Asset Management - Gastbeitrag

Steuer im Schwebezustand

Börsen-Zeitung, 22.4.2008 In den letzten Wochen häuften sich die schlechten Nachrichten für Fondsanbieter und Fondsanleger. So wurde darüber spekuliert, der Fiskus wolle das "Steuerschlupfloch" Dachfonds schließen und eine Sonderregelung für...

Steuer im Schwebezustand

In den letzten Wochen häuften sich die schlechten Nachrichten für Fondsanbieter und Fondsanleger. So wurde darüber spekuliert, der Fiskus wolle das “Steuerschlupfloch” Dachfonds schließen und eine Sonderregelung für Zertifikatefonds schaffen. Tatsächlich wurde bislang noch kein Gesetzesentwurf veröffentlicht. Der aktuelle Schwebezustand bietet Gelegenheit, die betroffenen Fragen kurz zu beleuchten. Ein wesentlicher Aspekt der Abgeltungsteuer ist der Wegfall der Steuerfreiheit für bestimmte Veräußerungsgewinne nach Ablauf der Spekulationsfrist. Bereits in den Entwürfen zur Abgeltungsteuer war eine Übergangsregelung vorgesehen, die sinngemäß besagte, dass erst ab 2009 erworbene Wirtschaftsgüter betroffen seien. Das bedeutet, dass vor 2009 erworbene Wirtschaftsgüter beispielsweise im Jahr 2015 steuerfrei veräußert werden können. Typisches Beispiel sind private Aktieninvestments. Ausweichen bei ZertifikatenDie weite Formulierung des Bestandsschutzes rief umgehend Anbieter mit Zertifikatslösungen auf den Plan, um zukünftige Erträge im Gewand von Veräußerungsgewinnen steuerfrei realisieren zu können. Betroffen hiervon waren im Wesentlichen Erträge, die ohne Zertifikatsmantel steuerpflichtig gewesen wären. Die Gestaltung war keineswegs neu. Bislang waren die Steuerausfälle aber offenbar nicht so erheblich, dass der Gesetzgeber sich zum Handeln aufgefordert fühlte. Das änderte sich 2007, und der Gesetzgeber modifizierte den Bestandsschutz für Zertifikate. Ein bloßes Umverpacken von Erträgen durch Zertifikate funktioniert seitdem nicht mehr. Dies vorausgeschickt, könnte eine Sonderregelung für Zertifikatefonds konsequent sein, um ein Ausweichen auf Zertifikate im Fonds zu verhindern. Eine solche Änderung wäre im Übrigen auch systemgerecht. Sie würde die generelle Steuerpflicht auf Veräußerungsgewinne ab 2009 im Falle der Direktanlage für die Fälle der Fondsanlage nachzeichnen – ein gesetzgeberischer Schritt, der bislang noch unterblieben ist und in Verbindung mit der Bestandsschutzregelung zu einer Steuerfreiheit auch für z. B. synthetisierte Zinsgewinne führen kann. Anders ist das Bild bei klassischen Fonds. Von dem weit formulierten Bestandsschutz sind – nach wie vor – auch Fondsanteile erfasst. Thesaurierte Aktienkursgewinne werden – anders als zum Beispiel Zinsen – nicht laufend besteuert. Die sog. Transparenz des Fonds ist insoweit eingeschränkt. Das gilt übrigens auch nach 2008 weiter und hat nichts mit dem einkommensteuergesetzlichen Bestandsschutz zu tun. Über die Veräußerung der Fondshülle kann der Anleger diese Kursgewinne sodann steuerfrei einnehmen. Der Bestandsschutz für Altanteile wirkt also auf Ebene der Veräußerung der Fondshülle. Umgekehrt, wenn der Fondsanteil nach 2008 erworben wird, sind die thesaurierten Wertsteigerungen für den Anleger insgesamt steuerverhaftet. Ausnahmsweise können auch nach 2008 erworbene Aktienfonds steuerfreie Kursgewinne vermitteln, wenn die Erträge ausgeschüttet werden und so weit der Fonds die Wertpapiere vor 2009 erworben hat. Damit will der Gesetzgeber eine angemessene Übergangsfrist installieren.Eine interessante Ausprägung dieser Thematik waren die luxemburgischen Spezialfonds (Spezialised Investment Funds, SIF). Im Kern wurde die private Portfolioeigenverwaltung in eine Fondshülle gekleidet. Während die direkte private Aktienverwaltung mit ab 2009 erworbenen Papieren steuerverhaftet sein wird, kann die Anlage über einen SIF von der vorstehenden Begünstigung