Sanierungen können an der Gewerbesteuer scheitern
– Herr Gondert, in der Krise beklagen sich viele Firmen über die mangelnde Rechtssicherheit hinsichtlich der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen. Wo liegt das Problem?Gerät ein Unternehmen in eine existenzbedrohende Krise und wird seine Fortführung von Banken, Gesellschaftern und Management bejaht, einigt man sich zunehmend auf ein Sanierungskonzept außerhalb der Insolvenz, verbunden mit einem schmerzhaften Forderungsverzicht. Der hieraus resultierende Sanierungsgewinn ist steuerpflichtig. Selbst wenn das Unternehmen über hohe Verlustvorträge verfügt, können diese wegen der sogenannten Mindestgewinnbesteuerung nur eingeschränkt mit bestehenden Verlustvorträgen verrechnet werden. Aufgrund des sogenannten Sanierungserlasses von 2003 besteht durchweg die Bereitschaft der Finanzämter, dem Anfall von Steuern auf Sanierungsgewinne durch einen Billigkeitserlass Rechnung zu tragen.- Ein spezieller Knackpunkt ist die Befreiung von der Gewerbesteuer, die vom Sanierungserlass nicht erfasst ist. Wie stark bremst diese Einschränkung?Für die Festsetzung der Steuermessbeträge bei der Gewerbesteuer sind die Betriebsfinanzämter zuständig. Andererseits steht den Gemeinden das verfassungsrechtlich gewährleistete Heberecht zu. Dieser Konflikt wirkt sich auf die Frage der Zuständigkeit für den Erlass von Gewerbesteuern aus. Die Gewerbesteuerrichtlinien regeln, dass die Finanzämter nur dann auch ohne Mitwirkung der hebeberechtigten Gemeinden berechtigt sind, bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages Billigkeitsmaßnahmen zu gewähren, wenn in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift Richtlinien aufgestellt worden sind.- Das heißt?Das Bayerische Landesamt für Steuern meint in einer Verfügung vom 8. August 2006, dass jede Gemeinde für Zwecke der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuern in eigener Zuständigkeit zu prüfen habe, ob ein erlassfähiger Sanierungsgewinn vorliegt. Damit ist es den Finanzämtern im Regelfall untersagt, einen Billigkeitserlass auszusprechen, der auch die Gewerbesteuer umfasst.- Welche Erfahrungen gibt es mit den Gemeinden und Finanzämtern in dieser Frage?Ein Beispiel: Bei einem großen Dienstleister mit mehreren Tausend Beschäftigten haben sich Banken, Gesellschafter und Unternehmen auf einen Forderungsverzicht in Millionenhöhe geeinigt. Die hierauf entfallende Steuer beträgt ca. 30 % des Forderungsverzichts, wobei in etwa die Hälfte auf Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer entfällt. Mit der Finanzverwaltung konnte schnell Einigkeit erzielt werden, dass die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass gegeben sind.- Und die Gewerbesteuer?Das gilt nicht für die Gewerbesteuer. Das Unternehmen hat nahezu 100 Betriebsstätten, die über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind. Folgt man der bayerischen Verfügung, ist bei allen Gemeinden ein Billigkeitsantrag zu stellen. Das ist extrem langwierig und komplex und treibt Unternehmen in der Krise in die Insolvenz, was den Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet.- Welche Maßnahmen können Unternehmen in der Restrukturierung treffen, um weitestgehend Sicherheit in der Besteuerung zu erlangen?Forderungsverzichte der Banken und weiterer Gläubiger werden häufig nur dann gewährt, wenn die Finanzämter und Kommunen auf die anfallenden Steuern im Rahmen der Billigkeit verzichten. Es ist den betroffenen Unternehmen zu empfehlen, parallel zu den eigentlichen Sanierungsverhandlungen mit Banken und Gläubigern frühzeitig Anträge auf verbindliche Auskunft bei den zuständigen Finanzämtern und Kommunen vorzubereiten. Ist die verbindliche Auskunft erteilt, bietet sie ein Höchstmaß an steuerlicher Sicherheit.- Halten Sie eine gesetzliche Regelung für notwendig?Sanierungen können letztlich an der gewerbesteuerlichen Behandlung scheitern. Um dieses gravierende Sanierungshemmnis zu beseitigen, könnte eine dem früheren § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz entsprechende Regelung, die auch für die Gewerbesteuer maßgeblich ist, wieder in das Einkommensteuergesetz aufgenommen werden. Eine einfachere Lösung bietet § 184 Abs. 2 Abgabenordnung. Dort ist geregelt, dass die Befugnis, Realsteuermessbeträge festzusetzen, auch die Befugnis zu Billigkeitsmaßnahmen einschließt, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift Richtlinien aufgestellt worden sind. Es bietet sich daher an, die bayerische Verfügung aufzuheben und den Sanierungserlass zu ändern. In Kürze will auch der Bundesfinanzhof zu divergierenden Entscheidungen der Finanzgerichte Köln und München entscheiden. Vielleicht kann man dann eine einheitliche Regelung für den Billigkeitserlass von Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuer finden.—-Heinz-Günter Gondert ist Partner von Clifford Chance im Büro Frankfurt am Main. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.