Stadtanleihen als kommunale Geldquellen
Die aktuelle Finanzkrise ist auch an Städten und Kommunen nicht spurlos vorbeigegangen. So wirkt sich die Verschlechterung der Finanzierungsmöglichkeiten negativ auf die Finanzen von Städten und Gemeinden aus. Mit Stadtanleihen, Bürgerkrediten und auch Schmuckanleihen haben die Kommunen daher Alternativen zum klassischen Bankkredit gefunden.Von Armin Schmitz, FrankfurtNach Angaben des deutschen Städtetages haben ein Rückgang der Einnahmen von jeweils 10 % in den vergangenen beiden Jahren sowie steigende Ausgaben im Sozial- und Gesundheitsbereich die Kassen der Kommunen und Städte stark belastet. Die Verschuldung der Haushalte steigt vielerorts deutlich an. Gewöhnlich besorgen sich die Kommunen Geld vor allem über Schuldscheine, die direkt bei Investoren platziert werden.Doch dieser Weg hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Die klammen Kassen machen die Kommunen aber erfinderisch, um Alternativen zu den klassischen Bankkrediten zu finden. Recht erfolgreich war die Stadt Quickborn in Schleswig-Holstein, die sich für kommunale Projekte 2009 durch einen sogenannten Bürgerkredit 4 Mill. Euro bei ihren Einwohnern verschaffte. Rund 80 Bürger beteiligten sich an der Aktion. Ihre Investition wurde mit 3 % verzinst, was nachAngaben von Experten damals rund 1 Prozentpunkt günstiger war als ein reiner Kommunalkredit. Mit den Mitteln wurden beispielsweise ein Erweiterungsneubau an einer bestehenden Schule und ein Erweiterungsbau für die Feuerwehrwache finanziert. Der Erfolg der Stadt Quickborn animierte auch andere Städte, ein Bürgerdarlehen zu starten. So hat die niederrheinische Stadt Willich Anfang des Jahres ein Bürgerdarlehen gestartet.Für Beobachter ist die große Resonanz der Bevölkerung dadurch zu erklären, dass der Bürgerkredit nicht für abstrakte städtische Vorhaben war, sondern für klare und für jeden Bürger sichtbare Projekte eingesetzt wurde.Einen anderen Weg, wie ihn vorallem US-Kommunen seit Jahrzehnten einschlagen, wählte die Stadt Essen im vergangenen Jahr. Sie ging mit der Ausgabe einer Anleihe den klassischen Weg über den Anleihemarkt. Sie emittierte eine Anleihe (DE000A1C9269) mit einem Volumen von 200 Mill. Euro, einem Kupon von 2,625 % und einer Laufzeit von fünf Jahren.Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover hat vor wenigen Monaten eine bis 2019 laufende Anleihe von bisher 180 Mill. Euro um weitere 75 Mill. Euro aufgestockt (siehe Börsen-Zeitung vom 31. August). Der Kupon der Anleihe beläuft sich auf 3,645 %. Hier griffen in erster Linie institutionelle Anleger zu.Aktuell stehen am deutschen Anleihenmarkt nur die Bonds der beiden Städte Essen und Hannover aus. Aber Experten rechnen damit, dass diese Emissionen zunehmen werden, da Kommunen auf der Suche nach neuen Refinanzierungsformen sind. Diese Anleihen haben einen zusätzlichen Vorteil. Da die Insolvenz von Kommunen entsprechend dem deutschem Insolvenzrecht ausgeschlossen ist und der vertikale Finanzausgleich die Liquidität der Gemeinden sichert (Quelle: HSH Nordbank), werden Kommunen als erstklassige Schuldner bewertet. Alter BrauchNeu ist die Idee, sich Kapital über Bonds bei den Bürgern zu beschaffen, allerdings nicht. Seit Jahrhunderten borgen sich Städte Geld bei ihren Bewohnern. Einer der frühesten erhalten gebliebenen Belege in Deutschland ist die Schuldverschreibung von Hamburg aus dem Jahr 1788 über 170 5/6 Reichsthaler (siehe Abbildung). Dabei handelt es sich um eine sehr aufwendig gestaltete Urkunde mit einem Stadtsiegel anhängend. Das Dokument zeigt, dass sich im Unterschied zur heutigen Praxis die Städte nur bei wenigen solventen Bürgern Geld liehen.Die Ausgabe von Stadtanleihen nahm dann rapide Anfang des vorigen Jahrhunderts zu. Der Höhepunkt lag dann während der Inflationszeit zwischen 1914 und 1923, in der der Finanzbedarf der Städte sehr groß war. Viele dieser Anleihen wurden allerdings nicht mehr zurückgezahlt, weil die Städte kein Geld mehr hatten.Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entdeckten Städte dann die Möglichkeit, die Bürger über die Ausgabe von sogenannten Schmuckanleihen an der Finanzierung städtischer Projekte zu beteiligen. So ist Hamburg als eine der ersten deutschen Städte 1989 auf die Idee gekommen, anlässlich des 800-jährigen Hafenjubiläums eine 7-prozentige Staatsanleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren herauszubringen. Auf dem Mantel ist der Hamburger Hafen mit Schiffen dargestellt, die zehn Zinsscheine sind mit historischen Motiven der Schifffahrt gestaltet. Dem Beispiel Hamburgs sind auch andere Städte in unregelmäßigen Abständen gefolgt.1993 gab die Stadt Leipzig als erste ostdeutsche Stadt seit der Wiedervereinigung eine zehnjährige Anleihe heraus, deren Mantel und Zinskupons mit Bildern berühmter Gebäude der Stadt verziert sind. Zwei Jahre später lieh sich die Stadt München mit zwei Varianten einer Anleihe-Emission Geld von Investoren und Bürgern. Eine Tranche einer 6,625-Prozent-Anleihe mit zehnjähriger Laufzeit über ein Volumen von 400 Mill. DM platzierte sie für größere institutionelle Anleger. Als zweite Tranche bot sie ihren Bürgern eine Schmuckanleihe über ein Volumen von 100 Mill. DM. Das Papier war mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einem Nominalzins von 6,50 % ausgestattet. Der Mantel der Anleihe und die Zinskupons sind mit Bildern von Künstlern wie Franz Marc, Wassily Kandinsky oder August Macke verziert.Da die Anleihe attraktiv gestaltet war, wurde sie als Geschenk weitergereicht oder diente als Wanddekoration. Viele dieser Papiere gaben die Besitzer dann am Ende der Laufzeit auch nicht mehr zurück. Nicht nur die Städte, sondern auch die Finanzinstitute von Städten nutzen die Attraktivität von Schmuckanleihen mit Szenen aus der Heimat oder Abbildungen von berühmten Söhnen oder Töchtern der Stadt, um die Bürger anzusprechen. So hat die Sparkasse Nürnberg zu ihrem 175. Geburtstag eine Anleihe mit einem Albrecht-Dürer-Selbstbildnisses von 1498 aufgelegt. Der Kuponbogen ist mit elf verschiedenen Radierungen, Zeichnungen und Bildern von Dürer versehen. Beteiligung der BürgerDie Schmuckanleihen sind für die Städte eine direkte Form, um Bürger an der Verwirklichung von städtischen Projekten zu beteiligen. Diese Papiere werfen zwar überdurchschnittliche Zinsen ab. Der Anleger sollte allerdings bedenken, dass es keine Börsennotiz gibt, sodass keine Handelbarkeit des Bonds gegeben ist wie bei einer Bundesanleihe. Der Anleger entscheidet sich mit dem Kauf der Anleihe für ein Investment bis zum Ende der Laufzeit.