"Schwellenländer holen auf"
– Frau Posch, in den vergangenen Wochen gab es einen starken Zinsanstieg am US-Rentenmarkt. Wie groß ist die Abhängigkeit der Dollar-denominierten Anleihen von der Zinsentwicklung in den USA?Die Anleihen haben zwei Komponenten. Eine Zinskomponente, die sehr stark von den Vorgaben der US-Staatsanleihen abhängt, und eine Kreditkomponente – den Risikospread, der in Abhängigkeit von Emittent und Land deutlich schwanken kann. Je weiter dieser Risikospread sinkt, umso mehr verhalten sich die Schwellenlandhartwährungsanleihen wie Dollar- oder Euro-Anleihen. Der steile Zinsanstieg bei US-Staatsanleihen hat sich daher auch in der Entwicklung der EM-Unternehmensanleihen bemerkbar gemacht. Da hier die Durchschnittslaufzeiten kürzer sind, ist die Zinssensitivität aber ebenfalls geringer.- Wie sehen Sie die Entwicklung des US-Anleihenmarkts in den kommenden Monaten?Wir sind vorsichtig gegenüber der Entwicklung bei langlaufenden Dollar-Anleihen und haben demzufolge die Durchschnittslaufzeit reduziert, um Kursrisiken bei langlaufenden Papieren zu umgehen.- Bringen die Hartwährungsanleihen der Schwellenländer noch einen Renditevorteil?Hartwährungsstaatsanleihen sind gewissermaßen die erste Generation von Schwellenlandanleihen und haben damit am stärksten von der gestiegenen Aufmerksamkeit für die Anlageregion profitiert. In vielen Fällen bringen sie in der Tat nur noch eine geringe Mehrrendite gegenüber Anleihen aus Industrieländern.- Sind die Hartwährungsanleihen noch eine Alternative gegenüber Anleihen in lokaler Währung?Schauen Sie sich die zukünftigen Entwicklungen an: Wir glauben, dass sich die Unterscheidung der Welt in Schwellenländer und Industriestaaten zunehmend verwischen wird. Schwellenländer holen auf, und einige werden überholen. Das ist ein dauerhafter Trend, und daher sind wir insgesamt positiv auch für Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern. Während die Staaten immer stärker dazu übergehen, in lokaler Währung zu emittieren, füllen die EM-Unternehmensanleihen in Hartwährungen diese Lücke. Sie bieten dabei nicht nur eine Renditeprämie gegenüber Unternehmensanleihen aus Industriestaaten oder Staatsanleihen aus Schwellenländern, sondern auch eine bessere durchschnittliche Kreditqualität als vergleichbare Unternehmensanleihen aus Industriestaaten. Während ein Teil der Renditeprämie durch geringere Transparenz und Liquidität begründet ist, erwarten wir, dass es auch hier eine Angleichung in den kommenden Jahren geben wird.- Für welchen Anleger ist eine Anlage in Emerging Markets Corporate Bonds sinnvoll?Anleger können eine Allokation in Unternehmensanleihen aus Emerging Markets aus zwei Perspektiven betrachten: als eine Alternative oder Ergänzung zu klassischen Unternehmensanleihen oder als Erweiterung ihres Schwellenland-Exposure. Für beide Sichtweisen sprechen gute Gründe. Man muss sich allerdings im Klaren sein, dass es sich nicht um ein risikofreies Investment handelt, auch wenn wir der Meinung sind, dass sich diese Risiken mit dem richtigen Ansatz und Expertise managen lassen.- Wie ist der Investmentansatz des GIS EM Corporate Bond Fund?Unser Ansatz umfasst die für Pimco typische globale und langfristige Makroeinschätzung in Kombination mit einer tiefgehenden Analyse der einzelnen Unternehmensanleihen innerhalb des gesamten rechtlichen und politischen Kotexts. Wenn Sie sich das als Pyramide vorstellen, bildet die Länderanalyse die Basis, die nächste Stufe umfasst die Analyse und Einschätzung der jeweiligen Sektoren einschließlich Faktoren wie Abhängigkeit von Binnennachfrage oder Exportnachfrage sowie Systemrelevanz und mögliche implizite oder explizite Unterstützung durch die Regierung. Auf der nächsten Stufe sehen wir uns die einzelnen Emittenten sehr genau an – das ist das eigentliche Kreditresearch. Und abschließend werden die einzelnen Emissionen, also die Papiere, analysiert in Hinblick auf Laufzeit, Liquidität, Gläubigerstellung und Sonderklauseln. Hier gibt es wenig Standardisierung. Schwellenländer sind daher sehr aufwendig, die eingehende Analyse wird im Gegenzug mit besseren Erträgen und weniger negativen Überraschungen belohnt.