Recht und Kapitalmarkt

Riskante Finanzierungsbedingungen bei Übernahmen

Leveraged-Finance-Transaktionen mit niedrigem Eigenkapitaleinsatz - Ausfallrisiken und Restrukturierungsmöglichkeiten

Riskante Finanzierungsbedingungen bei Übernahmen

Von Oliver Waldburg *) Derzeit besteht sicher kein akuter Anlass, Krisenszenarien für die Wirtschaft auszurufen. Die Konjunktur ist solide, und dieser Zustand hält voraussichtlich noch eine Weile an. Unternehmen, die die erforderlichen Strukturanpassungen im Rahmen der Globalisierung beachten, scheinen in relativ sicherem Fahrwasser zu sein. Gleichwohl ist es ein fragiles Gleichgewicht, wie jüngste Erschütterungen an den Börsen zeigen. Insbesondere risikoreiche Transaktionen können von solchen Erschütterungen schnell erfasst und Restrukturierungsfälle werden. Schwache WiderstandskräfteIn diese Kategorie gehören u. a. Unternehmensübernahmen durch Private-Equity-Investoren. Diese sogenannten”Leveraged-Finance”- Transaktionen werden in erheblichem Umfang mit Fremdkapital finanziert. Da die übernommenen Unternehmen diese Schulden tragen, haben sie nach der Übernahme in der Regel nur noch eine dünne Eigenkapitaldecke. Geraten sie dann in eine Krise, sind sie wenig widerstandsfähig und werden wegen des hohen Kapitaldienstes schnell zu Sanierungsfällen. Banken bieten derzeit Finanzierungsbedingungen an, die das ohnehin riskante Geschäftsmodell der Unternehmensübernahme durch Investoren noch risikoreicher machen. Günstige Zinskonditionen allein können dies nicht mehr hinreichend kompensieren. So können die Investoren regelmäßig durchsetzen, dass das vom Investor einzusetzende Eigenkapital am unteren Ende dessen liegt, was nach den einschlägigen Modellberechnungen für eine sich selbst tragende Firmenübernahme erforderlich ist. Nur noch selten liegt der Eigenkapitaleinsatz bei Unternehmenskäufen bei mehr als 20 %. Beim Erwerb von Immobilienportfolien liegt er teilweise sogar unter 10 %. Dementsprechend lassen Banken es zu, dass eine Finanzkennzahl wie der Gesamtverschuldungsgrad zum Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) in ungeahnte Höhen von 8 zu 1 oder 9 zu 1 oder gar noch höher klettert. Die schnelle Rückzahlung des eingesetzten Kapitals an den Investor wird begünstigt. Zum einen brauchen keine regelmäßigen Tilgungen auf die Darlehen geleistet zu werden. Die überschüssige Liquidität (Excess Cash-flow) braucht auch nicht dazu verwendet zu werden, um das Eigenkapital des übernommenen Unternehmens zu stärken, sondern darf, soweit sie nicht zur vorzeitigen Tilgung der Darlehen zu verwenden ist, in der Regel an den Investor ausgeschüttet werden.Der Zinssatz ist variabel, denn er setzt sich aus dem sich regelmäßig ändernden Interbankensatz (Euribor) zzgl. einer Marge zusammen, deren Höhe häufig von der Einhaltung bestimmter Finanzkennzahlen abhängt. Während die Banken früher darauf drängten, dass der variable Interbankensatz durch entsprechende Zinsabsicherungsvereinbarungen abgedeckt ist, können Investoren heute häufig durchsetzen, dass das Zinsänderungsrisiko nur noch teilweise abgesichert werden muss. Zum Erfolg verdammtBei diesem Modell sind die gekauften Gesellschaften zum dauerhaften Erfolg verdammt. Etwaige Schwächen können allenfalls sehr kurzfristig ertragen werden. Eine Absatzkrise infolge einer Konjunkturabkühlung ist aufgrund der fehlenden Eigenkapitaldecke dagegen wohl nicht unbeschadet zu überstehen. Der anhaltende hohe Kapitaldienst führt relativ schnell zur Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens.In jüngster Zeit hat eine grundlegende Modifikation der Finanzierungsbedingungen stattgefunden, die sich nicht nur auf die vorbezeichneten Beispiele beschränkt. In der Tendenz führt sie dazu, dass Banken erst bei einer nachhaltigen Krise mit einer Drohung, die Kredite zu kündigen, eingreifen können. Die Chancen einer erfolgreichen Sanierung werden dadurch verringert.Die besondere Schwierigkeit der Restrukturierung einer Leveraged- Finance-Transaktion ist darin begründet, dass der Unternehmenserwerb auf einer Vielzahl unterschiedlicher Finanzierungsquellen ruht. Neben einem erstrangig besicherten Seniordarlehen gibt es regelmäßig noch weitere nachrangig besicherte Darlehen, die als Second Lien oder Mezzanine-Darlehen bezeichnet werden. Daneben gibt es bisweilen als weiteres nachrangiges Finanzierungselement auch noch Schuldverschreibungen, die, da hochverzinslich, High-Yield-Bonds heißen. