Recht und Kapitalmarkt

Rolle rückwärts bei der Zwischengewinnbesteuerung

Belastung der Stückzinsen bei Investmentanteilen seit 1. Januar wieder eingeführt - Bestimmte Fondskonstruktionen jetzt unattraktiv

Rolle rückwärts bei der Zwischengewinnbesteuerung

Von Ralf Lindauer *)Mit dem 1. Januar 2005 ist die Zwischengewinnbesteuerung wieder eingeführt worden. Deren Abschaffung hatte damit gerade mal ein Jahr Bestand. Beim Zwischengewinn handelt es sich im Wesentlichen um Zinserträge, die entweder vom Fonds unterjährig vereinnahmt wurden oder auf die ein Anspruch besteht, dem Anleger aber noch nicht als zugeflossen gelten. Der Zwischengewinn kann deshalb auch als “Stückzins” bei Investmentanteilen bezeichnet werden. Der Zwischengewinn verhinderte seit 1994, dass ein Anteilsinhaber, der vor Ablauf des Fondsgeschäftsjahres seinen Anteil zurückgab, die im Anteilspreis enthaltenen Erträge steuerfrei realisieren konnte. Aufgrund des für die Investmentfondsbesteuerung geltenden Transparenzprinzips, bei dem der Anleger steuerlich als quotaler Direktanleger behandelt wird, ist die Zwischengewinnbesteuerung system- und sachgerecht. Im Rahmen des Investmentmodernisierungsgesetzes wurde die Ermittlung und Besteuerung des Zwischengewinns mit Stichtag 1. 1. 2004 abgeschafft. Hierdurch ergaben sich für den Fondsanleger interessante Überlegungen für ein steueroptimales Investment. Danach gestaltete sich ein Erwerb möglichst unmittelbar nach dem Geschäftsjahresende bzw. der Ausschüttung als sehr günstig, wenn die Rückgabe der Anteilscheine unmittelbar vor dem Geschäftsjahresende bzw. der Ausschüttung erfolgte bei gleichzeitiger Haltefrist von einem Zeitjahr zur Vermeidung der Spekulationsbesteuerung. Bei dieser Vorgehensweise blieben die Zinserträge des letzten Geschäftsjahres steuerfrei. Dies funktionierte allerdings nur, wenn die Freigrenze für Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften von 512 Euro nicht überschritten wurde. Der Wegfall des Zwischengewinns führte im Übrigen dazu, dass bei unterjähriger Veräußerung der aufgelaufene Zinsertrag nicht versteuert werden muss. Im Falle der Veräußerung oder Rückgabe innerhalb eines Jahres fällt der aufgelaufene Zinsertrag unter den steuerpflichtigen Spekulationsgewinn. Abgesehen von der Spekulationspflicht bei Haltefristen bis zu einem Jahr sind unterjährig aufgelaufene Zinserträge somit steuerfrei.Im Frühjahr 2004 waren aufgrund dieses Effektes vermehrte Verkäufe von Renten- bzw. Geldmarktfonds zu beobachten. Die Anleger machten von der Gestaltung Gebrauch, Anteilscheine kurz vor Fondsgeschäftsjahresende bzw. vor Ausschüttungsbeschluss zurückzugeben bzw. zu verkaufen. ZinsenstrippingDurch den Wegfall der Zwischengewinnbesteuerung konnten Privatanleger mit Investmentfondsanteilen im Vergleich zur Direktanlage in Rentenpapieren so genanntes Zinsenstripping betreiben. Bei der Direktanlage in Schuldverschreibungen wurden Veräußerungen vor den Zinsterminen beim Privatanleger durch die “Stückzinsen” als zu versteuernder Kapitalertrag erfasst. Wurde hingegen ein Investment über einen Fondsanteil getätigt, konnte der Anleger seinen Anteil cum Ausschüttung an die Kapitalanlagegesellschaft zurückverkaufen und ihn ex Ausschüttung von der Kapitalanlagegesellschaft zurückerwerben. Der vermehrte Gebrauch dieser Gestaltungsmöglichkeit überraschte den Gesetzgeber, der noch in der Gesetzesbegründung zur Abschaffung des Zwischengewinns ausführte, dass mit einem Ausschüttungsstripping wegen des bei Kauf respektive Rückerwerb von Investmentanteilen zu zahlenden Ausgabeaufschlages nicht zu rechnen sei. Diese Auffassung ist grundsätzlich richtig, verkennt allerdings die Tatsache, dass bereits viele Investmentfonds ohne Ausgabeaufschlag bzw. Rücknahmeabschlag ausgegeben werden. In Praxi bleibt es in vielen Fällen den Vertriebspartnern freigestellt, ob sie diese Instrumente einsetzen.Das Zinsenstripping mit Investmentfondsanteilen führte auf Fondsebene dazu, dass entsprechende Liquidität vorrätig sein musste, die zulasten der Performance ging. Die Fondsbranche reagierte auf diese starken Mittelbewegungen mit der Auflage von Rentenfonds bzw. Geldmarktfonds, die mehrmals im Jahr Zinserträge ausschütten. Bei thesaurierenden Geldmarkt- und Rentenfonds bereitet der Effekt nach wie vor die beschriebenen Probleme. Der Zickzackkurs der Bundesregierung dürfte diese Produkte ab 1. 