Asset Management - Gastbeitrag

Risiken liegen da, wo man sie nicht vermutet

Börsen-Zeitung, 14.9.2010 Um Zielrenditen von 4 % oder mehr künftig erwirtschaften zu können, müssen institutionelle Investoren grundlegende Veränderungen ihrer Portfolios vornehmen. Viele meiden Aktien aufgrund ihrer hohen Volatilität und suchen...

Risiken liegen da, wo man sie nicht vermutet

Um Zielrenditen von 4 % oder mehr künftig erwirtschaften zu können, müssen institutionelle Investoren grundlegende Veränderungen ihrer Portfolios vornehmen. Viele meiden Aktien aufgrund ihrer hohen Volatilität und suchen ihr Glück in scheinbar sicheren Alternativen mit optisch attraktiven Renditeaufschlägen, wie Corporate Bonds oder Anleihen der Emerging Markets. Dabei werden Risiken teilweise völlig falsch eingeschätzt.Für viele institutionelle Investoren bringen die Entwicklungen an den Rentenmärkten ein wachsendes Problempotenzial mit sich. Restriktive gesetzliche Anlagebestimmungen und die in der Finanzkrise gewachsene Verunsicherung über die Risiken bei Anleihen stellen für sich genommen bereits ein Problem dar. Gepaart mit historischen Zinstiefs bei als sicher geltenden Staatsanleihen droht neues Ungemach. Bislang leben Pensionskassen und Versicherer noch von den hohen Zinskupons längst vergangener Jahre. Um die notwendigen 4 % Zielrendite auch künftig erreichen zu können, ist eine Umgestaltung der Portfolios notwendig.Viele gehen dabei allerdings unnötig hohe Risiken ein. Diese sind meist aber erst sichtbar, wenn bestimmte Anlageklassen im Wert stark gefallen sind. Die Reaktion darauf erfolgt stets spätzyklisch. Märkte, die sich stabil oder steigend behaupten konnten, gelten demnach als sichere Bank. Das kann sich schnell als Trugschluss erweisen.Die Finanzmarktkrise hat zu einem Verlust des Vertrauens in die Bewertungen der Ratingagenturen geführt. “AAA” ist kein Garant mehr für Sicherheit. Gleiches gilt inzwischen für Staatsanleihen. Die verbliebenen sicheren Häfen, die institutionelle Investoren zuletzt massiv angesteuert haben, sind Bundesanleihen und US-Treasuries. Deren historisch niedrige Renditen sind jedoch keineswegs Anzeichen einer kommenden Rezession. Sie spiegeln vielmehr den Preis der Massenflucht in den kleiner gewordenen Markt der als sicher erachteten Wertpapiere wider. In ScheinsicherheitDie Risiken liegen immer da, wo man sie nicht vermutet. Die Spreads von Staatsanleihen der Eurozone lagen vor Ausbruch der Krise derart nah beieinander, weil offensichtlich vorhandene ökonomische Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften schlichtweg ignoriert wurden. Euro-Staatsanleihen wurden insgesamt als sehr sichere Anlagen in den Portfolios betrachtet. Diejenigen Papiere, die innerhalb dieses Universums noch geringe Zusatzrenditen einbrachten, wurden bevorzugt gekauft. Genau diese Titel führen jetzt zu teils massiven Abschreibungen. Damit kehrt aber auch ein Stück Realismus zurück: Die unterschiedlichen Bonitäten innerhalb des Euroraums werden auch wieder differenziert bepreist.Kaum ein Investor hat angesichts der niedrigen Marktrenditen seine Zielvorstellungen von mindestens 4 % nach unten korrigiert. Nur wenige werden durch die restriktiven Anlagevorschriften des Sozialgesetzbuchs zur Sicherheit und damit zur Aufgabe ihrer alten Renditeziele gezwungen. Mit hoher Sicherheit lassen sich nämlich momentan realistischerweise nur 2 % Rendite erwirtschaften.Wer jetzt zehnjährige Bundesanleihen zu Renditen von gut 2 % kauft, tut dies in der Erwartung, dass das Zinsniveau niedrig bleibt oder gar weiter fällt. Das Risiko einer Zinswende