Recht und Kapitalmarkt

Schaeffler-Modell international zunehmend umstritten

Meldepflicht für Differenzgeschäfte auf dem Vormarsch - Richtungsweisende Entscheidung eines US-Bundesgerichts

Schaeffler-Modell international zunehmend umstritten

Von Hermann J. Knott *) Nach aktuellen Schätzungen beruhen ca. 30 % des gesamten Aktienhandels auf Differenzgeschäften. Die angestrebte Übernahme von Continental durch die Schaeffler-Gruppe hat die Aufmerksamkeit auf diese Finanzinstrumente gelenkt. Militärstrategen wissen: Direkte Konfrontation führt zu Gefechten, der Überraschungsangriff aber zum Sieg. Die Überraschung war entsprechend groß, als sich die Nachricht verbreitete, die Schaeffler-Gruppe kontrolliere ca. 36 % der Stimmrechte von Continental, ohne dass es vorher eine Stimmrechtsmitteilung gegeben hatte. Neue SchwellenwerteWas war passiert? Schaeffler hatte Continental-Aktien in Höhe von 2,97 % des Kapitals erworben, also unterhalb der meldepflichtigen Schwelle von 3 %. Außerdem sicherte man sich Optionen zum Erwerb von Aktien über weitere 4,95 %. Solche Optionen müssen erst ab 5 % gemeldet werden. Bis zum Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes – dazu fehlt nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten – werden die beiden Beteiligungsschwellen nicht zusammengerechnet. Auf diese Weise konnte Schaeffler sich Zugriff auf 8 % der Conti-Aktien verschaffen. Nach der gesetzlichen Neuregelung wird der Direkterwerb von Aktien im Rahmen der 5 %-Schwelle für Optionen mit berücksichtigt, so dass der Erwerb von Aktien und Optionen nur noch bis zu insgesamt 5 % des Aktienkapitals meldefrei ist.Zusätzlich hatte Schaeffler wohl mit mehreren Banken Swap-Geschäfte auf Aktienpakete von jeweils unter 3 % abgeschlossen. Das Gesamtvolumen dieser Transaktionen bezieht sich angeblich auf insgesamt 28 % des Kapitals von Continental. Bei diesen sog. “cash-settled equity swaps” verpflichtet sich die Bank, am Ende der Laufzeit der anderen Partei die Differenz zu zahlen, die sich aus Kurssteigerungen der Aktie gegenüber dem “Einstandskurs” ergibt. Umgekehrt ist Schaeffler zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet, falls der Aktienkurs von Continental unter den Einstandskurs sinken sollte. Schaeffler hat dadurch im weiteren Übernahmeprozess für den Erwerb von noch bis zu 28 % Continental-Aktien die Kurssteigerung abgesichert. Die Bank sichert sich zur Deckung ihres eigenen Risikos durch den Kauf entsprechender Aktien ab. Kommt es dann zur Übernahme, werden die Banken ihre Aktien dem Bieter anbieten, wenn dieser das höchste Gebot abgibt. Obwohl über 30 % der Aktien ihren Eigentümer wechseln, kommt es mangels Kenntnis im Markt von den realen Beteiligungsverhältnissen bzw. den Übernahmeabsichten zu keiner signifikanten Kurssteigerung. Dieses Prozedere ähnelt dem Verhalten, das Porsche bei Volkswagen angewandt hat. Der Bieter, der im ersten Schritt keine absolute Stimmenmehrheit erreichen will, wird von der großen Unsicherheit befreit, welchen Preis er für die Übernahme aufzuwenden hat. Für die Banken besteht dabei der Anreiz, starken Davids die Übernahme von schwächelnden Goliaths überhaupt erst zu ermöglichen und an solchen Transaktionen beteiligt zu sein. Die heftig diskutierte Frage ist nun, ob in Bezug auf die Aktien, die Grundlage der Swap-Geschäfte sind, Einflussmöglichkeiten bestehen, die eine Mitteilungspflicht auslösen. Gründe könnten darin gesehen werden, dass die Position mit derjenigen eines Optionsberechtigten vergleichbar ist. Eine Mitteilungspflicht könnte aber auch durch ein abgestimmtes Verhalten ausgelöst werden. Bei Verletzung von Mitteilungspflichten ruhen während der Dauer des Verstoßes die Rechte aus den Aktien. Gegebenenfalls muss schon früher ein Pflichtangebot anstelle eines geplanten freiwilligen Angebots abgegeben werden. Nach einer kürzlich ergangenen, international viel beachteten Entscheidung eines New Yorker Bundesgerichts gewähren solche Finanzinstrumente mitteilungspflichtige Einflussmöglichkeiten. Man trifft hier auf einen alten Bekannten: The Children’s Investment Fund (TCI), der ja hierzulande schon erfolgreich die Strategie und das Management der Deutsche Börse AG verändert