Recht und Kapitalmarkt

Schwierige Abwehr von Squeeze-out-Spekulationen

Hohe Zuschläge in Spruchverfahren - Nachbesserungen zwischen 13 und 700 Prozent - Freiwillige Prämien vermeiden

Schwierige Abwehr von Squeeze-out-Spekulationen

Von Gerd Graf von Bassewitz und Peter Krüger *)Seit Einführung des Squeeze-out zum 1. Januar 2002 wurden weit über 100 dieser Transaktionen durchgeführt. Minderheitsaktionäre fühlen sich aus dem Unternehmen gedrängt, die Gesellschaften versuchen langwierige Auseinandersetzungen mit den ausscheidenden Aktionären zu vermeiden. Ein wesentlicher Streitpunkt ist stets die Frage der richtigen Abfindungshöhe.Minderheitsaktionäre bedienten sich im Kampf um eine aus ihrer Sicht faire Bewertung nicht zuletzt rechtlicher Mittel. Der Gesetzgeber sieht hierbei für die gerichtliche Überprüfung der Barabfindung beim Squeeze-out sowie bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen das Spruchverfahren vor. Erhebliche NachbesserungenEine systematische Untersuchung der Deutschen Bank über abgeschlossene Spruchverfahren zu Squeeze-out-Beschlüssen kommt zum Ergebnis, dass die ursprünglich gebotene Abfindung durch das gerichtliche Verfahren um durchschnittlich 76 % nachgebessert wurde. Im Median betrug die Aufbesserung rund 26 %. Als Extremwert konnte eine Nachbesserung von 726 % im Rahmen eines Vergleichs vor dem Landgericht München bei Schott Zwiesel beobachtet werden. Die niedrigste Nachbesserung betrug 13 %. Ausnahmslos alle Spruchverfahren führten zu einer signifikanten Nachbesserung und endeten stets mit gerichtlichem Vergleich. Wird eine Nachbesserung festgesetzt, kommen alle betroffenen Aktionäre in den Genuss der baren Nachzahlung, unabhängig davon, ob sie an dem Spruchverfahren beteiligt waren oder nicht. Die Initiative von sogenannten Berufsaktionären, auf die fast alle beobachteten Verfahren zurückzuführen sind, verhilft somit – gewollt oder ungewollt – auch nicht klagenden Aktionären zur Nachbesserung. Eine Verschlechterung im Spruchverfahren ist nicht möglich. Im Vergleich zu den Squeeze-out-Verfahren lag die durchschnittliche Nachbesserung in Spruchverfahren zu Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen mit 34 % – bzw. 20 % im Median – etwas geringer. InvestmentstrategieDass Aktionärsklagen zu Abfindungen die Rendite der ursprünglichen Investition in die betreffende Aktie erheblich erhöhen können, hat sich auch auf der Investorenseite herumgesprochen, wie nicht zuletzt die Emission von speziellen Squeeze-out-Basket-Zertifikaten zeigt. Angesichts der hohen Prämien, der hohen Erfolgswahrscheinlichkeit sowie der Begrenzung des Risikos und der zeitlich geringen Kapitalbindung erscheinen Squeeze-out-Spekulationen auch über den Beschluss der Hauptversammlung hinaus als attraktiv. Wird zu einem späteren Zeitpunkt eine Nachbesserung der Abfindung erwirkt, ist der zu erstattende, bare Differenzbetrag vom Hauptaktionär ab Eintragung des Squeeze-out in das Handelsregister mit 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz nachzuverzinsen. Die bisher untersuchten Squeeze-out-Spruchverfahren wiesen eine durchschnittliche Dauer von 16 Monaten auf.Der zunehmende Gebrauch von Rechtsbehelfen im Kampf um eine faire Abfindung verlangt bei den beklagten Unternehmen verstärkt nach Strategien zur Vermeidung. Eine oftmals angewandte Vermeidungsstrategie besteht darin, sich mit den klagenden Aktionären möglichst schnell zu einigen, um mit der Verfahrensdauer steigende Kosten einzudämmen. Ohnehin sind die Gerichte angehalten, einen Vergleich anzustreben. Da im Falle einer Nachbesserung neben eigenen Aufwendungen auch die Kosten der klagenden Aktionäre zu begleichen sind, steigt die Bedeutung einer raschen Einigung. Neben einer deutlichen Erhöhung der Barabfindung nehmen die beklagten Gesellschaften oft auch Forderungen der Kläger nach hohen Aufwandsentschädigungen in Kauf. Weiterhin sollten die Unternehmen auf die Besonderheiten solcher Spruchverfahren vorbereitet sein. Hier sind insbesondere Beobachtungen anzuführen, die auf eine stark juristisch geprägte Wahrnehmung einer Unternehmensbewertung in der