profitieren. Nach zahlreichen Presseberichten hat der Gesetzgeber den Stichtag für den Bestandsschutz vorverlegt. Die Frage, warum das letztlich selbst verwaltete Portfolio im Unterschied zum fremdverwalteten (z. B. Publikums-Aktienfonds) weniger bestandsschutzwürdig sein sollte, hat der Gesetzgeber indes nicht beantwortet.So viel zu klassischen Aktienfonds. Sind Dachfonds nun ein Steuerschlupfloch, das der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund schließen müsste? Die skizzierte Technik – thesaurierte Kursgewinne können durch Veräußerung der Fondshülle steuerfrei vereinnahmt werden – findet auch auf Dachfonds Anwendung. Im Unterschied zum Einzelfonds kann die Vermögensanlage durch Auswechseln der Zielfonds umgestellt werden, ohne auf Ebene des bestandsgeschützten (Dachfonds-)Anteils etwas zu ändern.Kein Wunder also, dass viele Anbieter die Gelegenheit sehen, Kunden langfristig zu binden, und die Abgeltungsteuer als Argument nutzen. Dieser Unterschied begründet aber keinen “Gestaltungstrick”. Steuerrechtlich besteht grundsätzlich kein Wertungsunterschied zu Privatanlegern, die Aktien oder Einzelfonds vor 2009 erwerben. Entscheidend dürfte sein, ob ein unangemessenes Umverpacken von Erträgen erfolgt, wie zuvor zu bestimmten Zertifikaten angesprochen. Das aber ist – auch steuersystematisch – eine ganz andere Frage und berührt viele weitere Aspekte etwaiger Fondsstrukturierungen. Klassische Aktien-Dachfonds rechtfertigen wohl nicht den Verdacht, Steuersparmodelle zu sein. Ihre Existenz gründet – zumindest langfristig – auf ihrem Anlageerfolg im Vergleich zum Einzelfonds nach Abzug zusätzlicher Kosten. Gut möglich, dass viele der noch 2008 angelegten Gelder nicht jahrzehntelang in einem Dachfonds verbleiben werden. Um die Steuerfreiheit für Dachfonds zu beseitigen, müsste der Gesetzgeber technisch gesehen nur einige Formulierungen ändern. Wertungsmäßig müsste der Gesetzgeber dann aber konsequent handeln und thesaurierte Kursgewinne für alle Fonds (d. h. Einzel- und Dachfonds) als laufenden steuerpflichtigen Ertrag erfassen. Dabei handelt es sich um eine Grundsatzfrage, die gesehen und bereits zugunsten der vorläufigen Steuerfreiheit entschieden wurde. Hieran nachträglich etwas zu ändern, weil man Fondsanbietern ein – vorhersehbares – Marketingargument geliefert hat, wäre nicht überzeugend. Und die (berechtigte) Mahnung an Privatanleger auszusprechen, eine Anlage bitte nicht aus rein steuerlichen Gründen zu tätigen und das Fondsprodukt kritisch zu prüfen, ist nicht Sache des Fiskus. In ErklärungsnotAber auch ein ganz anderer Aspekt würde den Gesetzgeber in Erklärungsnot bringen: der Vergleich mit anderen Anlageformen. Fondsgebundene Lebensversicherungen – die z. B. in die soeben abgestraften Dachfonds investieren könnten – würden beispielsweise einen noch stärkeren Aufschwung erleben als ohnehin schon. Ebenso wie Zertifikatekonstruktionen (auch solche im Fondsmantel) wird diese Anlageform nicht unter laufenden Steuerabflüssen zu leiden haben. Ob mit Blick auf den Anlegerschutz viel gewonnen wäre, wenn intransparente Anlageprodukte steuerlich bevorzugt würden, darf bezweifelt werden. Die Neuregelung könnte daneben weitere Ausweichgestaltungen provozieren, um den Bestandsschutz für Anleger zu sichern. Zusammenfassend gilt, dass der Gesetzgeber in der Übergangsphase zur Abgeltungsteuer bislang mit Augenmaß agiert hat. Ein Angriff auf Dachfonds allgemein würde in Widerspruch dazu stehen und wäre überzogen. Dem Vernehmen nach wird der bald zu veröffentlichende Entwurf des Jahressteuergesetzes 2009 bestimmte Verschärfungen enthalten, Dachfonds aber nicht benachteiligen. Rein steuerlich motivierte und zudem breit vertriebene Gestaltungen werden wohl auch zukünftig – gegebenenfalls kurzfristig – vom Fiskus aufgegriffen werden.