Recht und Kapitalmarkt

Staatsgarantierte Anleihen erobern den Markt

Rechtliche Vorgaben und Fristen bei der Ausgabe zu beachten - Prospekt nicht in jedem Fall entbehrlich

Staatsgarantierte Anleihen erobern den Markt

Von Jochen Seitz*) Am vergangenen Donnerstag schrieb die Commerzbank gleich in zweifacher Hinsicht Geschichte: Nachmittags wurde der Einstieg des Bundes bei dem Finanzinstitut bekannt und bereits am Vormittag hatte die Commerzbank als erstes Geldhaus eine vom Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) garantierte Anleihe ausgegeben. Während sich wohl kaum ein Banker eine direkte Beteiligung des Staates wünschen dürfte, ist das Interesse an den Garantien, die der Soffin aufgrund des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (FMStFG) Unternehmen des Finanzsektors gewähren darf, umso größer. Kein Wunder: Nachdem das Vertrauen in die Banken und der Banken untereinander gegenwärtig als erheblich gestört wahrgenommen wird, ist damit zu rechnen, dass die Mehrzahl der Banken, welche einen Antrag auf Rettungsmaßnahmen gestellt haben, auch staatsgarantierte Anleihen begeben werden. Während im Vereinigten Königreich und in Frankreich bereits im Oktober bzw. November staatlich garantierte Bonds aufgelegt wurden, erfolgte die Umsetzung in Deutschland zunächst verhalten. Nach der erfolgreich durchgeführten Emission der Commerzbank-Anleihe dürften jetzt aber zügig weitere folgen. Dabei sind aber rechtliche Vorgaben und Fristen zu beachten. Geeignete InstrumenteIm Hinblick auf die Auswahl der Schuldtitel bzw. Verbindlichkeiten, für welche der Soffin Garantien geben kann, enthalten das FMStFG sowie die Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (FMStFV) eine zeitliche Beschränkung. So darf eine Garantie nur für solche Finanzinstrumente gewährt werden, deren Emissionszeitpunkt zwischen dem 18. Oktober 2008 und dem 31. Dezember 2009 liegt. Die Laufzeit darf maximal 36 Monate ab dem Ausgabezeitpunkt betragen, so dass Garantien des Soffin spätestens am 31. Dezember 2012 auslaufen.Damit sind sowohl Schuldverschreibungen mit längerer als auch solche mit unbestimmter Laufzeit ausgeschlossen. Zu beachten ist auch, dass die Europäische Kommission die Maßnahmen des Rettungspakets Deutschlands unter dem Vorbehalt genehmigt hat, dass die Maßnahmen zunächst auf sechs Monate begrenzt sind, konkret bis zum 23. April des Jahres 2009.Für die Erteilung von Garantien nach diesem Zeitpunkt ist daher eine erneute Anmeldung an die Europäische Kommission erforderlich. Nicht beeinträchtigt wird hierdurch die Garantielaufzeit von bis zu 36 Monaten. Zu der Frage, welche Typen von Finanzinstrumenten durch den Soffin garantiert werden dürfen, enthalten FMStFG und FMStFV keine Angaben. Denkbar sind daher Garantien für Inhaberschuldverschreibungen in den verschiedenen Ausprägungen, Schuldscheine oder sonstige Darlehensverbindlichkeiten. Ausgestaltung der GarantieZu berücksichtigen ist allerdings, dass nach Sinn und Zweck der Vorschriften des FMStFG die Refinanzierung und die Wiederherstellung des Vertrauens der Marktteilnehmer in die Werthaltigkeit der garantierten Schuldtitel und Verbindlichkeiten im Vordergrund stehen. Daraus kann z.B. geschlossen werden, dass jedenfalls strukturierte Produkte, wie etwa Zertifikate, von einer Garantie nach dem FMStFG nicht profitieren können. Auch nachrangige Verbindlichkeiten können gemäß einer Entscheidung der Europäischen Kommission nicht Gegenstand einer Garantie sein.Die Garantie wird grundsätzlich auf erstes Anfordern in banküblicher Form gestellt. Die Finanzmarktstabilisierungsanstalt, der nach der FMStFV die Verwaltung des Soffin und die Entscheidung über dessen Maßnahmen übertragen wurden, hat mittlerweile eine Mustergarantieerklärung veröffentlicht. Diesem Muster zufolge begründet die Garantie unwiderrufliche, nicht nachrangige und nicht besicherte Verpflichtungen des Soffin, die unabhängig von der Verpflichtung der Emittentin sind. Die Garantie erlischt, wenn die Schuldverschreibungen zurückgezahlt wurden bzw. die Garantie erfüllt wurde oder ein in der Garantieerklärung abgegebenes Verfalldatum erreicht ist. Die Garantie erstreckt sich sowohl auf den Kapitalbetrag als auch auf Zinsen und sonstige im Zusammenhang mit der garantierten Forderung stehende Forderungen