Staatshilfe überlagert die Sicherung von Volksbanken und Sparkassen
Von Paul H. Assies und Marcus Geschwandtner *) Im Anschluss an die Hypo Real Estate haben nun auch die Commerzbank und die HSH Nordbank auf die vom Staat bereitgestellten Stabilisierungsmaßnahmen zurückgegriffen. Für beide Banken wird die neu errichtete Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) Garantien in Höhe von 15 Mrd. bzw. 30 Mrd. Euro bereitstellen. Zusätzlich wird sich der Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) an der Commerzbank mit einer stillen Einlage von 8,2 Mrd. Euro beteiligen. Beide Banken verweisen hierzu auf die hohen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Eigenmittelausstattung, das derzeit schwierige Marktumfeld und die Sicherung ihrer (vorwiegend internationalen) Wettbewerbsfähigkeit.Die Staatshilfe hat einen (hohen) Preis: Überprüfung der Geschäftspolitik und Vergütungssysteme; Begrenzung der Vergütung der Organmitglieder “auf ein angemessenes Maß” (500 000 Euro und weniger pro Jahr); Verzicht auf Abfindungen, Bonifikationen sowie auf jegliche Gewinnausschüttungen an andere Gesellschafter als den FMS; gesonderte Informations- und Prüfungsrechte usw.; Einzelheiten hat die Regierung in der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (FMStFV) festgelegt. WettbewerbsverzerrungenSofern durch die staatlichen Maßnahmen Wettbewerbsverzerrungen zu besorgen sind, soll der Fonds des begünstigten Instituts nach § 5 Abs. 5 FMStFV Bedingungen für die Geschäftstätigkeit auferlegen, um derartige Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Wie das geschehen soll, bleibt – bei aller volkswirtschaftlichen Sinnigkeit des Maßnahmenpakets – nicht ohne Grund offen: Denn das auf die (jetzt “überwiegend wahrscheinliche”, § 19 Abs. 2 InsO n. F.) Fortführung eines schwächelnden Instituts (§ 1 Abs. 2 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz, FMStFG; § 1 Abs. 1b KWG) ausgerichtete Maßnahmenpaket hat bei gleichzeitiger Aushebelung der geltenden Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigung im Verhältnis zu den solide und umsichtig wirtschaftenden Banken (z. B. Volks- und Raiffeisenbanken, kurz VR-Banken, übrige mittelständische Privatbanken) per se eine wettbewerbsverzerrende Wirkung. Das ist unserer auf den Ausleseprozess ausgerichteten Wirtschaftsordnung immanent. Präventive Genossen Insoweit darf auch der selbst geschaffene und (europa-) rechtlich als Substitut für die gesetzliche Anlegerentschädigung anerkannte Institutsschutz durch die Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) bzw. den Haftungsverbund der Sparkassen (für beide gilt § 12 EAEG) nicht vollständig aus dem Blick geraten. Vor allem die VR-Banken unterhalten seit 70 Jahren ein (früher als wettbewerbsfeindlich kritisiertes!) auf den vollen Institutsschutz ausgerichtetes Sondervermögen, das der BVR verwaltet. Vergleichbar dem jetzt errichteten FMS und anders als die gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen nebst dem hierzu subsidiären Sicherungsfonds des BdB handelt es sich bei der BVR-Einrichtung um einen präventiv ausgerichteten Schutzmechanismus, dessen Liquidität und Solvenz die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) seit 1998 beaufsichtigt. Widerspricht die geschäftspolitische Ausrichtung einer VR-Bank genossenschaftlichen oder bankaufsichtsrechtlichen Sorgfaltsgrundsätzen und führt dies ernstlich zu sicherungszweckwidrigen Entwicklungen, dürfen der jeweils zuständige Prüfungsverband oder der BVR abgestufte Präventivmaßnahmen ergreifen. Diese reichen über Gespräche und Gesellschafterversammlungen bis hin zu personellen Forderungen und der Ausarbeitung eines Neustrukturierungs- bzw. Sanierungskonzepts. Davon umfasst sind unter anderem der Abschluss eines Sanierungsvertrags, die Inanspruchnahme des Garantiefonds und -verbunds, Dividendenzahlungen, Zu- und Abstimmungspflichten, Rückzahlungsverpflichtungen oder auch Auflagen.Da aber auch Volks-und Raiffeisenbanken zu den Adressaten des Maßnahmenpakets gehören (§ 2 Abs. 1 FMStFG) scheint ihr eigenes (Rang-) Verhältnis bzw. das des BVR als Träger der verbundeigenen Sicherungseinrichtung zum Finanzmarktstabilisierungsfonds untersuchenswert zu sein. Vergleichbares gilt auch für die Sparkassen. Ferner sind entsprechende Besonderheiten bei einer Überarbeitung der gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen zu berücksichtigen. EinlagenumschichtungenHinzu kommt, dass seit Wochen offenbar – und im Übrigen ein Grundvertrauen in die Funktionstüchtigkeit der Kreditwirtschaft bestätigende – Einlagenumschichtungen weg von den als “too big to fail” behandelten Privat- und Staatsbanken hin zu den VR-Banken, den übrigen mittelständischen Privatbanken sowie den Sparkassen stattfinden. Über die bestehende und von den Banken aus eigener Kraft zur Verfügung gestellte Einlagen- und Institutssicherung hinausreichende staatliche Stützungsmaßnahmen müssen auch aus diesem Grund nachweislich systemimmanente Gründe haben und im Einzelfall ganz konkrete Gefahren für das Finanzsystem abzuwenden helfen.*) Paul H. Assies und Dr. Marcus Geschwandtner sind tätig für CBH Rechtsanwälte in Köln und Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft für Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltverein, Berlin.