Finanzen persönlich

Startschuss für Kostentransparenz beim Versicherungsabschluss

Am 1. Juli 2008 endet die Übergangsfrist des neuen Versicherungsvertragsgesetzes - Informationspflichtenverordnung bringt Berge von Papier

Startschuss für Kostentransparenz beim Versicherungsabschluss

Von Oskar H. Metzger Die Verbraucherverbände haben gejubelt, und die Versicherungsbranche hat gejammert. Doch ganz so gut oder schlimm wie erwartet ist das neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG) nicht geworden. Jedenfalls können beide mit der neuen Informationspflichtenverordnung, die am 1. Januar 2008 mit Übergangsfrist zum 1. Juli 2008 in Kraft getreten ist, ganz gut leben. Wechsel zum AntragsmodellFür die Versicherungsbranche revolutionär ist der Wechsel vom sogenannten Policen- zum Antragsmodell. Beim alten Policenmodell bekam der Versicherungsnehmer den Großteil der Informationen erst mit Übersendung der Police. Beim neuen Antragsmodell händigt der Vermittler vor Unterzeichnung des Antrags dem Kunden die vollständigen Vertragsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Versicherungsbedingungen und aller Verbraucherinformationen aus. Die Kunden erhalten also künftig sehr viele gebündelte Informationen und damit auch eine große Papiermenge. Viele Versicherer jammern bereits über Datenmüll. Angeblich braucht jeder Versicherungsvermittler künftig seinen eigenen Kleintransporter, um alle Informationsunterlagen beim Kundentermin vorrätig zu haben. In den nächsten Wochen beginnt die Eingewöhnungsphase. Die Fehlerquote dürfte deshalb am Anfang hoch sein. Doch die neue Transparenz ist ein klarer Nutzen für den Verbraucher. Es ist auch ein Vorteil, dass sich leistungsstarke Versicherer dadurch besser vom Wettbewerb abgrenzen können – z. B. durch die Hervorhebung von Stärken in den Produktinformationsblättern. Markt wird bereinigtDurch die neue Informationspflichtenverordnung wird es zu einer Bereinigung des Vermittlermarktes kommen. Die Vermittler müssen weg vom Produktdenken und hin zur Analyse des Kundenbedarfs. Zu ihren Beratungspflichten gehören im Wesentlichen folgende Elemente: Offenlegung der Beratungsgrundlage durch Übergabe einer sogenannten Visitenkarte Befragung nach Wünschen und BedürfnissenAnalyse der bestehenden SituationEmpfehlung einer konkreten Lösung in einem angemessenen Verhältnis zwischen Beratungsaufwand und Prämie Begründung des BeratungsergebnissesÜbergabe eines Beratungsprotokolls vor Abschluss des Vertrags.In der Versicherungsbranche läuft deshalb seit Monaten ein großes Schulungsprogramm. Damit stehen viele gut informierte Außendienstler den weitgehend unvorbereiteten Konsumenten gegenüber. Das kann schnell zu einer Überforderung der Verbraucher führen. Schulungsinhalt ist geheimZwar ist der Inhalt der Schulungen meist geheim. Doch Insider verraten, welche neuen Chancen sie durch die VVG-Reform für die Außendienstler sehen. Da die momentane und die zukünftige Situation Gegenstand der Beratung sind, erhalten die Vermittler nämlich mehr Einblick in die Lebenspläne ihres Kunden. Dadurch ergeben sich auch neue Geschäftschancen. Zudem erhalten die Vermittler mehr Termine beim Kunden, weil sie wegen der gesetzlichen Beratungspflicht über die gesamte Laufzeit auf veränderte Situationen und Bedarfslagen hinzuweisen haben. Viele Versicherungsvertreter fürchten sich davor, dass sie künftig ihre Kosten offen ausweisen müssen. Dadurch muss der Versicherungsaußendienst künftig nicht nur seine Produkte, sondern auch seine Beratungsleistung “verkaufen”. Der offene Ausweis der Kosten von vielleicht 2 000 Euro oder 3 000 Euro bei Lebensversicherungen tut den Vermittlern