Immobilien

Sind Aktien fair bewertet?

Nettoinventarwert und Börsenkurs bestimmen beide den Fundamentalwert

Sind Aktien fair bewertet?

tl Frankfurt – Die europäischen Immobilienaktien notieren deutlich unter ihrem Nettoinventarwert oder Net Asset Value (NAV), also dem Vermögenswert abzüglich aller Verbindlichkeiten. Hans Rehkugler, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Freiburg, stellte sich daher in seinem Vortrag auf der 2. Jahrestagung G-Reits des Deutschen Aktieninstituts (DAI) die Frage, ob Immobilienaktien fair bewertet sind. Hohe Kursverluste”Seit April 2007 haben deutsche Immobilienaktien hohe Kursverluste erlitten und notieren inzwischen bis zu 80 % unter dem NAV”, stellte Rehkugler fest. “Eine mögliche Fehlerquelle, sprich der Grund für die hohe Abweichung des Börsenkurses vom NAV, könnten Bewertungsmethodik und die Sachverständigen sein.” Zur Bewertungsmethodik zählt Rehkugler den Discounted Cash-flow-Ansatz beziehungsweise das Ertragswertverfahren. Nach Meinung von Rehkugler käme es aber selbst durch alle Fehler dieser Kategorie zusammengenommen (methodische, Sachverständige nicht unabhängig und “handwerkliche” Fehler wie ein falscher Liegenschaftszins) keinesfalls zu größeren, über 10 % hinausgehenden Bewertungsdifferenzen. Grundsätzlich stellte Rehkugler dann die Frage, ob der NAV korrekt ist, die Börse mithin übertreibt, oder ob der Börsenkurs korrekt ist und der NAV dem “wahren” Wert hinterherhinkt. Eine empirische Studie aus den USA zeige am Beispiel von dortigen Reits, dass sich mit einer Strategie, nach der unter ihrem NAV bewertete Aktien gekauft und überbewertete Reits leer verkauft werden sich beträchtliche Überrenditen erzielen lassen. Bei Überrenditen muss die Rendite nicht durch das Eingehen eines höheren Risikos bezahlt werden. Entsprechende Studien aus Europa gebe es bisher allerdings nicht.Auf der anderen Seite lägen aber auch Studien vor, die den Nachlauf der Immobilienwerte zu den Kursveränderungen zeigten. Begründet wird dies damit, dass die Börse sofort auf wichtige Entwicklungen und Erwartungen reagiert, während Immobilien meist nur ein Mal jährlich bewertet werden und nur abgeschwächt der Marktentwicklung folgen (Smoothing-Effekt). In den USA beträgt der Nachlauf der Bewertungen zum Börsenkurs etwa zwei Jahre, so Rehkugler. “Vermutlich liegt die Wahrheit aber in der Mitte, das heißt beide Effekte wirken zusammen, möglicherweise jeweils gleich stark. Auch dafür gibt es empirische Belege.” Kleine ÄnderungAnhand von Beispielen zeigte Rehkugler aber auch, dass kleine Änderungen von Parametern wie dem Zinssatz erhebliche Auswirkungen auf den NAV haben. So führe eine Erhöhung des Diskontierungszinssatzes bei der Ermittlung des Ertragswerts einer Immobilie zu einer Wertminderung von 15 bis 17 %. Auch Änderungen bei der erwarteten Mietsteigerung wirkten sich auf den Immobilienwert aus. Bei einer Wertänderung der Immobilie wirkt der Fremdkapitalanteil als Hebel. Je höher er ist, je stärker ist die Veränderung des NAV. Wirkte sich dies früher bei Wertsteigerungen überproportional positiv aus ist es jetzt bei Wertverlusten gerade umgekehrt. In einer Modellrechnung zeigte Rehkugler, dass bei einem Fredmkapitalanteil von 50 % eine Immobilienwertminderung um 5 % zu einem um 8,3 % verminderten NAV und eine Immobilienwertminderung von 20 % zu einem um ein Drittel verminderten NAV führen. Hebel wirkt negativSteigt der Fremdkapitalanteil in diesem Beispiel auf 80 %, so liegt das Minus beim Net Asset Value sogar bei 20,8 % (Immobilienwertminderung 5 %) bzw. 83,3 % (-20 %). Rehkugler betonte aber, dass er durchschnittlich notwendige Wertanpassungen je nach Standort und Immobilientyp eher bei -5 % bis -10 % erwartet. “Diese Wertabschläge sind bei den börsennotierten Gesellschaften schon eingepreist, aber nicht bei den offenen Immobilienfonds. Bei denen muss im Moment noch der volle, veraltete Net Asset Value gezahlt werden. Aus diesem Blickwinkel überzeugt gerade jetzt ein Neu-Engagement in diesen Fonds nicht”, schloss Rehkugler seinen Vortrag.