RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MAXIMILIAN DEGENHART

Rückenwind für den grauen Kapitalmarkt

Förderung von digitalen Finanzierungen durch Deregulierung

Rückenwind für den grauen Kapitalmarkt

Herr Dr. Degenhart, am 21. Juli treten die EU-Prospektverordnung und damit einhergehende nationale Gesetzesänderungen in Kraft. Was steht bevor?Der Gesetzgeber dereguliert und belebt damit den grauen Kapitalmarkt! Die maßgeblichen Neuerungen betreffen die Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmen im Wege des Crowdfunding Vermögensanlagen emittieren kann. Nun können kapitalsuchende Unternehmen neben Nachrangdarlehen zusätzlich Genussrechte mit deutlich höherem Volumen emittieren – und dies, ohne einen teuren und aufwendigen Prospekt erstellen zu müssen. Was heißt das im Einzelnen?Für die Unternehmen bedeutet dies in erster Linie, dass ihre prospektfreien Emissionen nun ein Volumen von bis zu 6 Mill. Euro umfassen können. Dies stellt im Vergleich zum bisherigen Schwellenwert von 2,5 Mill. Euro eine massive Anhebung dar. Dieser Schwellenwert gilt nur für Emissionen innerhalb eines Jahres. Innerhalb von dreizehn Monaten kann also ein Unternehmen schon bis zu 12 Mill. Euro prospektfrei emittieren. Wir sprechen also von durchaus größeren Tickets. Über verbundene Unternehmen lassen sich diese Freigrenzen nochmals multiplizieren. Unternehmen können nun auch andere Kapitalanlagen prospektfrei emittieren?Neben Nachrangdarlehen und partiarischen Darlehen können die Emittenten in Zukunft auch Genussrechte prospektfrei anbieten. Genussrechte haben den Vorteil, dass sie individuell ausgestaltet und einfach übertragen werden können. Sie gewähren damit sowohl dem Emittenten als auch den Anlegern mehr Flexibilität. Dies dürfte die Attraktivität dieser Finanzierungsform weiter erhöhen. Was sind die Folgen für den Vertrieb der Vermögensanlagen?Größtenteils bleibt alles beim Alten: Weiterhin müssen die Vermögensanlagen über den Weg des Crowdfunding vertrieben werden. Die Crowdfunding-Plattform prüft unter anderem, ob die Anleger auch die jeweils für sie geltenden Anlagehöchstgrenzen einhalten. Diese Grenzen werden jetzt aber erweitert. Die Folge: Einzelne Anleger können nun im Einzelfall statt bisher 10 000 Euro bis zu 25 000 Euro investieren. Was ist mit dem Anlegerschutz?Ein schwieriges Thema. Der Gesetzgeber sah die Gefahr, dass im Bereich des Crowdfunding Emittent und Online-Plattform zusammenwirken – zulasten der Anleger. Deshalb greift zum Schutz der Anleger die Befreiung von der Prospektpflicht dann nicht ein, wenn zwischen Emittent und Online-Plattform eine Interessenverflechtung besteht. Diese Befürchtung ist jedoch aus meiner Praxissicht heraus nur eines: fernliegend. Wie ist es sonst um den Anlegerschutz bestellt?Ich kann die kapitalsuchenden Unternehmen beruhigen: Übertriebene und praxisferne Anlegerschutzbestimmungen blockieren die kapitalsuchenden Unternehmen nun nicht mehr, sofern sich die Emission im Rahmen der neuen Freigrenzen bewegt. Dem Anlegerschutz wird durch ein knappes und standardisiertes Informationsschreiben Genüge getan. Damit ist sowohl den Anlegern wie auch den Unternehmen gedient. Wie sehen Sie die Änderungen?Nachdem der Gesetzgeber den Marktteilnehmern über Jahre hinweg immer mehr Verhaltens- und Dokumentationspflichten aufgebürdet hat, wird nun wieder dereguliert. Das ist auch gut so. Die Unternehmen können sich flexibler finanzieren – und dies ohne unverhältnismäßige Kosten. Auch Start-ups können dies für sich nutzen. Manch Unternehmer/in wird sich denken: Lieber bis zu 6 Mill. Euro von einer Vielzahl von Privatanlegern einsammeln als professionelle Investoren an Bord zu holen, die auf Mitsprache pochen. Ein weiterer zu begrüßender Aspekt: Der Online-Vertrieb von Kapitalanlagen wird weiter zunehmen. Und der Anleger? Der profitiert von zusätzlichen Anlageoptionen. Unter Draghi und Lagarde statt Weidmann oder gar Pöhl werden Anleger diese Optionen auch immer mehr nachfragen. Dr. Maximilian Degenhart ist Partner von Beiten Burkhardt. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.