Recht und Kapitalmarkt

Sportwetten-Monopol wird kaum zu halten sein

Rad ist nicht zurückzudrehen - Gesetzgeber muss bis Ende nächsten Jahres eine neue Regelung finden

Sportwetten-Monopol wird kaum zu halten sein

Von Juliane Hilf und Barbara Ploeckl *) Rechtzeitig zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft explodiert das Angebot von Sportwetten in Deutschland. Wettbüros sprießen wie Pilze aus dem Boden, immer mehr Wettofferten stehen online zur Verfügung. Die privaten Veranstalter stützen sich meist entweder auf eine im EG-Ausland erteilte Lizenz, oft aus Österreich, Malta, Zypern oder Gibraltar, oder aber auf eine der sogenannten DDR-Lizenzen. Diese wurden kurz vor der Wiedervereinigung 1990 von den Behörden der ehemaligen DDR an wenige Privatpersonen bzw. private Gesellschaften vergeben. Diese privaten Angebote stehen in Konkurrenz zu den staatlichen Wettanbietern, die sich auf das in den meisten Landesgesetzen niedergeschriebene Staatsmonopol berufen. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Monopol, in der Form, die es im Bayerischen Staatslotteriegesetz gefunden hat, im März in einer lang erwarteten Entscheidung für verfassungswidrig erklärt (Entscheidung vom 28. März 2006, Az. 1 BvR 1054/01). So ist es in seiner derzeitigen Ausgestaltung mit den Grundrechten, insbesondere der Berufsfreiheit, unvereinbar, da es allein an fiskalischen Interessen und nicht an den Zielen der Suchtbekämpfung ausgerichtet sei. Allein solche Ziele könnten das Monopol rechtfertigen.Das Gericht hat den Gesetzgeber aufgerufen, bis Ende 2007 entweder das staatliche Monopol so auszugestalten, dass es tatsächlich an den Zielen der Suchtbekämpfung ausgerichtet ist, oder aber den Markt für Private zu öffnen. Für die Übergangszeit, d. h. bis zu einer gesetzlichen Neuregelung spätestens Ende 2007, wurden den staatlichen Sportwettenanbietern strenge Auflagen hinsichtlich Vermarktung, Vertrieb und aktiver Suchtbekämpfung gemacht. In dieser Übergangszeit bleiben die Regelungen des Bayerischen Staatslotteriegesetzes jedoch anwendbar. Rechtlich ungeklärtEine Klärung der Rechtslage haben die Richter aus Karlsruhe nicht erreicht. Sowohl die Verfechter der Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols als auch die Befürworter einer umfassenden Öffnung des Marktes fühlen sich durch das Urteil bestärkt. Dies ist nachvollziehbar, denn einerseits bleiben die bestehenden Regelungen anwendbar, andererseits wurde festgestellt, dass sie gegen Verfassungsrecht verstoßen. Die Ordnungsbehörden mehrerer Bundesländer sind nach Erlass des Urteils in den vergangenen Wochen aktiv gegen – in ihren Augen illegale – Anbieter von Sportwetten vorgegangen oder haben dies zumindest angedroht. Dieses Vorgehen sorgt für Unruhe auf dem Markt. So sagte Bet 3000 den Börsengang ab.Im Ergebnis ist der Erfolg dieser Aktionen jedoch – jedenfalls soweit es sich gegen das Anbieten von Sportwetten auf der Grundlage einer Genehmigung aus dem EG-Ausland oder einer DDR-Genehmigung richtet – keineswegs so selbstverständlich, wie dies Äußerungen der Ministerien der Länder vermuten lassen. Die Rechtslage ist nach wie vor weitgehend ungeklärt. So hat sich das Gericht weder mit der Gültigkeit der DDR-Lizenzen noch mit der Vereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols mit den Vorgaben des Europarechts ausdrücklich befasst.Explizit überlässt das Bundesverfassungsgericht die Beurteilung der Strafbarkeit des Anbietens von Sportwetten den Strafgerichten. Gerichte und Staatsanwaltschaft bewegen sich daher, genauso wie die Ordnungsbehörden, weiter auf rechtlich unsicherem Terrain. Dies gilt für Genehmigungen, die im EG-Ausland erteilt wurden umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht bereits im April 2005 “erhebliche Zweifel” an der Europarechtskonformität des § 284 StGB, der die Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels unter Strafe stellt, geäußert hatte. Diese Zweifel hat das Gericht mit seiner Entscheidung vom 28. März 2006 nicht ausgeräumt. Das Verwaltungsgericht in Hamburg (Beschluss vom 21. April 2006, Az. 16 E 885/06) hat dies nur wenige Wochen nach der Entscheidung aus