Recht und Kapitalmarkt

Staat erhält noch mehr Sonderrechte als Investor

Ergänzung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes schwächt Aktionärsrechte - Dem Finanzplatz droht Vertrauensverlust

Staat erhält noch mehr Sonderrechte als Investor

Von Frank Weber *) Am 3. April hat der Bundesrat das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG) verabschiedet. Das Gesetz erweitert das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG), das seit Oktober 2008 ein Instrumentarium bereitstellen soll, um die bestehenden Liquiditätsengpässe im Finanzmarkt zeitnah zu überwinden und die Stabilität des Finanzmarktes zu stärken.Die Diskussion um das FMStErgG kreist dabei nahezu ausschließlich um die Enteignungsregelung im Fall Hypo Real Estate. Dabei wird allerdings übersehen, dass schon das im Eilverfahren verabschiedete FMStG weitreichende Sonderregelungen für staatliche Investitionen im Finanzsektor enthält, die durch das FMStErgG noch erweitert werden sollen. Um möglichst “unbürokratisch und flexibel” handeln zu können, werden – in der Sprache des Gesetzgebers – “die zivil- und gesellschaftsrechtlichen Handlungsoptionen für staatliche Strukturmaßnahmen im Interesse der Finanzmarktstabilität erweitert”. Zum Zwecke der Flexibilisierung staatlichen Handelns werden hierbei wesentliche Ordnungsstrukturen und Grundsätze des Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts verlassen. Verwässerung hinzunehmen Eine Kapitalerhöhung wie auch die Ermächtigung des Vorstands zu deren Durchführung können grundsätzlich nur durch die Aktionäre als Eigentümer einer Gesellschaft beschlossen werden, die auch über den Bezugsrechtsausschluss entscheiden müssen. Im Kern geht es um den Schutz der Aktionäre vor einer Verwässerung ihrer mitgliedschaftlichen Stellung, mithin um den Schutz des Eigentums. Hiervon weicht schon das FMStG ab: Es schafft ein gesetzliches genehmigtes Kapital, ermächtigt den Vorstand, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Grundkapital um bis zu 50 % durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen an den Fonds zu erhöhen und schließt zugleich das Bezugsrecht der Aktionäre aus. Ein Hauptversammlungsbeschluss ist nicht erforderlich, die Aktionäre werden trotz des weitreichenden Eingriffs in ihre Rechte also nicht beteiligt. Zwar ist der Fonds bei der Weiterveräußerung der erworbenen Aktien zur Prüfung verpflichtet, ob ein Erwerb durch diese Aktionäre in Betracht kommt. Es wird jedoch Gründe geben, dies zu verneinen. Gewinnteilhabe begrenztBei Ausnutzung des gesetzlichen genehmigten Kapitals entscheiden Vorstand und Aufsichtsrat auch über den Inhalt der Aktienrechte. Werden mit einem Gewinnvorzug ausgestattete stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben, darf der Gewinnvorzug als marktgerechte Vergütung nach den Vorgaben der europäischen Kommission nicht unter 10 % pro Jahr gemessen am Einlagebetrag liegen. Die Gewinnteilhabe der Aktionäre kann so auf lange Zeit begrenzt oder ausgeschlossen werden. Das FMStErgG zeigt das Bestreben, die Legitimation von Stabilisierungsmaßnahmen durch die Hauptversammlung zu erleichtern. Schon durch das FMStG wurde die Ladungsfrist für Hauptversammlungen auf einen Tag verkürzt. Es darf bezweifelt werden, dass dies eine angemessene Wahrnehmung des Teilnahmerechts ermöglicht. Diese Frist soll nun ebenfalls gelten, wenn eine Kapitalerhöhung auch durch Dritte gezeichnet werden kann oder die Stabilisierungsmaßnahme nur einer unter mehreren Tagesordnungspunkten ist. Zudem ist bei Beschlussfassungen hierzu eine einfache Mehrheit ausreichend. Abweichende Satzungsbestimmungen werden durch das Gesetz schlicht für unanwendbar erklärt. Ausnahmen bei ÜbernahmenBedeutsame Ausnahmen erfährt auch das Übernahmerecht. Die mit dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) eingeführte gesetzliche Verpflichtung des die Kontrolle über ein Unternehmen erlangenden Aktionärs, den übrigen Aktionären den Erwerb ihrer Aktien anzubieten, diente der Verbesserung der Stellung der Minderheitsaktionäre bei Unternehmensübernahmen unter Berücksichtigung internationaler Standards. Abweichend hiervon befreit im Falle der Kontrollerlangung im Zusammenhang mit