ist jedoch erheblich. Es ist keineswegs abwegig anzunehmen, dass sich diese historisch niedrigen Renditen innerhalb von zwei Jahren verdoppeln können. Ausfall- oder Liquiditätsrisiken, die früher in der Eurozone kaum wahrgenommen wurden, verstellen einigen Marktakteuren heute den Blick auf Kursrisiken im Zuge steigender Zinsen. Volatile TitelSchwellenländer gelten aufgrund ihres rasanten Wirtschaftswachstums und des Abbaus von Leistungsbilanzdefiziten als äußerst bonitätsstark – dem Rohstoffboom der vergangenen Jahre sei Dank. Schwellenländeranleihen sind in Mode und haben zudem eine beeindruckende Rally hinter sich. Marktteilnehmer verdrängen allerdings, dass diese Schuldtitel häufig so volatil sind wie Hochzinsanleihen.Argentinien- und Russland-Krise und zuletzt auch Griechenland haben gezeigt, wie schnell aus vermeintlich sicheren Schuldnern Pleitekandidaten werden. Die Rohstoffhausse als Fundament des Aufschwungs ist zudem in den letzten beiden Jahren ins Stocken geraten. Die Zinsaufschläge von Schwellenländeranleihen haben sich im Schnitt von 8 % vor der Krise auf mittlerweile 3 % reduziert. Das Chance-Risiko-Profil ist also denkbar ungünstig. Das allein sollte schon Grund genug sein, um sich aus diesen Assets zurückzuziehen. Die gefälschten Statistiken Griechenlands beunruhigen uns viel weniger hinsichtlich der restlichen Länder Südeuropas als vielmehr in Bezug auf manche Schwellenländer. Denn die Datenlage einiger Emerging Markets ist kaum besser. Sinnvolle AlternativenBleiben also Unternehmensanleihen und Hochzinsanleihen? Wenn aber europäische Unternehmensanleihen im Investment-Grade-Bereich ähnliche Renditen bieten wie spanische Staatsanleihen, wird eines offensichtlich: Die Risikoparameter stimmen nicht. Denn die Insolvenz eines Unternehmens wird immer noch wahrscheinlicher sein als eine Staatspleite Spaniens. Der Vertrauensverlust in südeuropäische Staaten ist nach der Griechenland-Krise übertrieben hoch. Anleger scheinen zu vergessen, dass Staaten über Steuern durchaus immer noch Zwangsmaßnahmen der Geldbeschaffung offenstehen, die Unternehmen nicht haben. Selektiv sind Südländer, wie Spanien oder Portugal, also durchaus eine sinnvolle Alternative. Unternehmensanleihen verzeichneten seit März 2009 einen enormen Kursanstieg, dabei hat sich der Verschuldungsgrad nicht derart entscheidend verbessert. Angesichts der Ausfallwahrscheinlichkeiten und der geringen Zinsaufschläge sind Corporate Bonds in der Breite einfach zu teuer. Entscheidend sind hier Einzeltitelanalysen und nicht etwa Branchen- oder Gesamtmarktbetrachtungen. Für Zinsanstieg wappnenDie Lage für Versicherer und Pensionskassen wird mit zunehmender Dauer des Zinstiefs problematisch. Eine schnelle und deutliche Zinswende wäre notwendig, um die zugesagten Mindestverzinsungen ihrer Portfolios künftig halten zu können – wobei hier wie erwähnt bei vermeintlich sicheren Positionen Kursrückschläge drohen. Dass eine Zinswende bevorsteht, davon gehen wir aus. Anstatt in Scheinsicherheit zu verharren, kommt es für Institutionelle nun darauf an, sich für den bevorstehenden Zinsanstieg richtig zu positionieren. Aktien als Alternative oder zumindest eine gute Durationssteuerung sind empfehlenswert. Dividendenrenditen von deutlich mehr als 3 % bei einer vergleichsweise moderaten Bewertung sprechen dafür, Risiken eher im Aktienmarkt als etwa bei Hochzins- oder Schwellenländeranleihen einzugehen. Es ist als Zeichen der Stärke zu werten, dass der Aktienmarkt unter der zuletzt nervösen Stimmung der Marktteilnehmer nicht eingebrochen ist, sondern seitwärts verlief.