Karlsruhe umgesetzt und mit ebendieser Begründung den Sofortvollzug einer Untersagungsverfügung gegen einen Betreiber eines Wettbüros gestoppt. Letzte Instanz in dieser Frage ist der Europäische Gerichtshof, der sich in einer Reihe von Urteilen, u. a. in der Entscheidung “Gambelli” vom November 2003, zu den Grenzen der Zulässigkeit staatlicher Sportwettenmonopole geäußert hat. Bei der Europäischen Kommission sind bereits mehrere Beschwerdeverfahren anhängig. Anfang April dieses Jahres leitete sie Vertragsverletzungsverfahren gegen sieben Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, ein und bat auf einer ersten Stufe des Verfahrens um Auskunft zur Konformität des in den betroffenen Mitgliedstaaten bestehenden staatlichen Sportwettenmonopols mit europarechtlichen Vorgaben. Vor Ablauf der dem Gesetzgeber gesetzten Frist zur Neugestaltung der derzeitigen Regelung dürfte mit einer Entscheidung auf europäischer Ebene jedoch nicht zur rechnen sein. Die Entscheidung pro oder kontra Liberalisierung wird dem deutschen Gesetzgeber damit – jedenfalls vorerst – von Europa nicht abgenommen werden. Gesellschaftliche RealitätAuch vor dem Hintergrund der rechtlich unklaren Situation haben sich private Anbieter auf dem deutschen Markt etabliert. Bereits 2004 hatten sie nach einer Statistik der Landesbank Rheinland-Pfalz einen Marktanteil von 74 % erreicht, der seitdem noch deutlich gewachsen sein dürfte. Mit Sportwetten werden in Deutschland derzeit etwa 2,5 Mrd. bis 3 Mrd. Euro pro Jahr umgesetzt. Hier hat sich in den vergangenen Jahren ein Markt herausgebildet, der von weiten Teilen der Bevölkerung gesellschaftlich akzeptiert ist. Hierzu haben in der Vergangenheit sicher auch die staatlichen Wettanbieter ihren Beitrag geleistet. Sie ermöglichten der breiten Öffentlichkeit Zugang zu Wettangeboten – mit großangelegter Werbung wurde darauf aufmerksam gemacht. Dieses Rad dürfte kaum noch zurückzudrehen sein. Das Monopol, das derzeit wohl aufgrund der Besonderheit der deutschen Geschichte eher als Oligopol der staatlichen Wettanbieter und der Inhaber der DDR-Lizenzen bezeichnet werden muss, dürfte unabhängig von jeglicher rechtlicher Beurteilung jedenfalls de facto nur sehr schwer aufrechtzuerhalten sein. Den Vorgaben aus Karlsruhe folgend, müsste das Monopol allein an dem Ziel der Suchtbekämpfung ausgestaltet sein. Der Zugang zum Wettangebot müsste drastisch beschränkt werden; für das Angebot dürfte jedenfalls nicht in demselben Umfang wie bisher geworben werden. Eine Ausweitung des Produktangebots Wetten per SMS oder über das Fernsehen wäre ausgeschlossen. In dieser Form dürften staatliche Anbieter gegenüber anderen, insbesondere den DDR-Lizenz-Inhabern, kaum wettbewerbsfähig sein. Die Gefahr, dass Sinn und Zweck der Aufrechterhaltung des Monopols, die Suchtbekämpfung, unterlaufen würde, ist nicht von der Hand zu weisen. Ein Vergleich mit anderen Ländern, insbesondere mit Österreich und Großbritannien, wo Sportwetten seit langem das gesellschaftliche Bild prägen und als Freizeitbeschäftigung anerkannt sind, zeigt, dass die Zulassung privater Wettveranstalter nicht dazu führen muss, dass Suchtprävention, Jugend- und Verbraucherschutz ins Hintertreffen geraten. Schon heute sehen sich auch in Deutschland private Anbieter in der Verantwortung und stellen Kunden umfangreiche Suchthilfehinweise und -programme zur Verfügung. Gesetzgeber herausgefordertDer Staat steht nun vor der Herausforderung, innerhalb kürzester Zeit einen ordnungsrechtlichen Rahmen zu finden, der unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Realität sowohl den Vorgaben aus Karlsruhe als auch den Anforderungen des Europarechts genügt. Je mehr auch die beteiligten Wirtschaftskreise ihre spezifische Expertise in diesen Entscheidungsprozess einbringen, desto wahrscheinlicher dürfte eine tragfähige Lösung dieser komplexen Aufgabe gefunden werden. Nur dann dürfte die Neuregelung des Wettmarktes dauerhaft Bestand haben können. *) Dr. Juliane Hilf ist Partnerin, Dr. Barbara Ploeckl, LL.M. ist Rechtsanwältin der EPR (Environment, Planning and Regulatory) Gruppe im Kölner Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer.