Investmentfonds - Gastbeitrag

Schwellenländeraktien sind überbewertet

Börsen-Zeitung, 4.3.2011 BRIC, die Abkürzung für Brasilien, Russland, Indien und China, könnte mittlerweile nicht nur für die Investmentchancen in den Schwellenländern stehen, sondern auch für etwas anderes: Bewahre dich vor einem Ruinösen...

Schwellenländeraktien sind überbewertet

BRIC, die Abkürzung für Brasilien, Russland, Indien und China, könnte mittlerweile nicht nur für die Investmentchancen in den Schwellenländern stehen, sondern auch für etwas anderes: Bewahre dich vor einem Ruinösen Investment Case!Wenn Historiker die Wirtschaftsgeschichte der vergangenen 20 Jahre schreiben, kommen die Zentralbanker vermutlich nicht ungeschoren davon. Doch werden auch die größten Opfer erwähnt? Die Rede ist von jenen, die in niedrig verzinste und vermeintlich sichere Anleihen westlicher Staaten investierten und dadurch mehr oder minder verarmten. Denn die Notenpressen liefen nicht nur dann auf Hochtouren, wenn ihre Gebieter von der Notwendigkeit überzeugt waren, die Geldmenge zu vergrößern. Vielmehr war Gelddrucken bereits eine in vielen Jahren geübte Praxis. Ein möglicher ungebremster Anstieg der Anleihenrenditen und/oder der Kollaps der vermeintlich starken Währungen bleiben die größten Risiken für die Vermögenswerte weltweit. Beunruhigendes LobZuletzt war jedoch auffällig, dass diese Sorge zunehmend als Begründung für eine Umschichtung in die Schwellenländer herhalten musste. Für Anleihen in jenen wenigen asiatischen Währungen, die ganz offensichtlich günstig sind (beispielsweise Länder mit großen externen Handelsüberschüssen wie etwa Taiwan) mag das Argument sogar zutreffen. Für Schwellenländeraktien gilt dies jedoch ganz sicher nicht. Die allgemeinen Lobeshymnen auf Schwellenländeranlagen sind beunruhigend. Fondsanleger sollten seit einiger Zeit vorsichtig sein, denn die Bewertungen von vielen Schwellenländerunternehmen sind bereits zu hoch und werden daher mittelfristig nur durchschnittliche Erträge bieten.Unsere vorsichtige Haltung hat verschiedene Gründe. Zunächst ist der Kauf von Schwellenländeraktien nicht so konträr, wie immer wieder behauptet wird. Die globalen Indizes für Schwellenländeraktien haben sich in den vergangenen Jahren deutlich besser entwickelt als die der westlichen Welt und sind daher alles andere als ein Geheimtipp. Der MSCI Global Emerging Markets Index erzielte in US-Dollar auf Sicht von sowohl fünf als auch zehn Jahren eine annualisierte Gesamtrendite von rund 15 %. Der amerikanische S & P 500 Index generierte beispielsweise über den kürzeren Zeitraum knapp 2 % und über den längeren Zeitraum keinen nennenswerten Ertrag. Wer heute Aktienindizes von Schwellenländern zum Kauf empfiehlt, kommt leider fünf bis zehn Jahre zu spät. Spekulative ÜbertreibungVergleicht man die Bewertungen der Schwellenländerunternehmen höchster Qualität mit ihren Wettbewerbern in der entwickelten Welt, dann bleibt kein Zweifel, dass Schwellenländeraktien überbewertet sind. Wie kann das KGV der mexikanischen Wal-Mart-Tochter doppelt so hoch sein wie das des Mutterkonzerns, wo Mexiko mittelfristig kaum schneller gewachsen ist als die USA? In den Schwellenländern besteht nicht nur die Gefahr einer spekulativen Übertreibung (was für alle Märkte gilt, wenn die Zinsen bei null liegen), bei den hochwertigsten Unternehmen ist sie vermutlich bereits eingetreten!Wer aggregierte Top-Down-Bewertungen wie etwa das KGV zurate zieht, dem entgeht diese Tatsache vermutlich. Denn der globale Schwellenländerindex wird von sehr großen Unternehmen mit auf den ersten Blick niedrigen