gerichtlichen Vergleichspraxis hinweisen. Bei der Bewertung der Abfindung tendieren die zuständigen Kammern für Handelssachen dazu, sich insbesondere hinsichtlich der Wahl des richtigen Kalkulationszinssatzes nicht nur an dem für die Wirtschaftsprüfer verbindlichen Bewertungsstandard IDW S1, sondern auch an der Rechtsprechung vergleichbarer Verfahren zu orientieren – insbesondere dann, wenn kein erneutes Bewertungsgutachten eingeholt wird. Die Quantifizierung bewertungsrelevanter Komponenten seitens der Gerichte deckt sich hierbei häufig nicht mit der Vorgehensweise in der Bewertungspraxis, insbesondere derjenigen von Investmentbanken, die die Transaktionen auf Seiten der Unternehmen begleiten und an der Festlegung des ursprünglichen Übernahmepreises wesentlich mitwirken (einschließlich Fairness Opinions). Verzicht auf SpruchverfahrenImmer häufiger sind in der Praxis auch Bestrebungen seitens der Hauptaktionäre zu beobachten, die darauf abzielen, die Einleitung eines Spruchverfahrens von vornherein zu vermeiden. Zunehmend sind Passagen in Abfindungsangeboten bzw. in Vergleichen zu vorausgegangenen Anfechtungsklagen zu finden, die denjenigen Minderheitsaktionären eine weitere, bare Zuzahlung auf die gebotene Abfindung offerieren, die sich im Gegenzug bereit erklären, auf die Einleitung eines Spruchverfahrens zu verzichten. Die Anwendung einer solchen Klausel konnte jüngst bei der Einigung der Depfa plc mit den außenstehenden Aktionären der Deutschen Pfandbriefbank beobachtet werden. Ob durch solche Ausschlussregelungen Prozesskosten und resultierende Nachverzinsungen sowie langwierige Auseinandersetzungen, mit entsprechend negativer Öffentlichkeitswirkung, gänzlich vermieden werden können, bleibt offen, da eine Zustimmung ausnahmslos aller Aktionäre faktisch kaum zu erreichbar ist. Immerhin kann durch diese Vorgehenweise ein potenzielles Nachbesserungsvolumen begrenzt werden. Von freiwilligen Erhöhungen der ursprünglichen Barabfindung ohne Gegenbedingung, in der Hoffnung, ein Spruchverfahren zu vermeiden, ist jedoch grundsätzlich abzuraten. Insbesondere Berufsaktionäre werden, trotz freiwilliger Aufbesserung, nicht davon abgehalten, von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Zu einer Erleichterung auf Seiten der Gesellschaften im Kampf um eine angemessene Barabfindung könnte die geplante Anpassung der IDW-S1-Bewertungsgrundsätze führen, die in den einer Barabfindung zugrunde liegenden Bewertungsgutachten in der Regel zur Anwendung kommen. Mit der Regelwerkänderung sind systematisch geringere Unternehmenswerte zu erwarten als bisher. Bei der Bestimmung einer Barabfindung im Squeeze-out fungiert jedoch ein historischer, durchschnittlicher Börsenkurs weiterhin als Mindestgrenze. Wie in aktuellen Übernahmen zu beobachten ist, bewegt sich der Börsenkurs nach einer Übernahme mit Blick auf einen möglichen Squeeze-out häufig über den Übernahmepreis hinweg, da Anleger eine Prämie im Rahmen einer Squeeze-out-Abfindung bereits antizipieren. Diese Tendenz kann dem Effekt aus dem neuen IDW S1 entgegenwirken. Entsprechend kann den Unternehmen geraten werden, auch diese Art der Spekulation durch entsprechende Maßnahmen einzudämmen. Gesetzliche Regelung?Vermieden werden sollte in jedem Fall, Prämienjäger in ihrer Spekulation durch freiwillig gebotene Prämien zu bestärken. Die Absicht eines Unternehmens, den Squeeze-out-Preis im Vergleich zu einem vorhergehenden Übernahmeangebot durch optimistische Business-Pläne hochzutreiben, um einen möglichst reibungslosen Prozess zu gewährleisten, kann somit durchaus Gegenteiliges bewirken. Langfristig kann der Prämienspekulation dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass die Squeeze-out-Abfindung dem Preis des öffentlichen Übernahmeangebots entspricht bzw. unwesentlich davon abweicht. Entsprechend gewinnt die Forderung seitens der Unternehmen nach einer in diese Richtung weisenden gesetzlichen Regelung auch in Deutschland erneut an Bedeutung.*) Gerd Graf von Bassewitz ist Vice President im Bereich Mergers & Acquisitions, Peter Krüger Analyst im Bereich Mergers & Acquisitions der Deutschen Bank.