jedoch weh. Viele sinnen bereits auf Abhilfe. Deshalb befürchten Verbraucherschützer, dass die Versicherer wieder zu einem traditionellen Trick greifen. Schon bei der Riester-Rente torpedierten sie die gesetzlich verordnete Offenheit mit komplizierten Kostensätzen so gründlich, dass selbst Experten nicht mehr durchblickten. Aber darauf wird die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Auge werfen. Denn die Ausgestaltung des Produktinformationsblattes ist nach Beobachtung des BaFin-Sprechers Peter Abrahams bei einigen Versicherungen noch unklar. Zwar sind die Versicherteninformationen der Unternehmen bei der Aufsichtsbehörde nicht vorlagepflichtig. Die BaFin erfährt jedoch bei örtlichen Prüfungen und Beschwerden von möglichen Problemen. Kritik vom GDVVom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wird die vorgeschriebene Angabe der Abschlusskosten in absoluten Euro- und Cent-Beträgen heftig kritisiert. Eine Fehlorientierung der Kunden ist nämlich nach seiner Meinung dadurch zu befürchten, dass in Beratungsgesprächen eine Konzentration auf Kostenangaben die Frage des richtigen Versicherungsbedarfs und des Leistungsprofils der Produkte in den Hintergrund schiebt. Schließlich sind nach Branchenmeinung auch Missverständnisse programmiert, wenn die einkalkulierten Abschlusskosten mit der Provision verwechselt werden, die der einzelne Versicherungsvermittler erhält. Ein dadurch provoziertes Provisionsgeschacher gefährde, wie Erfahrungen in Großbritannien zeigten, die Finanzierbarkeit der Beratungsangebote besonders für Kleinverträge. Auf der anderen Seite machen die Kostenangaben, wie preiswerte Anbieter betonen, die günstig arbeitenden Versicherungsgesellschaften erkennbar. Viel ZündstoffDass die Offenlegung der Kosten Zündstoff bergen kann, erwartet Lilo Blunck, die Vorstandsvorsitzende des Bundes der Versicherten (BdV). Doch Verbraucher haben nach ihrer Auffassung ein Recht auf umfassende und verständliche Information. Nur dann sind sie in der Lage, eine aktive Rolle im Marktgeschehen zu spielen. Die neue Informationspflichtenverordnung regelt, welche Informationen die Versicherer ihren Kunden vor Abschluss und während der Vertragslaufzeit zukommen lassen müssen. Die wichtigste und für Verbraucher sichtbarste Neuerung aber ist das Produktinformationsblatt. Es muss neun Informationen enthalten: von der Art des Vertrages über die Höhe und Fälligkeit der Versicherungsbeiträge bis hin zu Leistungsausschlüssen. Der ehemalige Ombudsmann Wolfgang Römer, der vor gut sechs Jahren die neu eingerichtete Schlichtungsstelle der Assekuranz übernommen hatte, spart auch nach seinem Ausscheiden nicht mit Kritik am Datenmüll. Der Verbraucher habe bei 30 bis 80 bedruckten Seiten wenig Neigung zum Studium. In einer “Welt der bunten Bilder” und einer Kommunikation in einfachem Werbedeutsch sei niemand mehr bereit, Drucksachen dieser Art zu studieren. Bei den Beipackzetteln, wie Römer die ab 1. Juli 2008 obligatorischen Produktinformationsblätter der Versicherungen nennt, sei teilweise noch nicht erkannt worden, was der Volksmund schon lange wisse. Dass nämlich in der Kürze auch die Würze liegt. Römer soll helfenDeshalb haben einige Versicherer den Ex-Ombudsmann Wolfgang Römer bei ihren Produktinformationsblättern bereits um Mitkorrektur gebeten. Als Richtschnur gegen Datenmüll und für eine verständliche Information hat er folgenden Katalog formuliert: Ein Blatt reicht, zehn Punkte genügen, juristisches Deutsch vermeiden, Kundeninteressen stehen im Mittelpunkt und die optische Aufmachung muss ansprechend sein. Damit das Urteil nicht lautet: “Wer über alles informiert, informiert über nichts!”