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Finanzierungsquellen und der Komplexität der Dokumentation gestalten sich Restrukturierungsverhandlungen meist sehr langwierig. Die besondere Kunst und Schwierigkeit besteht darin, die unterschiedlichen Finanzierungsparteien in der Krise unter einen Hut zu bekommen und dafür zu sorgen, dass keine von ihnen abspringt. Denn nur so wird sichergestellt, dass das Unternehmen weiterhin mit ausreichender Liquidität versorgt ist, was eine unerlässliche Bedingung für die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs darstellt. In dieser Situation versuchen die Banken häufig, den Investor zu einem Finanzierungsbeitrag zu bewegen, nämlich Eigenkapital nachzuschießen. Der Investor kann sich dem aber in der Regel mit dem Hinweis verweigern, dass er nicht zu solchen Nachschüssen verpflichtet ist, da ein Rückgriff auf ihn vertraglich ausgeschlossen wurde. Stellschrauben Deshalb wird der Investor zu weiteren Beiträgen nur bereit sein, wenn auch die Banken Sanierungsbeiträge leisten. Aber selbst wenn der Investor gewillt ist, weiteres Eigenkapital einzuschießen, ist ihm dies u. U. verwehrt bzw. wird eine Vertragsänderung erforderlich: Die Vertragsdokumentation sieht häufig Beschränkungen für solche Nachschüsse vor, denn es soll vermieden werden, dass der Investor die Ertrags- und Leistungsfähigkeit des Unternehmens durch solche nachträglichen Zahlungen verfälschen kann. Häufig führen die Verhandlungen über die Fortführung des Kreditengagements zu dem Ergebnis, dass an einer Vielzahl von Stellschrauben gedreht wird und neben dem Investor auch die Finanzierungsparteien Sanierungsbeiträge erbringen. Zu nennen sind hier Sanierungskredite, die Stundung von Zinszahlungen, die Herabsenkung des Zinses, die Änderung von Finanzkennzahlen. Dabei ist die Zurverfügungstellung von frischen Krediten durch die Seniorbanken nur eingeschränkt ohne Zustimmung der nachrangigen Finanzierungsparteien möglich. Denn die neuen Kredite der Seniorbanken sollen natürlich auch vorrangig besichert werden und verschlechtern insoweit die Position der nachrangigen Finanzierungsparteien.Auch bei anderen Maßnahmen wie einer Änderung der Konzernstruktur, dem Verkauf von Beteiligungen oder anderen Vermögensgegenständen, Kapitalmaßnahmen, der Verlegung des Unternehmenssitzes ins Ausland müssen regelmäßig alle Finanzierungsparteien zustimmen. Zumindest müssen bestimmte Quoren bei den verschiedenen Finanzierungsparteien erreicht werden. SorgfaltspflichtenBei allen Restrukturierungsbemühungen ist zu berücksichtigen, dass die Geschäftsführer bzw. Vorstände auf die Einhaltung ihrer Sorgfalts- und Obhutspflichten gegenüber der Gesellschaft und den Gläubigern achten müssen. Dazu gehört insbesondere die Verpflichtung, spätestens innerhalb von drei Wochen Insolvenz anzumelden, wenn ein Insolvenzgrund (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) vorliegen sollte. Dieses Risiko kann häufig als Katalysator für schleppende Restrukturierungsverhandlungen wirken. Denn in der Insolvenz stellen sich zumeist alle schlechter.Die skizzierten Probleme könnten schon bald für eine Reihe von Leveraged-Finance-Transaktionen akut werden, wenn die Zinsen weiter steigen oder die Konjunktur abflaut. Das Geschäftsmodell der dünnen Eigenkapitaldecke wird dann schnell und nachhaltig in Frage gestellt werden. Je früher man die Krise erkennt und eingreift, umso größer sind die Chancen einer erfolgreichen Sanierung.*) Dr. Oliver Waldburg, Partner im Frankfurter Büro von Allen & Overy.