Bewertungen dominiert. Die meisten dieser Firmen sind jedoch von so minderer Qualität, dass sie einem Portfolio nicht einmal beigemischt werden sollten. Es handelt sich beispielsweise um Unternehmen, die durch oder für einen Staat betrieben werden. Möglicherweise sind diese Aktien tatsächlich günstiger, mittelfristig würden Investoren aber immense Risiken eingehen.Viele argumentieren auch, dass die Schwellenländer in Investorenportfolios zu gering gewichtet sind. Dabei werden zwei entscheidende Tatsachen übersehen: Zunächst sagt das Land, in dem ein Unternehmen börsennotiert ist, heutzutage wenig darüber aus, wo die Gewinne erzielt werden. Viele börsennotierte Unternehmen generieren einen erheblichen Anteil ihres Ertrags in den Schwellenländern. Das gilt vor allem für viele multinationale Unternehmen, wie zum Beispiel Unilever oder Colgate. Würde man sie berücksichtigen, wäre bereits der größte Teil der angeblichen BIP-Gewichtungsanomalie der Schwellenländer beseitigt. Überschätzte GrößeZweitens ist es nicht empfehlenswert, die Größe der Schwellenländer-Volkswirtschaften durch die Anpassung der Kaufkraftparität zu schätzen, da diese die Volkswirtschaften der Schwellenländer größer erscheinen lässt. Kaufkraftparität dient dazu, den echten Lebensstandard in einem Land zu messen. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang, dass ein Einwohner Nigerias halb so viel für ein Brot bezahlt wie ein Einwohner der USA, ist das durchaus sinnvoll. Nur weil Brot gemessen am nominalen Wert des Brotmarktes in Nigeria halb so teuer ist, bedeutet das aber nicht, dass das Land bei der Analyse der Chancen für Unternehmen oder Investoren mit dem Faktor zwei zu bewerten ist. In Wirklichkeit sind die meisten Schwellenländer (mit Ausnahme Chinas) im Vergleich zu den USA, Europa und selbst Japan immer noch klein, auch wenn wir fest davon überzeugt sind, dass sich das zukünftig ändern wird.Die Schwellenländer-Aktienmärkte preisen die Risiken derzeit nicht ein. Es gibt viele offene Fragen: Wird die politische Entwicklung Chinas in den nächsten zehn Jahren ohne Probleme verlaufen? Wie würde es sich auf die Schwellenländer insgesamt auswirken, wenn die US-Wirtschaft infolge ihrer massiven Schulden dauerhaft unfähig wäre, Waren zu importieren? Sind Autokratien langfristig nicht sehr viel riskanter für Anleger als Demokratien? Geldpolitik fördert BlasenBei der Suche nach Anzeichen für Spekulationsblasen werden wir derzeit oft fündig: Kurios erscheint etwa, dass in Lateinamerika ein Bauträger mit einer Dessousfirma kooperiert, um Häuser zu verkaufen. Größere Sorgen bereiten zudem die steigende Zahl synthetischer, börsennotierter Fonds. Und man sollte man sich auch Gedanken machen um die überraschend hohe Korrelation der globalen Vermögenspreise – vermutlich eine Folge der globalen Geldpolitik. Zudem: Das Ausmaß der unorthodoxen Geldpolitik in den USA wird auch weiterhin Anlagen außerhalb des US-Dollar-Raums stützen. Dies könnte zu einer Blasenbildung in den Schwellenländern führen.Die unterschiedliche Bewertung der Aktienmärkte in Schwellenländern und Industrieländern zeigt jedoch, dass die Aktienmmärkte der Industrieländer zukünftig durchaus besser abschneiden und sich insbesondere westliche Unternehmen mit erheblichen Ertragsströmen aus Schwellenländern hervortun könnten. Ein berühmter Anleger sagte einmal: “Erst bei Ebbe erkennt man, wer nackt schwimmt.” Vor zehn Jahren wurden Schwellenländeraktien als “auf dem absteigenden Ast” tituliert. Interessanterweise wird die westliche Welt heute von einigen mit genau diesem Prädikat ausgezeichnet.