Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Christian Staps

Staat rückt bei Insolvenzen wieder in die erste Reihe

Bundesregierung will Fiskusvorrecht reaktivieren - "Sanierungsfeindliche" Neuregelung

Staat rückt bei Insolvenzen wieder in die erste Reihe

– Herr Staps, die Bundesregierung will im Rahmen des Sparpakets das 1999 abgeschaffte Fiskusvorrecht wieder einführen. Damit werden Forderungen des Fiskus bei einer Unternehmensinsolvenz wieder bevorrechtigt behandelt. Was sind die Gründe für die Umkehr?Die Bundesregierung will durch die Wiedereinführung des Fiskusvorrechts die öffentliche Hand anderen Gläubigern wirtschaftlich wieder gleichstellen. Die Abschaffung des Vorrechts mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999 hat laut Bundesregierung zu einer erheblichen Privilegierung von Banken geführt.- Sehen Sie das auch so?Diese Begründung ist kaum nachvollziehbar. Ein Vorrecht der öffentlichen Hand bedeutet, dass andere Insolvenzgläubiger nur in den Fällen mit einer Quote auf ihre Forderungen rechnen können, in denen die Ansprüche des Fiskus vollständig befriedigt werden. Reicht also die Insolvenzmasse nicht aus, um Steuerverbindlichkeiten zu erfüllen, gehen die anderen Insolvenzgläubiger leer aus.- Von einer Gleichstellung des Fiskus mit anderen Gläubigern kann bei Einführung eines Vorrechts also keineswegs die Rede sein?Ja, so ist es. Vielmehr werden die anderen Gläubiger dem Fiskus gegenüber benachteiligt. Ein Vorrecht mit dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu begründen, verkehrt die Tatsachen in ihr Gegenteil. Tatsächlich scheint es der Bundesregierung schlicht um die erwarteten Mehreinnahmen von 500 Mill. Euro zu gehen.- Ist denn der Vorwurf der Privilegierung der Banken berechtigt? Wie sieht diese im Detail aus?Banken mögen im Insolvenzverfahren besser stehen als andere Gläubiger. Das liegt aber nicht daran, dass ihnen ein Insolvenzvorrecht zusteht, wie es jetzt dem Fiskus gewährt werden soll. Die Banken lassen sich für ihre Kredite vielmehr vertraglich Sicherheiten einräumen, etwa Grundschulden, die Sicherungsabtretung des Forderungsbestands oder die Sicherungsübereignung eines Warenlagers.- Eine neue Entwicklung?Dies war schon vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahre 1999 der Fall. Sicherheiten haben im Übrigen nicht nur Banken, sondern etwa auch Lieferanten, die unter Eigentumsvorbehalt liefern. Die Anerkennung von Sicherheiten im Insolvenzverfahren ist aber Voraussetzung für eine funktionierende Kreditwirtschaft. Das Fiskusvorrecht hat zur Folge, dass aus dem Erlös des restlichen Vermögens, das keinem Gläubiger als Sicherheit dient, zunächst der Fiskus und erst danach – sofern überhaupt etwas verbleibt – die übrigen Gläubiger an die Reihe kommen.- Leidtragende des Vorrechts sind?Sind deshalb die ungesicherten Gläubiger, häufig also Unternehmen, deren Stellung nicht stark genug ist, um Sicherheiten verlangen zu können.- Die Insolvenzverwalter laufen bereits Sturm gegen die Neuregelung, wo liegt das Problem?Aufgrund des zu erwartenden Ausfalls der einfachen Insolvenzgläubiger befürchtet der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands eine massive Schädigung privater, gesunder Unternehmen, die als ungesicherte Unternehmen in der Insolvenz das Nachsehen haben. Zudem hält man die Regelung für sanierungsfeindlich.- Ist die Meinung berechtigt?Den Insolvenzverwaltern kann hier nur beigepflichtet werden. Zwar ist es wünschenswert, die Steuerausfälle des Fiskus gering zu halten. Selbst wenn das Vorrecht hierzu beiträgt, hat es für die übrigen Gläubiger jedoch gleichzeitig eine verringerte Insolvenzquote zur Folge. Den Insolvenzgläubigern wird somit ein nicht gerechtfertigtes Sonderopfer abverlangt.- Und das ist auch verfassungsrechtlich bedenklich.Ja, richtigerweise müssen die Ausfälle des Fiskus von der Allgemeinheit getragen werden. Völlig zu Recht sieht der Verband der Insolvenzverwalter in der Wiedereinführung des Fiskusvorrechts deshalb einen Rückschritt hinter einen der zentralen Reformgedanken der Insolvenzordnung.- Warum ist das Fiskusvorrecht im Jahr 1999 überhaupt abgeschafft worden?Zum einen sah man im Fiskusvorrecht eine wesentliche Ursache dafür, dass die Ergebnisse der damaligen Konkursverfahren für die Gläubiger immer unbefriedigender wurden. Zudem hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass letztlich jeder Vorrechtskatalog willkürlich ist. Durch eine Erhöhung der durchschnittlichen Quoten der einfachen Insolvenzgläubiger wollte man deren Interesse am Insolvenzverfahren erhöhen. Interessanterweise glaubte man damals, dass sich die Beseitigung des Fiskusvorrechts wegen der Verbesserung der Sanierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren nicht zum Nachteil des Fiskus auswirken werde.- Welche Folge hat die Wiedereinführung des Fiskusvorrechts für die Sanierung von Unternehmen?Die Wiedereinführung des Fiskusvorrechts ist sanierungsfeindlich. So dürfte es künftig noch schwieriger werden, den Fiskus im Rahmen einer Sanierung zu Zugeständnissen zu bewegen, wenn er wegen seines Vorrechts auch im Falle der Liquidation mit einem hohen Erlös rechnen kann. Zu Problemen dürfte es insbesondere bei der Sanierung von Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzplans im eröffneten Insolvenzverfahren kommen. Es fragt sich, ob hier nicht die von Frau Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger angekündigte Insolvenzrechtsreform, die sich gerade eine Stärkung des Insolvenzplanverfahrens zum Ziel gesetzt hat, konterkariert wird. Jedenfalls steht zu befürchten, dass die Möglichkeit einer Sanierung künftig auf öffentlichkeitswirksame Fälle beschränkt bleibt.—-Christian Staps ist Anwalt der internationalen Anwaltssozietät Jones Day. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.