftsvertrag die Rahmenbedingungen eines Auktionsverfahrens zu definieren, das im Konfliktfall zur Anwendung kommt. Die Ausrufung eines solchen Konfliktfalles kann entweder enumerativ vom Vorliegen bestimmter Umstände, etwa dem mehrfachen Patt in Gesellschafterversammlungen, abhängig gemacht oder aber – wie bei Ad-hoc-Schiedsgerichten – in das Belieben der Gesellschafter gestellt werden. Dann hat es jeder Familienstamm selbst in der Hand, das Trennungsverfahren per Auktion einzuleiten.Im letzteren Falle liegt es nahe, dass der initiativ werdende Gesellschafter das Auktionsverfahren damit einleitet, dass er selbst einen Unternehmenswert festlegt, auf dessen Basis er bereit ist, entweder selbst auszuscheiden oder aber seinen Mitgesellschaftern deren Anteile abzukaufen. Bei Familienunternehmen, die eine derartige “Öffnungsklausel” nicht vorsehen, ist der ausscheidungswillige Gesellschafter demgegenüber gezwungen, entweder lange Kündigungsfristen einzuhalten – die Gesellschafter der Firma Freudenberg schreiben in ihrem Gesellschaftsvertrag Kündigungsfristen von 30 Jahren fest -, oder aber er verfällt in die Rolle des sogenannten lästigen Gesellschafters. Da dies in der Praxis der Regelfall ist, ist es zweckmäßiger, wenn die Gesellschafter dafür sorgen, dass niemand im Unternehmen sich angekettet fühlt. Die RealteilungWenn sich Gesellschafterstämme trennen wollen, darf man auch nicht die Möglichkeit einer Realteilung außer Betracht lassen. Diese ist gewissermaßen eine Sonderform des Auktionsverfahrens. Ideal wäre eine Aufspaltung, bei der ein Familienstamm die beiden Unternehmensteile definiert, während der andere Familienstamm entscheiden kann, für welchen Teil er sich entscheiden will.Klassische Fälle, in denen zerstrittene Familienstämme im Wege der Realteilung getrennte Wege gehen, sind Bahlsen, Aldi sowie Peek & Cloppenburg. Die Realteilung beim Heidenheimer Maschinenbauunternehmen Voith in den neunziger Jahren gilt heute noch als Musterbeispiel für eine gelungene und steuerfreie Form, um zerstrittene Gesellschafter auseinanderzudividieren.—-*) Prof. Dr. Mark K. Binz ist Senior-Partner der Stuttgarter Kanzlei Binz & Partner.