"Smart Beta ist nicht an Anlageklassen gebunden"
Die Turbulenzen an den Finanzmärkten haben das Interesse an risikodämpfenden Indexkonzepten steigen lassen. In den USA sind alternative Bauarten dabei der neue Trend. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Reinhard Bellet, Leiter Passiv Asset Management bei der Deutschen Asset & Wealth Management, die Vorzüge der sogenannten Smart-Beta-Indizes.- Herr Bellet, Exchange Traded Funds (ETF) auf Indexvarianten finden in den USA immer mehr Anhänger. Was bedeutet Smart Beta bei diesen neuen Strategien?Smart Beta ist die systematische Umsetzung alternativer Investmentstrategien. Dabei müssen zwei Merkmale erfüllt sein. Zum einen soll eine Optimierung bestehender Beta-Strategien erreicht werden. Hier kann es das Ziel sein, eine Outperformance zur relevanten Benchmark zu erzielen oder die Schwankungsbreite zu reduzieren. Zudem soll das Ziel besonders kostengünstig und effizient erreicht werden.- Ab wann gilt ein Index als dem Smart Beta zugehörig? Gilt das schon für Dividendenindizes?Der gemeinsame Nenner ist, dass Smart-Beta-Indizes mehr bieten als die reine Gewichtung der Indexmitglieder nach Marktkapitalisierung. Dort liegt ja auch der Ursprung von Smart Beta in der modernen Portfoliotheorie, da klassische Gewichtungen nach der Marktkapitalisierung unter anderem Konzentrationsrisiken bergen. In diesem Sinne kann ein Index, der Aktien mit einer höheren Dividendenrendite mehr Gewicht verleiht, schon als Smart Beta bezeichnet werden. Allerdings gibt es eine große Bandbreite zwischen solchen relativ einfachen bis hin zu sehr anspruchsvollen Smart-Beta-Indizes.- Wieso ist das Interesse an Smart-Beta-Indizes in Europa im Vergleich zu den USA bisher eher gering?In den USA ist das Interesse an passiven Anlagestrategien insgesamt extrem groß. Der US-Markt für ETF ist mit 1,3 Bill. Dollar fast dreimal so groß wie der europäische und wächst sehr dynamisch. Allein seit 2009 hat sich das Volumen fast verdoppelt. Passive Produkte sind weit verbreitet, und Exchange Traded Funds sind für alle Investorengruppen selbstverständlich geworden, da ist es nicht verwunderlich, dass neue Ideen wie eben leicht veränderte oder maßgeschneiderte Beta-Produkte schnell akzeptiert werden. Wenn sich der Markt für passive Produkte in Europa aber weiter so gut entwickelt, bin ich zuversichtlich, dass Smart-Beta-Indizes auch bei uns eine große Zukunft vor sich haben.- Entwickeln sich Smart-Beta-Indizes in allen Marktphasen gleich gut?Das zu behaupten wäre nicht richtig und auch nicht fair gegenüber den Produkten – mit Smart-Beta-Produkten versucht man, die Marktmeinung des Kunden einfach besser abzubilden. Es kann also sogar vorkommen, dass sich bestimmte Smart-Beta-Produkte über bestimmte Phasen hinweg schlechter als der Markt entwickeln. Das passiert, wenn der Investor auf ganz bestimmte Indexmerkmale Wert gelegt hat, die aber zeitweise zu einer relativ schlechteren Entwicklung führen.- Können Smart-Beta-Indizes Verluste verhindern?Smart-Beta-Produkte können so strukturiert werden, dass sie Verluste abfedern. Allerdings ist das im Gegenzug meist mit einer relativen Underperformance bei Aufwärtstrends verbunden. Aber auch Smart-Beta-Produkte können Verluste nicht generell verhindern.- 90 % aller Smart-Beta-Indizes bilden die Aktienmärkte ab. Funktionieren Smart-Beta-Indizes wie beispielsweise die Low-Volatility-Indizes oder auch das Minimum-Variance-Prinzip nur auf den Aktienmärkten oder auch bei anderen Assetklassen?Nein, Smart Beta ist nicht an Anlageklassen gebunden. Die Deutsche Bank zum Beispiel bietet seit einigen Jahren auch Smart-Beta-Produkte im Renten-, Rohstoff- und Kreditbereich an. Auf der Rentenseite zum Beispiel geht es um die Sovereign-Optima-Indizes. Sie wählen, vereinfacht gesagt, die renditestärksten Anleihen in einem bestimmten Markt auf Basis eines angepassten inneren Wertes aus. Auf diese Weise bieten sie eine Überrendite zu traditionellen Benchmarks. Im Rohstoffbereich haben wir lange Erfahrung mit sogenannten Optimum-Yield-Indizes, die so konstruiert sind, dass sie Rollgewinne maximieren und Rollverluste minimieren.- Welche Risiken bestehen bei Smart-Beta-Konzepten allgemein?Im Grunde hat man die gleichen Marktrisiken wie bei klassischen Beta-Produkten. Man versucht ja auch nicht, die Anlageklasse zu ändern, sondern nur, den abbildenden Index zu optimieren.- Sind die Smart-Beta-Indizes wegen der häufigen Adjustierung der Indexmitglieder nicht teurer als die klassischen marktkapitalisierten Indizes?Es kommt sicherlich auf die Verpackung an. Soll das Produkt, das den Smart-Beta-Index abbildet, an der Börse notiert werden, so ist es ein Ucits-Fondsmantel oder ein Mandat. In diesem Fall muss ich Indexlizenzgebühren und vieles mehr bezahlen. Das ist eine Seite, die den Preis bestimmt. Grundsätzlich muss eine Smart-Beta-Strategie nicht teurer sein, aber es hängt sicherlich davon ab, ob die Indexregeln zu einem hohen Umschlag führen, also ob im Produkt gehandelt wird. Sie können also teurer sein als klassische Indextracker.- Hat DB X-Trackers das Thema Smart Beta bisher verschlafen?Ein ganz klares Nein. Neben den bereits genannten Beispielen bieten wir eine Reihe von ETF mit Währungssicherung oder auch gleichgewichteten Indexmitgliedern an. Mit den Credit-ETF haben wir sogar eine ganz neue Anlageklasse entwickelt, um Investoren Zugang zu Creditmärkten zu geben, ohne gleichzeitig ein Zinsrisiko tragen zu müssen. Oder nehmen Sie unseren Inflationsswap-ETF, der an die Markterwartungen bezüglich der Inflationsrate gekoppelt ist. Aber wir sind sicherlich noch lange nicht fertig und wollen unsere Produktpalette weiter ausbauen.- Welche Indexkonstruktionen erscheinen für DB X-Trackers attraktiv?Darauf kann man nur schwer allgemein antworten. Wir versuchen natürlich immer, das Kundeninteresse zu treffen, und das unterliegt auch Änderungen. Im Moment ist wieder mehr Risiko gefragt und damit auch mehr Aktienstrukturen. Aber auch Kreditportfolios sind stark nachgefragt. Es gibt natürlich auch Strategien, die über die vergangenen Jahre durchgehend stark gefragt waren und somit zum Standardangebot zählen. Dazu zählen zum Beispiel Low-Volatility-Indizes und gleichgewichtete Indizes.—-Das Interview führte Armin Schmitz.