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Russland auf dem Weg zum langfristigen Anlageziel

Börsen-Zeitung, 19.8.2011 In den vergangenen Jahren hat sich Russland zu einem kurzfristigen Anlageziel entwickelt. Das mag angesichts eines Wirtschaftswachstums, das im Vergleich zu anderen Schwellenländern in den vergangenen drei Jahren eher...

Russland auf dem Weg zum langfristigen Anlageziel

In den vergangenen Jahren hat sich Russland zu einem kurzfristigen Anlageziel entwickelt. Das mag angesichts eines Wirtschaftswachstums, das im Vergleich zu anderen Schwellenländern in den vergangenen drei Jahren eher schleppend verlief, nicht überraschen. Zudem wird vom russischen Aktienmarkt angenommen, dass er stark mit dem Erdölpreis korreliert. Wie im ersten Quartal dieses Jahres zu beobachten war, führt ein schwankender Ölpreis zu kurzfristigen Zu- und Abflüssen bei börsengehandelten Indexfonds (Exchange Traded Funds, ETF) und erhöht dadurch die Volatilität der größeren im Index enthaltenen Werte. Unterdessen geraten kleinere, aber oftmals besser aufgestellte Unternehmen ins Hintertreffen. Darüber hinaus schädigt die Wahrnehmung, dass russische Unternehmen gerade mal die elementarsten Anforderungen hinsichtlich der Corporate Governance erfüllen, Russlands Bild als attraktives Anlageziel. Verbessertes BIPNach unserer Einschätzung wandelt sich die Sicht auf Russland jedoch zum Positiven. Dafür spricht auch die Verbesserung des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Nach einer Zuwachsrate von nur 3,9 % im ersten Halbjahr dürfte das russische BIP nach unserer Meinung auf das Jahr gesehen auf 5,0 % steigen und im kommenden Jahr sogar auf 5,5 % (u. a. infolge einer deutlichen Zunahme der Einzelhandelsumsätze). Zu Beginn des laufenden Jahres wurden die Steigerungen der Einzelhandelsumsätze noch durch Inflation wettgemacht.Der Hauptgrund dieser inflationären Entwicklung, die im Mai ihren Höhepunkt erreichte, war die schlechte Ernte vom August 2010. Die Basiseffekte werden sich voraussichtlich noch in diesem August bemerkbar machen, daher rechnen wir mit einem deutlichen Rückgang der Inflation. Ferner legt die Industrieproduktion zu, und mit 6,1 % ist die Arbeitslosenquote auf ihrem historischen Tiefstand. Im Vorfeld der Parlamentswahlen wird es wahrscheinlich zu einem Anstieg der Staatsausgaben kommen, was voraussichtlich zu einem Zuwachs des BIP um 4 % in den nächsten zwölf Monaten führt. Möglich wird dies durch die Pufferfunktion des hohen Ölpreises. Schätzungen zufolge sollen die Devisenreserven bis zum Ende dieses Jahres ein Allzeithoch von 550 Mrd. Dollar erreichen. Strukturreformen umsetzenUm jedoch auch nach den Wahlen ein Wirtschaftswachstum von mindestens 5 % beizubehalten, muss die Regierung die Umsetzung der bereits von Präsident Medwedjew skizzierten Strukturreformen sicherstellen. In den vergangenen zwölf Monaten hat Medwedjew bereits Reformentwürfe vorgelegt, in deren Mittelpunkt regulatorische und rechtliche Rahmenbedingungen, der Abbau von Bürokratie und die Korruptionsbekämpfung stehen. Während diese Reformen die breite Unterstützung der herrschenden Elite genießen, wird ihre Umsetzung einen entscheidenden Schritt hinsichtlich der Verbesserung von Russlands Image als Anlageziel darstellen.Was andere Länder der Region betrifft, so hatte die Türkei nach einer Periode überragender Performance seit Beginn des Jahres einen eher schlechten Lauf. Getrieben von einer Zunahme der Kreditvergabetätigkeit um nahezu 40 % wuchs die Volkswirtschaft im zweiten Quartal zwar immer noch mit einer Rate von 9 % (in deutlichem Gegensatz zum überwiegenden Rest der Welt), doch wurde der aktuelle Anstieg des Leistungsbilanzdefizits zum Problem. Angesichts eines Hypothekenanteils von nur 4 % am BIP und einer schnell wachsenden konsumhungrigen Bevölkerung dürfte diese Schwächephase unserer Meinung nach nur vorübergehender Natur sein. Die langfristigen Wachstumsaussichten dieses Marktes sind weiterhin ausgesprochen gut. Zentraleuropa weist ein langsameres Wirtschaftswachstum auf als Russland und sogar die Türkei, aber auch hier bieten sich hervorragende defensive Anlagechancen. Deutliche UnterbewertungAls besonders erfreulich empfinden wir die große Auswahl an guten Unternehmen, in die wir mittlerweile investieren können. Während die Aktienpreise insgesamt volatil sind, haben die Ertragszahlen der vergangenen beiden Quartale die Erwartungen übertroffen: Zahlreiche exzellente Unternehmen werden deutlich unterbewertet gehandelt.Wir setzen in erster Linie auf Unternehmen, bei denen wenig Gefahr staatlicher Einflussnahme besteht und die dem globalen Konjunkturzyklus in geringerem Maße ausgesetzt sind. Unser Portfolio ist auf die Sektoren Konsumgüter sowie Transport und Infrastruktur ausgerichtet, die von der anstehenden wirtschaftlichen Erholung und den vermehrten Ausgaben im Vorfeld der Wahlen profitieren sollten.