der Gläubiger. Folglich kommt eine Inanspruchnahme der Garantie bereits während der Laufzeit in Betracht, wenn etwa die Emittentin Zinsverpflichtungen nicht erfüllt. Nach der Mustergarantieerklärung des Soffin ist die Garantie in Form eines Vertrags zu Gunsten Dritter ausgestaltet, der in Bezug auf die jeweils zu garantierende Schuldverschreibung unter Angabe der Bezeichnung, Fälligkeit und, falls vorhanden, der ISIN der Schuldverschreibung abgeschlossen wird. Dies entspricht der gängigen Praxis bei garantierten Emissionsprogrammen und gewährt Anleihegläubigern einen unmittelbaren Anspruch gegen den Soffin. Gebühren Nach der FMStFV erhält der Soffin eine “marktgerechte” Vergütung für die Garantie. Diese besteht grundsätzlich aus einem individuellen Prozentsatz des Höchstbetrags der zur Verfügung gestellten Garantie, der das Ausfallrisiko abbildet, sowie einer Marge. Im Rahmen der Genehmigung des Rettungspakets durch die Europäische Kommission wurden der Kommission konkrete Zusagen hinsichtlich einer marktgerechten Marge gemacht. Marktgerechte MargeDanach gilt als marktgerecht für Schuldtitel und Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr in der Regel eine Grundprämie von 0,5 %. Bei längerer Laufzeit wird zusätzlich eine Risikoprämie vereinbart, die mindestens dem arithmetischen Mittel des fünfjährigen Credit Default Swap Spread des Finanzinstituts zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. August 2008 entspricht. Unabhängig von der Gebühr im Fall der tatsächlichen Inanspruchnahme der Garantie fällt eine Bereitstellungsprovision an. Die Gebühren beispielsweise im Vereinigten Königreich – dort gesetzlich festgelegt – bewegen sich in einem vergleichbaren Rahmen.Nach dem Wertpapierprospektgesetz bzw. der Prospektrichtlinie sind Wertpapiere, die uneingeschränkt und unwiderruflich von einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums garantiert werden, von der Prospektpflicht befreit. Dies wurde mittlerweile so auch vom Committee of European Securities Regulators (CESR) bestätigt.Die Befreiung von den Anforderungen des Wertpapierprospektgesetzes bzw. der Prospektrichtlinien heißt aber nicht, dass in jedem Fall ein Prospekt entbehrlich wäre. So ist für die Zulassung von staatsgarantierten Anleihen zum regulierten Markt der Luxemburger Wertpapierbörse zumindest ein vereinfachter Prospekt erforderlich. Information MemorandumSollen Schuldverschreibungen nicht nur privat, sondern am internationalen Kapitalmarkt platziert werden und sind wiederholte Emissionen geplant, wird es häufig angebracht sein, ein so genanntes Information Memorandum zu erstellen. Dessen Inhalte sind Gegenstand der Abstimmung mit den an der Emission beteiligten Banken. Im Zweifel ist es etwas kürzer als die gewohnten Basisprospekte für Emissionsprogramme. Aufgrund der staatlichen Garantie ist insbesondere die Emittentenbeschreibung als Grundlage der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung von untergeordneter Bedeutung. Alternativ zu einem Information Memorandum wäre es denkbar, bestehende Emissionsprogramme um die Möglichkeit der Begebung staatsgarantierter Anleihen zu ergänzen, z.B. in Form eines Nachtrags zum Basisprospekt. In diesem Fall wären aber alle Anforderungen des Prospektrechts (inklusive der Prospektverordnung) zu erfüllen. Für alle skizzierten Varianten der Dokumentation finden sich mittlerweile Beispiele von deutschen Banken bzw. sind in Vorbereitung, wobei die eingangs erwähnte Commerzbank-Anleihe gänzlich ohne Prospekt oder Information Memorandum begeben wurde. Eigenkapitalanforderungen Die staatliche Deckung der Garantien führt zu einer entsprechend günstigen Ratingeinstufung. Wie auf der Internetseite des Soffin bekannt gegeben wurde, erreichen Instrumente, die auf Garantien nach dem FMStFG beruhen, sowohl bei Standard & Poor’s als auch bei Moody’s Werte von AAA/A-1+ bzw. Aaa/Prime-1. Für die betreffenden Banken hat das die positive Folge, dass staatsgarantierte Anleihen sich nicht oder nur geringfügig auf die Mindestkapitalanforderungen nach Basel II auswirken. Doch auch für andere potentielle Anleger dürfte das in den günstigen Ratings ausgewiesene minimale Ausfallrisiko von großem Interesse sein. *) Dr. Jochen Seitz ist Partner Capital Markets bei Simmons & Simmons in Frankfurt.