- In welcher Form werden die Unternehmen analysiert?Wir haben ein globales Kredit-Research-Team mit mehr als 45 Analysten, die rund um die Welt stationiert sind und Jahr für Jahr mehr als 1 000 Unternehmensbesuche machen. Unsere einzelnen Analysten sind global für eine Branche zuständig. Ein Analyst, der etwa europäische Telekomwerte analysiert, hat auch die Telecoms in den USA und in den Schwellenländern im Blick. Das bedeutet zwar mehr Reisetätigkeit, aber es gibt uns ein einheitlicheres Bild zu einem Sektor global und über alle Ratingbereiche hinweg. Wir verlassen uns bei unserer Arbeit nicht auf externe Ratings, sondern erstellen für jeden Emittenten und jede Emission eine eigene Analyse mit einem eigenen internen Rating.- Nehmen Sie ein Währungshedging vor?Wir können grundsätzlich ein aktives Währungsmanagement betreiben. Der Großteil der Emissionen in unseren Portfolios ist in Hartwährungen, also Dollar oder Euro, denominiert. Der Markt für Unternehmensanleihen in lokalen Währungen ist überwiegend noch auf lokale Investoren geschränkt, wir nutzen aber auch hier schon einzelne Investitionsgelegenheiten. Dann spielt unsere Währungsmeinung aber in der Tat eine große Rolle. Wenn wir überzeugt sind, dass die Währung Aufwertungspotenzial zeigt, lassen wir das Währungsrisiko ungesichert. Unseren europäischen Kunden bieten wir den Fonds in einer Euro-Anteilsklasse an, die gegenüber dem Dollar abgesichert ist.- Wie stark orientieren Sie sich an der Benchmark?Unsere Benchmark ist der J.P. Morgan Corporate Emerging Markets Bond Index Diversified (CEMBI), das von ihm abgebildete Anlageuniversum ist in den vergangenen Jahren deutlich expandiert. Der Index spielt aber nur eine geringe Rolle in der Konstruktion des Portfolios. Wir bauen das Portfolio in allererster Linie ausgehend von dem beschriebenen Investmentansatz auf.- Erschwert die geringe Liquidität nicht die Anlage in Emerging Markets Corporate Bonds?Zunächst einmal muss man sagen, dass viele Anlagen auch in Schwellenländern von der globalen Liquiditätswelle profitiert haben und zu steigenden Bewertungen im vergangenen und Anfang dieses Jahres geführt haben. Wenn es aber um die Liquidität in Bezug auf das Eingehen oder Auflösen von Positionen geht, so ist Liquidität für uns ein wichtiges Thema. Wir schützen uns vor Positionen, aus denen wir im Zweifelsfall nicht mehr rasch herauskommen. Durchschnittlich zeigen die Schwellenländer-Unternehmensanleihen weniger Liquidität gegenüber vergleichbaren Industrieländer-Unternehmensanleihen, dies ist aber meistens damit verbunden, dass die EM-Corporates eine relativ junge Anlageklasse sind und der Anteil von strategischen Investoren ebenfalls noch relativ gering ist.- Halten Sie die Anleihen bis zum Laufzeitende, oder schließen Sie Positionen auch vorher?Wir sind ein aktiver Manager und verkaufen Positionen, wenn es bessere Möglichkeiten gibt oder wir Risiken sehen.- Nutzen Sie Derivate bei der Umsetzung Ihrer Strategien?Wir nutzen Derivate, wenn diese einen Vorteil gegenüber physischen Anleihen bieten. Derivate können insbesondere bei der Steuerung der Duration des Portfolios sinnvoll sein, da sich die Duration verändern lässt ohne größere Transaktionen innerhalb des Anleihenbestandes. Der Emerging-Markets-Corporate-Bereich insgesamt ist aber noch nicht so weit entwickelt, dass sich Positionen in Emittenten in großem Stil über Derivate abbilden lassen. Hier sind noch immer die effektiven Anleihen im Vordergrund.- Wie schätzen Sie die künftige Performance der EM-Unternehmensanleihen ein, und denken Sie, dass Anleger momentan einsteigen sollten?Wir halten Unternehmensanleihen aus Schwellenländern langfristig für eine sehr interessante Anlage, da wir mit einer langfristigen Angleichung der Schwellenländer an die Industrieländer rechnen. Man muss aber konstatieren, dass die globale Liquiditätswelle zu einem Anstieg der Bewertungen auch in diesem Bereich geführt hat. Ereignisse wie vor Kurzem in der Türkei zeigen, dass es ein gewisses Rückschlagspotenzial gibt, wenn die globale Risikoneigung oder Liquiditätssituation sich verändert. Das spiegelt sich auch in unserer defensiven Positionierung wider. Wir glauben aber, dass Unternehmen aus Schwellenländern sich auch in einem Umfeld behaupten werden, in dem die großen Zentralbanken die Liquidität nach und nach entziehen. Viele dieser Unternehmen haben die großen Schwellenlandkrisen der früheren Jahrzehnte überstanden und sind krisenerprobt – im Gegensatz zu manch einem Emittenten aus den Industriestaaten.—-Das Interview führte Armin Schmitz.