einer Stabilisierungsmaßnahme die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Fonds bzw. Bund immer von der Verpflichtung zur Abgabe eines solchen Pflichtangebots. Der “normale” Investor hingegen muss auch weiterhin bei Kontrollerwerb ein Pflichtangebot unterbreiten und im Falle des Erwerbs zum Zwecke der Sanierung einen zeitaufwendigen Befreiungsantrag bei der BaFin stellen, die den Einzelfall sorgfältig prüft. Auch die 2008 noch in ihrem Anwendungsbereich erweiterten Regelungen zum “acting in concert” werden im FMStErgG für unanwendbar erklärt: Stimmen Aktionäre einer Zielgesellschaft ihr Verhalten mit dem Fonds oder dem Bund im Sinne der Regelungen zum “acting in concert” ab, führt dies nicht zu der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots. Sollte der Bund im Zusammenhang mit einer Stabilisierungsmaßnahme dennoch ein Angebot zum Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft abgeben, greifen weitere Ausnahmen: Hält er danach mehr als 90 % der Stimmrechte, kann er die Übertragung der restlichen Aktien gegen Zahlung der Gegenleistung verlangen – die sonst für Investoren geltende Schwelle liegt hier bei 95 %. Noch bemerkenswerter ist die Schlechterstellungsregelung zum sogenannten Mindestpreis. Im Rahmen eines Erwerbsangebots nach dem WpÜG muss der Bieter den Aktionären eine angemessene Gegenleistung für ihre Aktien anbieten. Diese muss mindestens dem gewichteten Durchschnittskurs der letzten drei Monate vor Veröffentlichung der Absicht zur Abgabe eines Angebots oder der Kontrollerlangung oder einem etwa innerhalb der letzten sechs Monate durch den Erwerber gezahlten höheren Vorerwerbspreis entsprechen. Demgegenüber ist für das Angebot nach dem FMStErgG ein Durchschnittskurs über einen Zeitraum von lediglich zwei Wochen vor Bekanntgabe oder “Bekanntwerden” zu ermitteln. Sofern allerdings der gewichtete durchschnittliche inländische Börsenkurs während des Zeitraums vom 1. bis 15. Februar 2009 niedriger ist, gilt dieser niedrigere Wert. Ein etwaiger Vorerwerbspreis ist in keinem Fall maßgeblich. Erstaunliche Änderung Beachtenswert ist, dass offensichtlich Bedenken hinsichtlich der Verschwiegenheit der Beteiligten bestehen, da es ein “Bekanntwerden” nach den maßgeblichen Rechtsgrundlagen nicht geben dürfte. Insgesamt erstaunt die Änderung, bedenkt man, wie vehement in der Vergangenheit der angemessene Schutz der Minderheitsaktionäre bei Übernahmen betont wurde. Vorstehende Punkte veranschaulichen, dass unter Berufung auf die Stützung systemrelevanter Institute schon bisher weitgehende Sonderregelungen für staatliche Investitionen im Finanzsektor etabliert wurden, die derzeit noch erweitert werden sollen. Dabei werden teilweise auch erst in jüngster Zeit aus Gründen des Anleger-, Aktionärs- und Verbraucherschutzes eingeführte Regelungen außer Kraft gesetzt. Es entsteht der Eindruck, dass dem Staat der selbst geschaffene “Regelungsdschungel” für eigene Investitionstätigkeiten als zu undurchdringlich erscheint. Es steht zu befürchten, dass die weitreichenden Ausnahmeregelungen das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland und die Verlässlichkeit seiner Institutionen schwächen werden. Zwei-Klassen-RechtEin Staat kann nicht glaubhaft einen stabilen Rechtsrahmen für langfristige Investitionsentscheidungen versprechen, wenn er durch Schaffung eines Zwei-Klassen-Rechts zugunsten staatlicher Investitionen seine eigenen Aktivitäten – seien sie auch krisenbedingt – davon ausnimmt. Soweit es tatsächlich um die Stützung systemrelevanter Institute geht, erscheinen begrenzte Eingriffe zwar begründbar. Allerdings sind auch Maßnahmen denkbar, die ohne derart weitreichende Eingriffe auskommen. Bedenklich werden Maßnahmen auf Basis der Sonderregelungen aber insbesondere dann, wenn sie Institute betreffen, denen keine Systemrelevanz beizumessen ist, die staatliche Investition also zu einer sektorspezifischen Besserstellung des Staates als Investor führt. Selbst wenn derzeit Anlass für staatliche Maßnahmen besteht, sind vor einer Ausweitung die bisher geschaffenen Sonderregelungen in ihrer Gesamtheit kritisch zu hinterfragen. —- *) Dr. Frank Weber ist Partner von Waldeck Rechtsanwälte in Frankfurt.