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Schweizer schielen auf die Abgeltungsteuer

Doch die Strategie der Banken zur Verteidigung des Bankgeheimnisses hat große Tücken

Schweizer schielen auf die Abgeltungsteuer

Von Daniel Zulauf, ZürichDeutsche Banken erleben derzeit, was die Abgeltungsteuer in der Praxis bedeutet. Seit Anfang 2009 stehen sie in der Verantwortung, Vermögenserträge und Kapitalgewinne ihrer Privatkunden direkt an der Quelle zu besteuern. Das Verfahren ist kompliziert, aufwendig und Ausnahmen sind fast schon die Regel. In der Schweizer Bankenlandschaft ist der Begriff Abgeltungsteuer bereits zu einer Art Zauberwort geworden.Die helvetischen Banken würden sich nur allzu gerne in den Dienst ausländischer Steuerbehörden stellen, wenn sie ihren Kunden dafür auf ewige Zeiten Anonymität garantieren könnten. Die Schweiz täte aber gut daran, die Erfahrungen der Deutschen genau zu analysieren, bevor sie ihre Banken als Steuereintreiber in den Dienst des deutschen Fiskus stellt. Hoffen auf DeutschlandIn der Theorie klingt das Modell ganz einfach: Schweizer Banken ziehen bei ihren ausländischen Kunden eine Abgeltungsteuer auf ihre in der Schweiz erzielten Vermögenserträge und Veräußerungsgewinne ein, und zwar exakt nach der geltenden Praxis in deren Wohnsitzstaaten. Die eingezogenen Steuern werden an die jeweiligen Heimatländer überwiesen und der Schweizer Bankkunde bleibt gegenüber den Steuerbehörden in seiner Heimat anonym.So wollen die Schweizer Banken langfristig ihr Bankgeheimnis wahren. Große Hoffnung setzen sie derzeit darauf, dass sich Deutschland zu dieser Lösung bereit erklären wird. Denn Deutschland hat bereits eine Abgeltungsteuer für inländische Privatpersonen eingeführt und wäre demnach prädestiniert, das Modell auch auf deutsches Vermögen in der Schweiz anzuwenden.So einfach, wie es klingt, ist die Realität jedoch nicht. Das zeigen die Erfahrungen, die die deutschen Banken zurzeit mit der Abgeltungsteuer sammeln. “Der Aufwand für die Banken ist enorm hoch und das schon seit der Lancierung des Gesetzgebungsverfahrens im März 2007”, sagt Christian Ebner, Leiter des Fachbereichs Investmentsteuerrecht bei der Treuhandgesellschaft BDO in München. “Es gibt Dutzende von Tatbeständen, bei denen sich das Grundkonzept der Abgeltungsteuer nicht mehr anwenden lässt und ein herkömmliches Veranlagungsverfahren nötig wird.” Für die Schweizer Banken heißt dies, dass die Anonymität ihrer deutschen Kunden trotz Abgeltungsteuer in vielen Fällen offengelegt werden müsste. Veranlagung oft nötigDazu ein Beispiel: Die Abgeltung der Kirchensteuer ist optional. Jeder Steuerpflichtige hat die Wahl, die Kirchensteuer vom zuständigen Finanzamt veranlagen zu lassen und dafür wie bisher eine Steuererklärung einzureichen. Alternativ kann man sie auch einbehalten lassen, indem sie quasi als Minusposten im Abgeltungssatz berücksichtigt wird. Wird der Antrag auf Abgeltung vergessen, was gemäß Ebner in sehr vielen Fällen zu erwarten ist, wird die Veranlagung mittels Steuererklärung zwingend.Das deutsche Abgeltungsteuermodell lässt, als zweites Beispiel, die Verrechnung von Veräußerungsgewinnen mit Veräußerungsverlusten zu. Die Banken führen deshalb für jeden Kunden bis zu zwei Arten von Verlustverrechnungskonten, nämlich für Veräußerungsverluste aus Aktien sowie für Veräußerungsverluste aus anderen Wertpapieren. Solange eines dieser beiden Konten einen negativen Bestand aufweist, bleiben die entsprechenden Veräußerungsgewinne steuerfrei.Verrechnungen zwischen