RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: STEPHAN PARRANDIER

Schuldscheindarlehen als alternative Finanzierung gewinnt an Bedeutung

Nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen bieten attraktive Verzinsung

Schuldscheindarlehen als alternative Finanzierung gewinnt an Bedeutung

– Herr Parrandier, was ist der Grund für die steigende Beliebtheit von Schuldscheindarlehensemissionen?Bedingt vor allem durch die nach wie vor schwierige Situation an den internationalen Kapitalmärkten registrieren wir derzeit einen Trend zu alternativen Modellen der Unternehmensfinanzierung, die angesichts der volatilen Kapitalmärkte auch für institutionelle Anleger sehr interessant sind. Bei Schuldscheindarlehen handelt es sich um Darlehen, die in Tranchen von üblicherweise 0,5 Mill. oder 1 Mill. Euro geteilt und an Investoren – häufig kleine bis mittlere Banken, Versicherungen, Pensionskassen sowie Sparkassen und Volksbanken – platziert werden.- Welche Vorteile bieten sie?Schuldscheine bieten in erster Linie die Möglichkeit der mittel- bis längerfristigen Forderungs- und Gläubigerdiversifizierung. Ein weiter Erlösverwendungszweck – im Regelfall dient die Emission lediglich der allgemeinen Unternehmensfinanzierung -, gestaffelte Laufzeiten von häufig drei, fünf, sieben und teilweise zehn Jahren und ein verglichen mit Anleiheemissionen erheblich geringerer Dokumentationsaufwand machen Schuldscheine für Emittenten attraktiv. Durch ihre anleiheähnliche Ausgestaltung bieten sie insbesondere auch für nichtkapitalmarktorientierte Emittenten die Möglichkeit einer breiten Ansprache von Kapitalmarktinvestoren, ohne den strengen gesetzlichen Transparenz- und Offenlegungspflichten zu unterliegen.- Und aus Investorensicht?Da bieten Schuldscheine die Möglichkeit einer Investition in nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen mit hoher Bonität und eine in der Regel attraktive Verzinsung.- Was sind die Hauptunterschiede zu Anleihen?Der Hauptunterschied liegt darin, dass ein Schuldschein in der Regel kein Finanzinstrument und daher kein Wertpapier ist. Als Folge unterliegen Emittenten nicht den strengen Transparenz- und Berichtspflichten des Wertpapierhandelsgesetzes, also Ad-hoc, Directors’ Dealings und sonstigen Meldepflichten. Schuldscheine sind nicht prospektpflichtig, was sich vor allem bei der Flexibilität der Begebung und auch den Transaktionskosten bemerkbar macht. Aufgrund der fehlenden Börsenfähigkeit ist eine Forderungsübertragung in der Praxis nur im Wege der Abtretung oder der Vertragsübernahme möglich. Mangels Kollektivbindung der Gläubiger ist die Restrukturierung von Schuldscheinen im Vergleich zu Anleihen erschwert, da eine bilaterale Einigung mit den Gläubigern erforderlich ist.- Was haben sie mit Anleihen gemeinsam?Gemeinsamkeiten bestehen im Hinblick auf die regelmäßig investorenseits geforderten Standards: So sehen Schuldscheine beispielsweise anleiheähnliche Kündigungsrechte, Zusicherungen, Covenants, Negativerklärungen sowie Change-of-Control- oder Zins-Step-up-Klauseln vor.- Was müssen Investoren besonders beachten?Schuldscheininvestoren sollten das Aufsichtsrecht im Blick haben, da die Darlehensvergabe grundsätzlich ein erlaubnispflichtiges Kreditgeschäft im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) darstellt. Entsprechend der derzeitigen Verwaltungspraxis der BaFin ist es jedoch ausreichend, wenn eine Bank, die über die entsprechende Erlaubnis verfügt, als erster Darlehensgeber über den gesamten Ausgabebetrag fungiert und die einzelnen Tranchen eine juristische Sekunde später an die eigentlichen Investoren ausreicht. Hier sind Timing und eine saubere Dokumentation im Hinblick auf die Zeichnung der Darlehenstranchen, die Abtretungs- oder Übertragungsvereinbarungen sowie die Zahlungseingänge am Valutierungstag unerlässlich.- Was ist noch erforderlich?Investoren von Schuldscheinen sind im Regelfall verpflichtet, eine Prüfung nach § 18 KWG durchzuführen, sich also ein Bild von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Darlehensnehmerin zu machen und dies auch entsprechend zu dokumentieren. Versicherungen und Pensionskassen müssen darüber hinaus unter anderem die Vorgaben des VAG und der Anlageverordnung beachten. Auch die Notenbankfähigkeit ist immer wieder ein Thema.- —-Stephan Parrandier ist Rechtsanwalt im Kapitalmarktrecht von CMS Hasche Sigle. Die Fragen stellte Walther Becker.