1. 2005 für ausschüttende und thesaurierende Geldmarkt- bzw. Rentenfonds uninteressant für Anleger werden lassen.Bereits Ende Mai 2004 prophezeite der BFH-Richter a. D. Prof. Groh in der Literatur aufgrund der Steuerausfälle aus dem Zinsenstripping die Rückkehr der Zwischengewinnbesteuerung. Die Wiedereinführung der Zwischengewinnbesteuerung wird unabhängig von der sachlichen Rechtfertigung nichtsdestotrotz als Nachteil für den Kapitalmarktstandort Deutschland interpretiert. Gerade ausländische Initiatoren von Fonds beobachten die Kapriolen des Steuergesetzgebers kritisch und reagieren eher abwartend mit Aktivitäten auf dem deutschen Markt, weil die gebotene Rechtssicherheit nur suboptimal vorhanden ist.Nicht nur haushaltspolitische Gründe sprechen für die Wiedereinführung der Zwischengewinnbesteuerung bei Privatanlegern. Auch die Tatsache, dass Anleger unterjährig vor dem Ausschüttungstermin Anteile an Rentenfonds erwerben und den dabei akkumulierten Zwischengewinn nicht mehr als Werbungskosten in ihrer Einkommensteuererklärung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machen können, dürfte als Grund für die Wiedereinführung des Zwischengewinns sprechen. Der unterjährig eingestiegene Investor versteuert dadurch die komplette Ausschüttung und wird deshalb im Laufe eines Fondsgeschäftsjahres immer weniger bereit sein, in einen Renten- bzw. Geldmarktfonds zu investieren.Ab dem 1. 1. 2005 wird der gerade vor einem Jahr abgeschaffte Zwischengewinn nun wieder berechnet und börsentäglich veröffentlicht werden. Hintergrund für diese “Rolle rückwärts” des Gesetzgebers ist die derzeit nicht absehbare Regelung zur Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Kapitalanlagen. Die Vorschrift nimmt die alten Regelungen des KAGG und Auslandsinvestmentgesetzes auf. Gewinne aus Termingeschäften sollen jedoch nicht mehr in die Berechnung des Zwischengewinns mit einbezogen werden, weil sie beim Privatanleger nicht mehr steuerpflichtig sind. Weitergehend als nach den bisherigen Vorschriften des KAGG und Auslandsinvestmentgesetzes werden zukünftig nicht nur die veröffentlichten Zwischengewinne von Zielfonds beim Zwischengewinn des Dachfonds berücksichtigt, sondern auch der neu vorgesehene “Ersatzwert”. Dies wurde eingeführt, weil insbesondere ausländische Hedgefonds nicht bereit sein werden, neben den Nachweisobliegenheiten die Zwischengewinndaten zu veröffentlichen und somit eine Pauschalierung des Zwischengewinns in Kauf zu nehmen.Ermittelt die Fondsgesellschaft nicht den tatsächlichen Zwischengewinn, sondern den “Ersatzwert”, so ergibt sich als Rechtsfolge der Pflichtverletzung eine punktuelle Pauschalierung in Höhe von 6 % des Entgelts für die Rückgabe oder Veräußerung des Investmentanteils. Im Vergleich zu den Vorgängervorschriften zu den “schwarzen Fonds” des Auslandsinvestmentgesetzes mit Strafbesteuerung in Höhe von 20 % fällt die Pauschalierung nach dem neuen Recht mit 20 % des Entgelts milder aus. Wobei eine Substanzbesteuerung insbesondere bei Aktienfonds auch nach den neuen Vorschriften bewusst nicht verhindert wird.Auch bei ausländischen Sondervermögen sind ab 1. 1. 2005 neben dem Rücknahmepreis bzw. bei Mischfonds noch zusätzlich der Aktiengewinn auch der bewertungstägliche Zwischengewinn zu veröffentlichen, damit die inländischen Anleger keine steuerlichen Nachteile hinnehmen müssen. Höherer AufwandDer Wiedereinführung des Zwischengewinns war von der Beratungspraxis befürchtet worden, so dass häufig gegenüber den Kapitalanlagegesellschaften die Empfehlung ausgesprochen wurde, die Zwischengewinnermittlung im Hintergrund noch mitlaufen zu lassen. Aufgrund der Abweichungen zum bisherigen Zwischengewinn kommt nichtsdestotrotz auch bei diesen Gesellschaften ein erhöhter administrativer Aufwand hinzu. *) Ralf Lindauer ist Leiter Investmentbesteuerung der WTS Steuerberatungsgesellschaft Aktiengesellschaft, München.