RECHT UND KAPITALMARKT

Rückenwind für MAC-Klauseln

Urteil im Fall Fresenius gegen Akorn sorgt für Aufsehen - Bedeutungsgewinn für Rücktrittsrechte in schwierigeren Marktphasen

Rückenwind für MAC-Klauseln

Von Christian A. Krebs und Ansgar Rempp *)Fresenius hat den Kauf von Akorn, einem amerikanischen Arzneimittelkonzern, für 4,8 Mrd. Dollar rückgängig gemacht, und dies zu Recht, hat der Delaware Court of Chancery entschieden. Wie kam es dazu? Kurz nach Unterzeichnung des Kaufvertrags (Signing) gingen die Geschäftszahlen von Akorn in den Keller. Zudem wurden auch noch schwerwiegende Compliance-Verstöße entdeckt. Fresenius zog die Notbremse und berief sich dabei auf das Eingreifen einer Material-Adverse-Change-Klausel, kurz MAC-Klausel. Der Delaware Court of Chancery gab Fresenius Recht.Dieses Urteil hat einiges Aufsehen erregt, denn dies ist das erste Mal, dass ein US-Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen einer MAC-Klausel bestätigt hat. In Deutschland sind Gerichtsentscheidungen zu MAC-Klauseln mit der Lupe zu suchen. Grund genug, Verbreitung und Funktionsweise von MAC-Klauseln näher zu beleuchten.Ein Unternehmenskauf ist ein langwieriger Prozess. Nach umfangreichen Unternehmensbewertungen und Verhandlungen wird der Kaufpreis bzw. dessen Berechnungsformel zum Signing festgelegt. Damit ist der Kauf häufig noch nicht abgeschlossen. Es steht noch der Vollzug (Closing) der Transaktion aus. Der Zeitraum zwischen Signing und Closing kann sich bei großen Transaktionen in die Länge ziehen. Zeiträume von mehreren Monaten, teilweise sogar über zwölf Monate (z. B. Linde/Praxair), sind keine Seltenheit, wenn für komplexe Sachverhalte kartellrechtliche oder sonstige behördliche Genehmigungen zum Vollzug der Transaktion einzuholen sind, bei grenzüberschreitenden Transaktionen z. B. außenwirtschaftsrechtliche Freigaben, bei US-Bezug (CFIUS-Prüfung).Doch was passiert, wenn das Geschäft der Zielgesellschaft in diesem Zeitraum zusammenbricht? Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, so ist etwa an den Wegfall wichtiger Kunden, einen Konjunktureinbruch oder aufgedeckte, schwerwiegende Compliance-Verstöße zu denken. Auch der Brexit und die Einführung von US-Zöllen können sich entsprechend auswirken. Verschiedene GestaltungenFür solche Fälle können die Parteien MAC-Klauseln vereinbaren, die dem Käufer ein Rücktrittsrecht geben, wenn sich Umstände nach Signing schwerwiegend nachteilig geändert haben. Dabei kann die MAC-Klausel auf Veränderungen aus der Sphäre der Zielgesellschaft (Business MAC) oder allgemeine Marktbedingungen abheben (Market MAC). Im Detail gibt es hier viele Unterschiede. Während Käufer eine möglichst weite und unbestimmte Formulierung bevorzugen, um alle denkbaren Fälle zu erfassen, drängen Verkäufer, so sie die Klausel überhaupt akzeptieren, auf eine enge Formulierung, die auf möglichst objektive Kriterien abstellt. Möglich ist auch eine Klausel, die das Finanzierungsrisiko des Erwerbers abdeckt (Finance MAC).Bei fremdfinanzierten Transaktionen war traditionell üblich, dass die finanzierenden Banken ihre Finanzierung unter einen MAC-Vorbehalt stellen. Der Erwerber versuchte in diesem Fall, dieses MAC-Risiko durch Verhandlung einer möglichst deckungsgleichen Klausel in den Kaufvertrag auf den Verkäufer zu verlagern. Im momentan starken Verkäufermarkt für M&A-Transaktionen sind solche Klauseln allerdings selten geworden.Die Nutzung von MAC-Klauseln entstammt dem angloamerikanischen Rechtsraum und ist dort auch heute noch deutlich weiter verbreitet als in Deutschland. Gemäß aktuellen Marktstudien wird in den USA in 92 % aller Transaktionen mit nicht-börsennotierten Zielgesellschaften eine MAC-Klausel vereinbart, in den DACH-Ländern demgegenüber nur in 12 %. In deutschen Transaktionen können die Verkäufer ihr Interesse an Transaktionssicherheit häufig besser durchsetzen und stehen generellen MAC-Klauseln stark ablehnend gegenüber. Mittlerweile sind eher spezifische MAC-Klauseln anzutreffen, die konkret definierte Risiken erfassen, etwa ein schwerwiegender Verstoß gegen Kartellrecht oder Compliance-Vorschriften, oder die spezifische quantitative Kriterien (z. B. Schwellenwerte in Bezug auf Ebitda) festlegen. Wird eine weite Formulierung gewählt, so werden vom Verkäufer Ausnahmen (Carve-outs) gefordert werden, die nicht von der Klausel erfasst werden sollen (etwa Veränderungen, die die gesamte Branche des Zielunternehmens betreffen). Hiervon können dann wiederum Rückausnahmen im Sinne des Käufers gemacht werden (etwa betreffend Veränderungen, die die Zielgesellschaft stärker betreffen als andere Unternehmen derselben Branche). Typisierend lässt sich sagen, dass MAC-Klauseln oft dem Verkäufer die geschäftsspezifischen Risiken zuweisen, wogegen der Käufer systemische und allgemeine Branchenrisiken trägt. Letztlich kommt es jedoch auf die genaue Risikozuweisung im konkreten Fall an.Sieht man von der Sonderpraxis bei öffentlichen Übernahmen ab, bei denen ein unabhängiger Gutachter über das Vorliegen eines MAC entscheidet, bleibt es letztendlich Aufgabe eines (Schieds-)Richters, festzustellen, ob ein MAC vorgelegen hat. So auch im Falle von Fresenius/Akorn. Hier waren verschiedene Geschäftskennzahlen von Akorn drei Quartale in Folge massiv eingebrochen, so dass das Ebitda ein Jahr nach Signing um 86 % geringer als im Vorjahr ausfiel. Dies wurde als wesentliche und vor allem nachhaltige Verschlechterung der Verhältnisse bewertet.Im Einklang mit einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 2001 (IBP vs. Tyson Foods) betonte das Gericht, dass ein lediglich kurzfristiger Einbruch der Geschäftsergebnisse nicht ausreichend gewesen wäre, sondern dass langfristige negative Auswirkungen erforderlich sind. Diese lagen hier vor. Insofern war dieser Sachverhalt ein krasser Ausnahmefall, und in diesem Kontext muss auch die Entscheidung gesehen werden. Es ist aber nicht zu erwarten, dass der strenge Maßstab, den Gerichte an das Vorliegen eines MAC anlegen, in Zukunft gelockert würde. Vielmehr stellte der Sachverhalt um Akorn den “perfekten Sturm” dar, bei dem es sich aufdrängte, dass die strengen Anforderungen einer MAC-Klausel (ausnahmsweise) erfüllt waren.In der Transaktionspraxis nutzen Käufer eine MAC-Klausel nur selten, um eine gerichtliche Rückgängigmachung des Unternehmenskaufs zu verlangen. Stattdessen versuchen sie, zumeist hinter verschlossenen Türen, den Kaufpreis aufgrund der nachteiligen Veränderung nachzuverhandeln. Eine fast immer auslegungsbedürftige MAC-Klausel und die kaum vorhandene Rechtsprechung geben dem Käufer ein beachtliches Druckmittel an die Hand. Da sowohl Käufer als auch Verkäufer eine öffentlich ausgetragene Schlacht um die Wirksamkeit des Unternehmenskaufs regelmäßig als geschäfts- und rufschädigenden Worst Case ansehen, kommt nicht selten eine außergerichtliche Einigung über die Minderung des Kaufpreises zustande. Da die gerichtliche Klärung eines MAC zu lange dauern würde, vereinbaren die Parteien immer häufiger Ad-hoc-Schiedsverfahren, um eine rechtsverbindliche Klärung möglichst vor dem geplanten Vollzugstermin zu ermöglichen. Ein solches Schnellverfahren hat aber auch Nachteile, nämlich eine erhöhte Fehlergeneigtheit, die dann unter Umständen auch nicht mehr korrigierbar ist. Zudem verringert die Möglichkeit des Schnellverfahrens den Anreiz für die Parteien, eine gütliche Lösung zu finden. Bei Volatilität gefragtObwohl MAC-Klauseln im momentanen Verkäufermarkt eher selten sind, ist damit zu rechnen, dass sie in Zukunft wieder häufiger durchgesetzt werden können. Die politische Unsicherheit und die Volatilität an den Finanzmärkten nehmen gerade wieder zu. Zudem wird immer häufiger in Frage gestellt, wie lange die langjährige Hausse in Deutschland noch weiterlaufen kann.Gerade in (erwarteten) Krisenzeiten gewinnen MAC-Klauseln an Relevanz. Insofern kann die Entscheidung über Formulierung und Verhandlung einer MAC-Klausel beim Unternehmenskauf auch Teil der Geschäftsleiterpflichten von Käufer-, aber auch Verkäuferunternehmen sein. Bei wesentlichen Transaktionen sollten sich Geschäftsleiter also im Rahmen der Business Judgement Rule sorgfältig mit dem Themenkomplex MAC-Klausel auseinandersetzen.—-*) Christian A. Krebs ist Partner im Frankfurter Büro von Jones Day, Ansgar Rempp ist Partner-in-Charge der Kanzlei in Deutschland.