Recht und Kapitalmarkt

Steuerliche Aspekte der Schuldenrestrukturierung

Bilanzbereinigung auch ohne aufwendige Einholung verbindlicher Auskünfte auf der Grundlage des Sanierungserlasses möglich

Steuerliche Aspekte der Schuldenrestrukturierung

Von Hans-Jochen Otto und Thomas M. Hofacker *)Bedingt durch das gegenwärtige wirtschaftliche Umfeld weisen viele Unternehmen, nicht zuletzt Portfoliounternehmen von Private-Equity-Fonds, einen im Verhältnis zum (gesunkenen) operativen Ergebnis (Ebitda) inakzeptabel hohen Betrag an Nettofinanzverbindlichkeiten aus. Ist hierdurch die Fähigkeit zum Schuldendienst nicht nur vorübergehend beeinträchtigt, sind oftmals die kreditgebenden Banken gegen entsprechende Ablösezahlungen der Gesellschaft oder des Gesellschafters dazu bereit, einen als nicht mehr werthaltig eingestuften Teil ihrer Forderungen aufzugeben. Aus Sicht der BankAus Sicht der Bank ist es wirtschaftlich gleichgültig, ob sie gegen Rückführung eines Teils ihrer Forderungen auf einen weiteren Teil verzichtet oder ob sie ihre Forderungen unter Gewährung eines Abschlags auf den Nennwert veräußert. Der Verzicht würde jedoch zu einem grundsätzlich steuerpflichtigen Ertrag auf Unternehmensebene führen, wobei die hieraus folgende Steuerbelastung von etwa 30 % den bilanziellen Entlastungseffekt konterkarieren und wegen der gesetzlichen Mindestbesteuerung von 40 % der Erträge auch bei vorhandenen Verlustvorträgen eine unter Umständen lebensbedrohliche Liquiditätsbelastung auslösen würde. Zwar besteht prinzipiell die Möglichkeit der Anerkennung des verzichtsbedingten Ertrags als steuerfreier Sanierungsgewinn im Sinne des Sanierungserlasses des Bundesfinanzministeriums. Die Zeit, welche für die Einholung verbindlicher Auskünfte der zuständigen Finanzbehörden benötigt wird, steht jedoch nicht in allen Fällen zur Verfügung, insbesondere weil für Gewerbesteuerzwecke Auskünfte sämtlicher Betriebsstätten-Gemeinden erforderlich sind. Auch geht selbst bei Anwendung des Sanierungserlasses ein bestehender Verlustvortrag bis zur Höhe des verzichtsbedingten Ertrags verloren.Der Forderungserwerb zum Discount-Preis durch einen gegenwärtigen oder künftigen Gesellschafter vermeidet die mit einem Bankenverzicht verbundenen Ertragseffekte, führt aber noch nicht zur angestrebten bilanziellen Entlastung des Schuldnerunternehmens. Ein anschließender Verzicht oder eine Einbringung der Forderung durch den Gesellschafter wäre zwar grundsätzlich als steuerneutrale Einlage zu behandeln. Seit einer umstrittenen Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) von 1997 ist im Fall des Verzichts auf eine nicht voll werthaltige Gesellschafterforderung die Einlage jedoch nicht mehr mit dem Nennwert der wegfallenden Verbindlichkeit anzusetzen, sondern lediglich mit dem niedrigeren Verkehrswert der Gesellschafterforderung. Damit entstünde in Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderungen ein steuerpflichtiger Gewinn auf Unternehmensebene. Über eine VorratsgesellschaftMöglich wäre, dass der Gesellschafter die Kreditforderungen nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar über eine eigens hierfür bereitgestellte Vorratsgesellschaft erwirbt und dann die Anteile an dieser steuerneutral im Wege der verdeckten Einlage oder mittels Sachkapitalerhöhung einbringt. Damit würden die Kreditverbindlichkeiten zwar nicht beseitigt, jedoch zu Verbindlichkeiten gegenüber der eigenen Tochter umqualifiziert und könnten in der Konzernbilanz weitgehend neutralisiert werden. Jedoch bliebe das steuerliche Gewinnrealisierungsrisiko auch dabei latent erhalten und würde virulent, sobald eine Bilanzbereinigung auch in Einzelbilanzen von Mutter und Tochter anstünde.Eine vom BFH anerkannte Möglichkeit, die Unternehmensbilanz steuerneutral um die Kreditverbindlichkeiten zu bereinigen, besteht in der Schuldübernahme durch den