Banken sind aber nicht möglich. Will heißen: Besitzt ein Kunde Wertpapierdepots bei verschiedenen Banken, kann er sich eine Verlustbescheinigung von der Bank ausstellen lassen oder beim zuständigen Finanzamt die Verrechnung dieser Depots beantragen. Auch das führt gemäß Ebner in den meisten Fällen zu einer Veranlagung. Betroffen sind vor allem vermögende Personen, die oft mehrere Depots unterhalten.Ein drittes Beispiel betrifft Anleger, die vor dem 1. Januar 2009 Spekulationsverluste erlitten haben und diese innerhalb der vorgegebenen Frist bis 2013 mit Veräußerungsgewinnen verrechnen möchten. Dies können sie im Prinzip nur über eine Veranlagung erreichen. Denn vor der Einführung der Abgeltungsteuer haben die Banken keine Verlustverrechnungskonten für ihre Kunden geführt.In allen diesen nicht einmal besonders seltenen Fällen muss ein Bankkunde wie bisher beim Finanzamt seine Steuererklärung einreichen und dadurch seine Identität offenlegen. Für die Schweizer Banken, die ihren deutschen Kunden via Abgeltungsteuer die Anonymität bei gleichzeitiger Steuerkonformität garantieren möchten, ist das wohl kaum die ideale Lösung.Nach Ansicht von Christoph Courage, der für die Zürcher Vermögensverwaltungsbank Vontobel das Steuerreporting für die deutschen Kunden aufgebaut hat, ist die Deutsche Abgeltungsteuer viel zu kompliziert, als dass sie von den Schweizer Banken eins zu eins abgebildet und angewendet werden könnte. “Es würde allenfalls für die wichtigsten Elemente, aber niemals für alle Details reichen”, sagt Courage. “Der dafür nötige IT-Aufwand wäre viel zu hoch, das könnte und würde niemand bezahlen.”Ebner kennt die aktuellen Probleme der deutschen Banken mit der Abgeltungsteuer gut. Millionen Euro teure Computersysteme, besondere Softwarelösungen und natürlich ein Heer von Steuerberatern seien nötig, um das System einzuführen und es möglichst fehlerfrei zum Laufen zu bringen, sagt er.Programmierungstechnisch ist die Abgeltungsteuer eine echte Herausforderung. Der WM Datenservice, einer der wichtigsten Lieferanten von Steuerdaten in Deutschland, hat beispielsweise 120 unterschiedliche Kapitalmaßnahmen von Unternehmen definiert, die steuertechnisch verschieden behandelt werden wollen.Zurzeit sei man daran, diese “Corporate Actions” in neun bis zwölf verwandte Klassen zu gruppieren, um Softwarelösungen zu vereinfachen, sagt Michael Port, Steuerspezialist beim WM Datenservice. Doch das wird nicht die letzte Anpassung sein. Der Finanzmarkt wird laufend nach neuen, innovativen Lösungen suchen, um die Belastungen der Anleger durch die Abgeltungsteuer möglichst gering zu halten. Weil der Gesetzgeber diese Lücken naturgemäß nie zeitnah schließen kann, sind für alle Beteiligten kostspielige Nachbesserungen programmiert. Gewaltiger DatensalatAuch dazu gibt es ein aktuelles Beispiel: Weil Zwischengewinne auf Fondsanteilen von der Abgeltungsteuer in Abzug gebracht werden können, haben sich zum Teil Fondsanbieter darauf spezialisiert, Fonds anzubieten, die besonders hohe Zwischengewinne generieren. Um diesem Treiben ein Ende zu setzen hat sich der Gesetzgeber nun das Recht vorbehalten, für Abzüge durch überhöhte Zwischengewinne eine Stornierung zu verlangen. “Die deutschen Banken befürchten eine veritable Stornierungswelle”, sagt Ebner.Für den WM-Steuerfachmann Thorsten Pohl steht fest: Wer an dem Thema Abgeltungsteuer nicht hautnah dranbleibt, riskiert rasch irgendwo den Anschluss zu verlieren, um dann im Nachhinein einen gewaltigen Datensalat aufarbeiten zu müssen.