RECHT UND KAPITALMARKT

Sanierungserlass auf Altfälle anwendbar

Finanzverwaltung kontert erneut den Bundesfinanzhof

Sanierungserlass auf Altfälle anwendbar

Von Victor Frhr. v. d. Bussche *) Die Finanzverwaltung kontert erneut den BFH bei der Besteuerung von Sanierungsgewinnen. Mit Beschluss vom 28.11.2016 hat der Große Senat des Bundesfinanzhofes entschieden, dass der Sanierungserlass nach Art. 20 III GG gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt. Die unmittelbar daraufhin durch den Gesetzgeber eingebrachte Neuregelung in § 3a EStG sowie § 7b GewStG sollte die vom Bundesfinanzhof gerügte Kompetenzüberschreitung des Bundesfinanzministeriums auffangen und langfristig für Rechtssicherheit in der Sanierungspraxis sorgen. Eine Anwendung auf Altfälle mit einem Schulderlass bis (einschließlich) zum 8.2.2017 ist in diesen, noch immer im EU-Notifizierungsverfahren befindlichen, Entwürfen allerdings nicht geregelt. Daraufhin hat das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 27.4.2017 auf Grundlage des Vertrauensschutzes verfügt, dass der Sanierungserlass für Altfälle weiterhin anwendbar ist. Der Bundesfinanzhof kippte aber auch diese Begünstigung mit Urteilen vom 23.8.2017, was in der Sanierungspraxis zuletzt für große Unsicherheit gesorgt hat. Dem Gesetzgeber und dem Bundesfinanzministerium standen nun lediglich zwei Wege offen, diesen Zustand zu entschärfen. Entweder hätte der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung anpassen oder das Bundesfinanzministerium mit einem Nichtanwendungserlass die Urteile des Bundesfinanzhofes auf den Urteilsfall beschränken müssen. Eine gesetzgeberische Lösung wäre jedoch nachträglich in das EU-Notifizierungsverfahren einzubeziehen und demnach vor dessen Abschluss nicht wirksam. Bereits im März 2017 hatten wir daher eine Übergangsregelung des Bundesfinanzministeriums gefordert. Nun ist es so weit. Das Bundesfinanzministerium hat im Einvernehmen der obersten Finanzbehörden der Länder beschlossen, die jüngsten BFH-Urteile über die entschiedenen Einzelfälle hinaus nicht anzuwenden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Sanierungserlass auf Altfälle aus Vertrauensschutzgründen weiterhin anwendbar bleibt. Die Finanzverwaltung sieht sich an die getroffene Vertrauensschutzregelung im Umgang mit Altfällen vom 27.4.2017 durch den Willen des Gesetzgebers weiterhin gebunden. Die Finanzverwaltung meint es offenbar ernst mit ihrer Sanierungsabsicht.Berufen hat sich das Bundesfinanzministerium auf die Begründung zum Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zum Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen. Hierbei wurde ausdrücklich auf die Vertrauensschutzregelung Bezug genommen. Der Deutsche Bundestag hat sich dem Vorschlag des Bundesfinanzministeriums angeschlossen und die Verfahrensweise gebilligt. HängepartieFür Altfälle ist damit das Maß an Sicherheit zumindest auf das Niveau vor Kippen des Sanierungserlasses zurückgekehrt. So sind die für die Erhebung der Gewerbesteuer zuständigen Gemeinden nach wie vor nicht an den Sanierungserlass gebunden. Im Gegenteil, die BFH-Urteile vom 23.8.2017 dürften sie dazu ermutigen, die entstandene Steuer auch tatsächlich zu erheben. Nichtsdestotrotz, insbesondere für kriselnde Unternehmen, die bis zum 8.2.2017 noch keine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung erreichen konnten, oder solche Unternehmen, die zwar eine verbindliche Auskunft bekamen, jedoch den Verzicht noch nicht umgesetzt hatten, hat sich die Situation nun erheblich verbessert. Für Neufälle, also Schulderlasse ab dem 9.2.2017, geht die Hängepartie jedoch weiter. Hier kommt es darauf an, ob die im § 3a EStG und § 7b GewStG geregelte Steuerbefreiung im Einklang mit dem EU-Beihilferecht steht. In einer aktuellen Mitteilung der Bundesregierung (9.3.2018) hat sich der Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister auf die Frage des Bundestagsabgeordnete Christoph Meyer (FDP) zum Stand des Notifizierungsverfahrens geäußert. Danach wurde das Verfahren zu § 3a EStG zwar zeitnah bei der EU-Kommission eingeleitet. Die beihilferechtliche Überprüfung konnte durch Brüssel jedoch noch nicht abgeschlossen werden, da es noch offene Fragen zum Regelungsgehalt der Vorschrift gibt. Die von der Kommission einzuhaltende Zwei-Monats-Frist beginnt erst, wenn sie alle Informationen erhalten hat, die nach ihrer Ansicht für die Notifizierung erforderlich sind. Nach dem drohenden Handelskrieg zwischen USA und China und dem wiederbefeuerten Syrienkonflikt rücken nun Zinsspekulationen wieder in den Vordergrund. Langsam wackeln auch in Deutschland die Konjunkturprognosen, der ewige Aufschwung wird zunehmend in Frage gestellt. Die mit billigem Fremdkapital künstlich niedrig gehaltene Anzahl an Unternehmensinsolvenzen wird sich nicht mehr lange auf dem Niveau halten lassen. Selbst wenn die Notifizierung kurzfristig abgeschlossen werden sollte: Wie Brüssel über die Gesetzesentwürfe entscheiden wird, ist nach wie vor vollkommen offen. Bis dahin fährt die Sanierungspraxis mit angezogener Handbremse, dabei erhöht insbesondere das konsequente Einleiten von Sanierungsmaßnahmen die Überlebenschancen in der Krise – und sei es die rechtzeitige Insolvenzantragstellung.—-*) Victor Frhr. v. d. Bussche ist Partner von BRL Boege Rohde Luebbehuesen.