Gesellschafter. Stellt der die Schuldübernahme erklärende Gesellschafter von vornherein klar, dass er keinerlei Rückgriffsforderungen gegen die Gesellschaft geltend macht, entsteht eine Gesellschafterforderung, auf die verzichtet werden könnte, gar nicht erst, sodass sich die Frage der Werthaltigkeit nicht stellt. Verfügt der Gesellschafter über ausreichende Bonität, hat die Gesellschaft in Höhe des Nennwerts ihrer Kreditverbindlichkeiten einen Freistellungsanspruch zu aktivieren, der steuerlich ergebnisneutral als Gesellschaftereinlage zu erfassen ist. Nach Genehmigung der Schuldübernahme durch den Gläubiger kann das Schuldnerunternehmen die Verbindlichkeit und den Freistellungsanspruch erfolgsneutral ausbuchen. Der Weg über TöchterHat der Gesellschafter vor Erklärung der Schuldübernahme mit der Bank eine Vereinbarung getroffen, welche die Möglichkeit des Forderungskaufs und dessen Konditionen absichert, könnten anschließend die Schuldübernahme und danach der Forderungskauf jeweils über Töchter des Gesellschafters erfolgen. Dabei muss die die Schuld übernehmende Gesellschaft (Ü) eine Beteiligung an dem Schuldnerunternehmen halten (z. B. mittels Erwerb vom Gesellschafter). Ist die als Forderungskäufer agierende Tochter (K) ihrerseits Gesellschafter von Ü und hat Letztere ihren Sitz in einer Steuerjurisdiktion, in der der Forderungsverzicht des Gesellschafters stets mit dem Nennwert ihrer Verbindlichkeit bewertet wird, können Forderungen und Verbindlichkeiten auch auf Ebene von Ü mittels Forderungsverzicht von K steuerneutral aufgelöst werden. Bei K wiederum wäre die damit getätigte Gesellschaftereinlage in Ü grundsätzlich mit den dem Verkehrswert entsprechenden Anschaffungskosten des Forderungserwerbs und so erfolgsneutral anzusetzen.Beläuft sich der mit der Bank verhandelte Abschlag auf den Forderungsnennwert auf maximal 50 % (hier angenommen: 40 %), käme auch in Betracht, dass der Gesellschafter, statt das gesamte, zur Disposition stehende Forderungspaket von 100 zum Kaufpreis von 60 zu erwerben, zunächst einen Teilbetrag von 40 unter Abstandnahme von Rückgriffsansprüchen ablöst und nur die verbleibenden Forderungen der Bank im Nennwert von 60 zum Preis von 20 erwirbt. Wird anschließend die Restverbindlichkeit des Schuldners wiederum von einer anderen, zum Beispiel im Ausland ansässigen Tochter des Gesellschafters übernommen, läge die Übernahme einer Verbindlichkeit vor, die aus Gläubigersicht werthaltig ist. So stellen sich Rechtsfragen, die sich aus der BFH-Rechtsprechung ergeben, von vornherein nicht. Ein späterer Forderungsverzicht des Gesellschafters gegenüber der schuldübernehmenden Tochter sollte zumindest nach dem Wortlaut der anwendbaren steuerlichen Bewertungsvorschriften – bei inländischer Steuerpflicht des Gesellschafters – zur Bewertung der hiermit verbundenen verdeckten Einlage nur mit dem Betrag der Forderungsanschaffungskosten von 20 und nicht mit dem höheren Verkehrswert von 60 führen, sofern zwischen Anschaffung und Verzicht nicht mehr als drei Jahre liegen. Damit wäre der Forderungsverzicht auch auf Gesellschafterebene steuerneutral.Letztlich wird es immer auf die im Einzelfall maßgeblichen Sachverhalte ankommen. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die bei einer Vielzahl deutscher Unternehmen dringend erforderlichen Bilanzbereinigungen vielfach auch dann steuerneutral möglich sein sollten, wenn die zeitaufwendige und mit Rechtsunsicherheiten behaftete Prozedur der Einholung verbindlicher Auskünfte auf der Grundlage des Sanierungserlasses nicht in Betracht kommt. Ein Abwarten auf ein erhofftes Tätigwerden des Gesetzgebers zur Verbesserung der sanierungsfeindlichen steuerlichen Rahmenbedingungen könnte sich erst recht als verlorene Zeit herausstellen.—-*) Dr. Hans-Jochen Otto und Dr. Thomas Hofacker sind Partner der Frankfurter Sozietät Otto Mittag Fontane.