Stadas langer Abschied von der Börse
Von Richard Mayer-Uellner *)Vor wenigen Tagen haben die Finanzinvestoren Bain und Cinven ihre Absicht verkündet, die Stada-Aktien von der Börse zu nehmen (sogenanntes Delisting). Kaum eine andere börsennotierte Gesellschaft stand in der jüngsten Zeit so im Fokus der Wirtschafts- und Finanzpresse wie das ehemalige MDax-Unternehmen: Im Jahr 2016 führte der Einstieg des aktivistischen Aktionärs AOC, der aufgrund der schwachen Kursentwicklung eine personelle Erneuerung verlangte, zunächst zum Ausscheiden des langjährigen Vorstandsvorsitzenden. Es folgten eine turbulente Hauptversammlung mit diversen Gegenanträgen und der Abwahl des bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden, ein Bieterwettstreit zwischen mehreren Finanzinvestoren und ein gescheiterter Übernahmeversuch durch Bain und Cinven. Aktivisten am DrückerIn einem weiteren erfolgreichen Übernahmeversuch erwarben Bain und Cinven schließlich rund 65 % an Stada. Allerdings stieg im Zuge dieser Übernahme ein weiterer aktivistischer Aktionär, der US-amerikanische Hedgefonds Elliott Capital, mit rund 15 % bei Stada ein. Durch seine Blockademacht zwang er die Mehrheitseigner, den übrigen Aktionären ein weiteres hohes Abfindungsangebot als Gegenleistung für den Abschluss eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrags zu unterbreiten. Dieses Angebot war jedoch nicht erfolgreich, da sich der Börsenpreis jederzeit oberhalb der gebotenen Abfindung bewegte.Das nunmehr geplante Delisting erfordert ein weiteres Kaufangebot von Bain und Cinven zu einem Preis, der knapp 25 % oberhalb des ursprünglichen Übernahmepreises liegt. Elliott Capital hat sich bereits zur Annahme des Angebots verpflichtet. Es handelt sich um das größte Delisting in Deutschland, seitdem der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den Börsenrückzug wieder deutlich verschärft hat: Im Jahr 2014 hatte der Bundesgerichtshof zunächst die frühere Rechtsprechung aufgehoben, nach der ein Delisting einen Hauptversammlungsbeschluss mit einer Mehrheit von 75 % sowie eine Abfindung an die Minderheitsaktionäre voraussetzte. Erforderlich war lediglich noch ein Vorstandsbeschluss.Diese Gelegenheit zu einem schnellen und günstigen Börsenrückzug nutzte eine Vielzahl von Unternehmen. Die Folge waren massive Kursverluste für die betroffenen Anleger. Der prominenteste Fall war der Börsenrückzug von Kabel Deutschland auf Weisung des Mehrheitsaktionärs Vodafone.Auch im Zuge der Übernahme durch Vodafone war Elliott Capital mit einer maßgeblichen Beteiligung eingestiegen und leitete eine gerichtliche Überprüfung des von Vodafone gebotenen Übernahmepreises ein, um einen höheren Preis zu erzwingen. Darüber hinaus beantragte Elliott eine aktienrechtliche Sonderprüfung, mit der das Verhalten des Vorstands von Kabel Deutschland im Zusammenhang mit der Überprüfung der Angemessenheit des von Vodafone gebotenen Übernahmepreises untersucht wird. Dabei behauptet Elliott, der Vorstand habe den Aktionären die Annahme des Angebots aufgrund eines zu niedrigen Kaufpreises empfohlen.Vor drei Jahren hat der Gesetzgeber schließlich auf die Flut von Börsenabgängen reagiert und verlangt seitdem wieder eine Kaufofferte an die Minderheitsaktionäre.Aus Sicht von Bain und Cinven dürfte das Delisting nur die zweitbeste Lösung sein: Noch besser wäre ein vollständiger Ausschluss der Minderheitsaktionäre (sogenannter Squeeze-out), da Bain und Cinven dann keinerlei Rücksicht auf die Minderheitsaktionäre mehr nehmen müssten und sämtliche Gewinne einstreichen könnten. Ein Squeeze-out erfordert jedoch unter anderem eine Beteiligungshöhe von mindestens 90 %. Nach dem Delisting bleiben diejenigen Minderheitsaktionäre, die das Angebot nicht angenommen haben, dagegen an Stada beteiligt und behalten ihre bisherigen Aktionärsrechte.Das Delisting könnte daher vor allem den Zweck haben, so viele Minderheitsaktionäre zum Verkauf zu motivieren, dass die Beteiligungshöhe von 90 % doch noch erreicht wird. Als weiterer Schritt könnte dann der Squeeze-out durchgeführt werden. Zwar lassen sich möglicherweise viele Aktionäre aus Sorge vor dem Fortfall der Börsennotierung zum Verkauf bewegen.Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Stada-Aktien – ohne Mitwirkung von Stada selbst – im niedriger regulierten Freiverkehr gelistet bleiben, so dass die Aktionäre auch nach dem Delisting ihre Aktien über einen offenen Markt verkaufen können. So sind die Aktien von Kabel Deutschland ebenfalls bis heute im Freiverkehr gelistet.Da der Squeeze-out ein weiteres Abfindungsangebot erfordert, könnten zudem viele Aktionäre ihre Aktien in der Hoffnung behalten, dass Bain und Cinven einen weiteren Nachschlag gewähren müssen. In jedem Fall erreichen Bain und Cinven durch das Delisting aber eine erhebliche Reduzierung der mit einer Börsennotierung verbundenen Verwaltungskosten.—-*) Dr. Richard Mayer-Uellner ist Partner von CMS Deutschland im Kölner Büro der Kanzlei.