hatte. Diesmal geht der Kampf um die Strategie und Veränderungen in der Unternehmensleitung von CSX, einem der beiden größten Schienenverkehrsbetreiber im Osten der USA, der nach Einschätzung von TCI über am Markt unterbewertete Verträge und entsprechend ineffizientes Management verfügt. CSX wollte TCI und einem weiteren Hedgefonds die Ausübung ihrer Stimmrechte auf der Hauptversammlung verbieten, da sie es unterlassen hatten, Stimmrechtsmitteilungen für die von ihnen aus Differenzgeschäften in Bezug auf die Aktien gehaltenen Rechte zu machen. Nach umfangreicher Analyse der wirtschaftlichen Grundlagen der Swap-Geschäfte war das Gericht der Ansicht, diese Kontrakte würden TCI das wirtschaftliche Eigentum an den zugrunde liegenden CSX-Aktien vermitteln. Da sich die Kontrakte auf mehr als 5 % des Aktienkapitals beziehen, besteht eine Mitteilungspflicht. Richter Lewis Kaplan sah es aufgrund der durch umfangreiche Aufklärungsmaßnahmen (pre-trial discovery) sehr detailliert aufgearbeiteten Fakten als erwiesen an, dass TCI infolge der Swap-Transaktionen Einfluss auf die Entscheidung der Banken hatte, Aktien von CSX zu kaufen bzw. zu verkaufen und die Stimmrechte auszuüben. Das Gericht kommt darüber hinaus zu dem Schluss, die Swap-Transaktionen seien nur zu dem Zweck abgeschlossen, um die Mitteilungspflichten nach dem US-amerikanischen Kapitalmarktrecht zu umgehen. TCI sei nämlich bereits aufgrund seiner Rechte aus den Swap-Transaktionen gegenüber CSX als Aktionär aufgetreten. Trotz der nach seiner Einschätzung vorliegenden Rechtsverstöße sah sich das Gericht jedoch nicht in der Lage, TCI per einstweilige Verfügung die Ausübung der Stimmrechte aus den zwischenzeitlich erworbenen Aktien zu verbieten. An der Anordnung einer solchen Rechtsfolge sah sich der Richter durch zwei Präzedenzentscheidungen höherrangiger Gerichte gehindert. Das war eine Einladung an CSX, im Wege einer Berufung gegen das Urteil die Präzedenzfälle überprüfen zu lassen. Der Richter untersagte TCI lediglich die Ausübung von Stimmrechten aus künftig unter Verstoß gegen die Mitteilungspflichten erworbenen Aktien. Das New Yorker Berufungsgericht hielt vorläufig die Ablehnung des Stimmverbots aufrecht, gewährte CSX aber ein beschleunigtes Berufungsverfahren. In diesem wird nun die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlich erfolgten Wahl von vier der fünf von TCI vorgeschlagenen Mitglieder des Board von CSX überprüft. Das Ausland handelt bereitsIn Großbritannien hat die Übernahmekommission schon Ende 2005 in den Takeover Code Mitteilungspflichten für während der Angebotsfrist abgeschlossene Differenzgeschäfte in Bezug auf Aktien einer Zielgesellschaft aufgenommen. Diese gelten, soweit sich Differenzgeschäfte auf mindestens 1 % des Aktienkapitals erstrecken. Die englische Börsenaufsichtsbehörde (FSA) hat in einer Studie vom November 2007 bei fehlender Mitteilungspflicht für den Einsatz von Finanzinstrumenten generell Nachteile im Hinblick auf die Bildung des Aktienkurses und die Transparenz von Übernahmen festgestellt und einen Vertrauensschwund der Marktteilnehmer beobachtet. Daher sollen voraussichtlich ab Februar 2009 Beteiligungen und wirtschaftliche Berechtigungen aus Finanzinstrumenten zusammengerechnet werden und meldepflichtig sein, wenn sie sich auf mindestens 3 % des Aktienkapitals der betroffenen Gesellschaft beziehen. Reform in der SchweizIn der Schweiz wird zum 1. Januar 2009 eine Überarbeitung der Börsenverordnung wirksam. Danach erstreckt sich die Meldepflicht, die ab einer Schwelle von 3 % gilt, auch auf die hier besprochenen Differenzgeschäfte. Um eine Flut unnötiger Mitteilungen zu vermeiden, soll für derartige Finanzinstrumente eine Freigrenze von 5 % des Stimmrechtsanteils gelten, sofern im Übrigen 10 % der Stimmrechte nicht überschritten werden.Die heute auf dem Kapitalmarkt eingesetzten komplexen Finanzinstrumente geben Anlass, die Notwendigkeit einer Transparenz solcher Transaktionen neu zu überdenken. Es reicht nicht mehr aus, für Mitteilungspflichten auf formale Rechtspositionen abzustellen. *) Dr. Hermann J. Knott, LL.M., Attorney-at-law, ist Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln (hermann.j.knott@luther-lawfirm.com).