Recht und Kapitalmarkt

Starker Verbriefungsmarkt - ein Weg aus der Finanzkrise

Nicht das mit Subprime verrufene Instrument, die unkontrollierte Nutzung ist negativ - Liquider Primär- und Sekundärmarkt fehlt noch

Starker Verbriefungsmarkt - ein Weg aus der Finanzkrise

Von Michael Weller *)Durch den Ruf, Mitverursacher der Finanzkrise gewesen zu sein, ist der Verbriefungsmarkt zeitweise zum Erliegen gekommen. Nun bilden sich Allianzen für seine Rehabilitation – und das mit Recht. Durch Verbriefungstransaktionen werden illiquide, nicht handelbare Zahlungsansprüche (z. B. Kredit- oder Handelsforderungen) in handelbare Wertpapiere (Asset Backed Securities, ABS) verwandelt. Dabei wird das Ausfallrisiko des verbrieften Portfolios in unterschiedliche Risikoklassen aufgeteilt (tranchiert). Dem Verkäufer fließt als Erlös Liquidität zu. Das Ausfallrisiko wird auf die Käufer der ABS-Papiere übertragen, die so risikogestaffelte Verzinsung erhalten.Denkt man an Verbriefung, so denkt man zuerst an die Banken. Banken sind vielfältig involviert; sie treten selbst als Verkäufer von (Kredit-)Forderungen auf, auch als Arrangeure für Unternehmen, die Forderungen verkaufen, und nicht zuletzt als Investoren in ABS. Hauptsächlich aber nehmen Banken durch die Platzierung von Kreditportfolien am Verbriefungsmarkt teil. Damit erreichen sie einen Risikotransfer auf die Kapitalmärkte. Mit der verringerten Risikoposition der Bank wird ökonomisches und regulatorisches Eigenkapital frei, das die Bank für Neukreditvergabe oder andere Geschäfte nutzen kann. Das trägt zur Vermeidung einer “Kreditklemme” bei. Diversifikation nutzt BankenDie Tranchierung der verbrieften Portfolien in verschiedene Risikoklassen schafft darüber hinaus die Möglichkeit einer besseren Diversifizierung des Gesamtkreditportfolios der Bank. Durch den gezielten Verkauf und Zukauf von Tranchen bestimmter Risikoklassen kann das Gesamtrisiko gesteuert und Risikokonzentration vermieden werden. Bei True-Sale-Verbriefungen profitiert die Bank darüber hinaus auch noch von der Liquidität in Form des Verkaufserlöses für das Portfolio.Die Verbriefung ist jedoch nicht nur ein Instrument für Banken, auch für Unternehmen ist sie ein Mittel zur Finanzierung. Unternehmen bietet Verbriefung die Möglichkeit, ihre Forderungen (z. B. aus Lieferungen und Leistungen) zu verbriefen und sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Dieses Finanzierungselement reduziert die traditionell starke Abhängigkeit der Unternehmen vom Kredit. Selbst in Situationen, in denen ein Kredit nur schwer zu erlangen ist, ist eine Verbriefung grundsätzlich möglich. So können sogar Forderungen eines insolventen Unternehmens verbrieft werden. Denn bei einer Verbriefung kommt es letztlich auf die Bonität der Schuldner des Portfolios und nicht auf die des verkaufenden Unternehmens an. Unternehmen profitierenZum anderen profitieren Unternehmen auch mittelbar von der Verbriefung ihrer Kredite. Die günstige Wirkung auf das Eigenkapital ermöglicht den Banken die Ausweitung ihres Kreditangebots, was zur größeren Produktvielfalt und zu besseren Konditionen zugunsten der Unternehmen führen kann. Insbesondere der Mittelstand profitiert von beiden beschriebenen Varianten. Doch für Konzerne wie BMW, VW und Ford wurden erst kürzlich ABS-Papiere platziert.Die Ursachen der Finanzmarktkrise werden vielfältig diskutiert. Es stellt sich dabei die Frage, welche Mitschuld Verbriefungstransaktionen trifft. Klar dürfte sein, dass ein System von falsch gesetzten Anreizen maßgebend zum Entstehen der Krise beitrug. Im Rahmen von Subprime-Verbriefungen haben US-Kreditgeber Hypothekenforderungen auf amerikanische Eigenheime verbrieft. Die zugrunde liegenden Forderungen wurden (erfolgsabhängig) von Maklern für (Investment-)Institute originiert, die selbst nur teilweise der Bankenaufsicht unterlagen (Shadow Banks). Der Kreditgeber plante von vornherein die Weiterveräußerung des Risikos (Originate-and-distribute-Modell). Das führte im Ergebnis zur Vernachlässigung der banküblichen Sorgfalt bei der Kreditvergabe. Gekauft wurden diese Papiere seitens der Investoren im (blinden) Vertrauen auf die Ratingagenturen oft ohne die gebotene eigene Bewertung. So wundert es nicht, dass der momentane Ausfall bei US-Subprime-Verbriefungen mit 30 bis 35 % angegeben wird und dass 50 % der verbrieften Tranchen mittlerweile stark durch Ratingagenturen herabgestuft wurden.Diese Ergebnisse dürfen jedoch nicht undifferenziert auf andere Verbriefungsmärkte übertragen werden: So gibt zum Beispiel die KfW an, dass die über ihre Verbriefungsplattformen (Promise und Provide) vorgenommenen Transaktionen, denen granulare Kreditportfolien zugrunde liegen (wie private Wohnungsbaukredite, Konsumenten- und Leasingforderungen oder Mittelstandskredite) und die aus dem Bestandsgeschäft der Banken stammen, einen Verlust von aktuell nur rund 0,1 % des verbrieften Kreditvolumens aufweisen. Gleichzeitig hielten 90 % der Tranchen ihr Rating stabil. Nach Angaben der TSI weisen die TSI-zertifizierten Transaktionen eine ähnliche Entwicklung auf: Die TSI beziffert die kumulierten Verluste auf 0,19 bis 0,73 %, die im vierten Quartal aufgetretenen Zahlungsrückstände auf 0,73 bis 2,2 %. Dies belegt, dass die deutschen Pools offensichtlich nicht mit toxischen Assets gefüllt sind. Vielmehr sind es solide Produkte. Zockerei ist das nichtDiese Zahlen zeigen, dass ein funktionierender, solider Verbriefungsmarkt wie in Deutschland einen Mehrwert für die Gesamtwirtschaft darstellt. “Zockerei” ist es nicht. Denn für die Verbriefung von Kreditportfolien sprechen gute Gründe. Sie führt zu einer erleichterten Kreditvergabe durch Banken. Die Risikotragfähigkeit des Systems wird verbessert, da Risiken marktmäßig gepreist und besser gesteuert werden können und nicht lediglich von Banken allein getragen werden. Darüber hinaus ermöglicht die Verbriefung den direkten und einfachen Zugang von Investoren zum deutschen Mittelstand, sodass, wie angesichts der diskutierten “Kreditklemme” dringend gewünscht, eine zusätzliche Möglichkeit zur Refinanzierung der Unternehmen durch den Kapitalmarkt eröffnet wird.Folglich ist nicht das Instrument Verbriefung an sich schlecht, sondern seine unkontrollierte Nutzung. Um wirksamer gegen eine unkontrollierte Nutzung vorgehen zu können, wird an einer Regulierung der Verbriefungsmärkte gearbeitet. Zur Setzung eines verbindlichen Qualitätsstandards beabsichtigt die EU, mit der Capital Requirement Directive (CRD) Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens und der Verringerung der Informationsasymmetrie zu treffen. Vor allem das für die Subprime-Krise wohl mit ursächliche Originate-and-distribute-Modell sowie Wiederverbriefungen sollen streng reguliert werden. Dabei sind Maßnahmen wie ein Risikorückbehalt und die Zurverfügungstellung von umfassenden Informationen in Bezug auf das verbriefte Portfolio durch den Originator vorgesehen. Beaufsichtigte Investoren werden unter anderem verpflichtet, sich ein umfassendes Bild über die mit dem Investment verbundenen Risiken zu machen. Darüber hinaus sind verschärfte Vorschriften zur Wiederverbriefung vorgesehen. Wenngleich die geplante Umsetzung dieser Maßnahmen, die sich gegenwärtig noch im Entwurfsstadium befinden, in deutsches Recht vor allem durch Änderungen im Kreditwesengesetz (KWG) zum Teil noch der Verfeinerung bedarf (genannt seien hier nur exemplarisch das Bedürfnis der Präzisierung einiger Formulierungen des geplanten neuen § 18a KWG sowie der Komplex ABCP-Programme und Wiederverbriefung), so sind sie doch zu begrüßen, da sie als vertrauensbildende Maßnahmen geeignet sind. Ganz abgesehen davon, dass der deutsche Verbriefungsmarkt schon heute weitgehend den geplanten Maßnahmen entspricht. Im Übrigen ist die TSI aktiv an der Diskussion beteiligt.Die Vorteile der Verbriefung können jedoch nur dann in vollem Umfang zum Tragen kommen, wenn ein liquider Primär- und Sekundärmarkt vorhanden ist. Derzeit kann davon noch nicht gesprochen werden. Deshalb ist zu wünschen, dass es bald eine Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts gibt. Weil sie die Wichtigkeit dieses Instruments für eine wirtschaftliche Erholung kennen, arbeiten die Europäische Zentralbank und die Politik gemeinsam an geeigneten Maßnahmen.—-*) Dr. Michael Weller, Partner im Büro Frankfurt von Clifford Chance.