Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Christoph F. Vaupel

"Safe-Harbour-Regelung macht Aktienrückkäufe nicht sicherer"

Zweckbestimmung in EU-Verordnung "verfehlt" - Harte Strafen drohen

"Safe-Harbour-Regelung macht Aktienrückkäufe nicht sicherer"

– Herr Vaupel, nach Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes herrscht Unsicherheit über Aktienrückkäufe. Wieso?Es wird derzeit intensiv diskutiert, unter welchen Umständen Aktienrückkäufe unter das im Wertpapierhandels-Gesetz (WpHG) neu geregelte Insiderhandels- und Kursmanipulationsverbot fallen. Nach der einschlägigen EU-Verordnung, auf die das WpHG verweist, ist das jedenfalls dann auszuschließen, wenn die Rückkäufe in Übereinstimmung mit dieser EU-Verordnung durchgeführt werden. Diese “Safe Harbour”-Regelung lässt aber nicht zwingend den Umkehrschluss zu, dass in allen anderen Fällen ein Rückkauf als Insiderhandel oder Marktmanipulation anzusehen ist. Unternehmen, die sich nicht vollständig an die Vorgaben der Richtlinie halten können oder wollen, sind verunsichert. – Wieso besteht Regelungsbedarf?Aus kapitalmarktrechtlicher Sicht kann der Rückkauf eigener Aktien bedenklich sein, weil dadurch der Eindruck gestiegener Nachfrage im Markt nach den Aktien entsteht. Zudem verändern sich die Stimmrechts- und Wertverhältnisse, da dem Emittenten keine Rechte aus eigenen Aktien zustehen. So kann ein Aktionär mit einem Stimmrechtsanteil von zum Beispiel 29 % bei einem Rückkauf über die 30 %-Schwelle rutschen – und das würde ihn grundsätzlich zur Abgabe eines Übernahmeangebots verpflichten. – Zu welchen Zwecken darf ein Unternehmen eigene Titel kaufen?Aktienrückkäufe können zu einer Reihe unterschiedlicher und zulässiger Zwecke durchgeführt werden. Besondere Bedeutung hat der Rückkauf von bis zu 10 % des Aktienkapitals aufgrund einer Genehmigung der Hauptversammlung ohne eine spezielle Zweckbindung. Nach der EU-Verordnung sind Rückkaufprogramme aber nur zulässig zum Zwecke der Kapitalherabsetzung, zur Bedienung von Schuldtiteln, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können, sowie zur Ausgabe an Mitarbeiter. Aktienrückkäufe zu anderen Zwecken fallen nicht darunter. Dabei ist übersehen worden, dass die bloße Motivation eines Käufers nicht über die Zulässigkeit seiner Order ausschlaggebend sein kann. Insofern ist die Zweckbestimmung völlig verfehlt. – Für Akquisitionen dürfen eigene Aktien demnach nicht mehr eingesetzt werden?Zurückgekaufte Aktien dürfen aktienrechtlich nur ausnahmsweise zum Beteiligungserwerb verwendet werden, insbesondere wenn der Vorstand hierzu von der HV ausdrücklich ermächtigt wurde. Liegt eine solche Ermächtigung vor, fiele ein entsprechender Verwendungszweck nicht unter die Safe-Harbour-Regelung der EU-Verordnung. Wie gesagt, aus Marktsicht kann und darf der Verwendungszweck keine Rolle bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aktienrückkaufs spielen. Mithin sollte es kapitalmarktrechtlich weiterhin zulässig sein, eigene Aktien auch zum Beteiligungserwerb zu verwenden. Davon unabhängig stellt sich die Frage, ob und inwieweit die übrigen Anforderungen der EU-Verordnung berücksichtigt werden müssen. Zwingend ist dies nicht, wohl aber mag dies empfehlenswert sein. – Hat sich bei den Publizitätspflichten etwas geändert?Nach der EU-Verordnung sind der Zweck des Programms, die maximal zu erwerbende Aktienstückzahl, der maximale Kaufpreis und der Zeitraum des Programms zu veröffentlichen. Weiterhin muss die Gesellschaft alle Transaktionen spätestens am siebten Handelstag nach deren Ausführung bekannt geben. Darüber hinaus hat der Emittent den Beschluss zur Durchführung des Aktienrückerwerbs als Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen; Letzteres galt allerdings auch schon nach alter Rechtslage. – Welche Preisbeschränkungen sind zu berücksichtigen?Der Preis darf nicht höher sein als der des letzten unabhängigen Abschlusses oder Angebots. Dies weicht von den aktienrechtlichen Vorgaben ab, wonach eine Abweichung bis zu 10 % des Börsenkurses nach unten und oben für zulässig erachtet wird. Weiterhin darf die Gesellschaft an einem Tag nicht mehr Aktien erwerben als 25% des durchschnittlichen täglichen Umsatzes. Dieser Wert kann bei Aktien mit besonders niedriger Liquidität unter Umständen auf 50 % erhöht werden. – Mit welchen Sanktionen haben Vorstände und Unternehmen in der Praxis zu rechnen?Vorsätzliche Verstöße gegen das Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbot können mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Daneben kommen Ordnungswidrigkeitenverstöße in Betracht. Daher sollten diese Regelungen keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden. *) Christoph F. Vaupel ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro von Linklaters Oppenhoff & Rädler. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.