RECHT UND KAPITALMARKT

Steuern als Brandbeschleuniger in der Unternehmenskrise

Welche Risiken in Sanierungsmaßnahmen häufig übersehen werden

Steuern als Brandbeschleuniger in der Unternehmenskrise

Von Victor von dem Bussche und Melanie Strauß *) Covid-19 hat die deutsche Wirtschaft weiterhin fest im Griff. Trotz des groß angelegten Hilfspaketes der Bundesregierung zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie geraten Unternehmen zusehends in die Krise oder diese wird nur hinausgezögert. Den Unternehmen steht aber auch in der Pandemie eine Vielzahl von Sanierungsinstrumenten zur Verfügung. Ein entscheidender Faktor für deren Erfolg oder Misserfolg ist die Kontrolle über die steuerlichen Konsequenzen. Im schlimmsten Fall kann sich die Krise des Unternehmens durch unberücksichtigte steuerliche Effekte sogar verschärfen. Stundung von SchuldenIn der Covid-19 Krise ist gerade die Stundung von Verbindlichkeiten, insbesondere Mietverbindlichkeiten, ein häufiges Mittel zur kurzfristigen Stärkung der Liquidität. Aus steuerlicher Sicht ist zu beachten, dass bei einer längerfristigen Stundung von mehr als einem Jahr ein Abzinsungsrisiko besteht, sofern diese unverzinslich erfolgt. Der hierbei entstehende Ertrag könnte sich, sofern er nicht durch steuerliche Verluste ausgeglichen werden kann, durch eine Steuerbelastung negativ auf die Liquidität auswirken. Zur Vermeidung der Abzinsung empfiehlt sich eine Niedrigverzinsung der Stundung.Eine Stundung kann sich auch auf den Vorsteuerabzug auswirken und zu seiner Versagung bzw. zu Rückzahlungsansprüchen hinsichtlich bereits geltend gemachter Vorsteuern führen. Kurzfristige Mietstundungen wirken sich nicht auf den Vorsteuerabzug aus. Wenn jedoch bereits jetzt absehbar ist, dass die Liquiditätsschwierigkeiten auf unabsehbare Zeit anhalten werden und nicht damit zu rechnen ist, dass nach Ablauf der Stundung die ausstehenden Mieten beglichen werden können, kann es zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs bzw. zur Rückzahlung bereits geltend gemachter Vorsteuern an das Finanzamt kommen.Häufig gewählte Sanierungsinstrumente zur Verhinderung oder Beseitigung von Insolvenzantragsgründen sind der Forderungsverzicht oder die Vereinbarung eines Rangrücktritts. Durch einen Forderungsverzicht von Drittgläubigern und Gesellschaftern reduzieren sich die Verbindlichkeiten. Dies verbessert das Bilanzbild des Unternehmens und trägt zur Stärkung der Liquidität bei. Auf Ebene des zu sanierenden Unternehmens führt die Ausbuchung der Verbindlichkeit zu einem Ertrag, der, sofern der Forderungsverzicht die Voraussetzungen des § 3a Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt, als sogenannter Sanierungsertrag von der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit ist. Eine Voraussetzung ist die betriebliche Begründetheit des Forderungsverzichts, die bei Drittgläubigern regelmäßig erfüllt ist. Verzichtet jedoch ein Gesellschafter auf seine Forderung, so wird nach der Rechtsprechung eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vermutet, soweit sich keine Drittgläubiger an dem Verzicht beteiligen. Die Regelung des § 3a EStG findet in diesem Fall keine Anwendung. Der Ertrag aus dem Forderungsverzicht unterliegt der Ertragsbesteuerung, soweit die Forderung tatsächlich nicht werthaltig ist. Lag der Forderung eine Leistung zugrunde, für die das zu sanierende Unternehmen Vorsteuer geltend gemacht hat, so ist diese an das Finanzamt zurückzuzahlen.Rangrücktritte werden häufig zwischen den Gesellschaftern als Gläubiger und ihrer Gesellschaft vereinbart. Zur Vermeidung der Insolvenz oder deren Verschärfung sieht die Vereinbarung vor, dass (i) vor Insolvenzeröffnung keine Zahlungen auf die Verbindlichkeit durch die Gesellschaft erfolgen, wenn diese zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies zu werden droht und (ii) nach Insolvenzeröffnung diese Verbindlichkeit nur zugleich mit den Einlagenrückgewähransprüchen der anderen Gesellschafter und somit nachrangig gegenüber allen anderen Verbindlichkeiten bedient wird. Sieht die Tilgungsklausel lediglich eine Tilgung der Verbindlichkeit aus einem “zukünftigen Bilanzgewinn und einem etwaigen Liquidationsüberschuss” vor, hängt deren Erfüllung von künftigen Gewinnen ab. Dies führt zu einem Ansatzverbot der Verbindlichkeit in der Steuerbilanz des zu sanierenden Unternehmens. Durch die Entstehung eines “Wegfallgewinns” bei deren Ausbuchung kann es zu einer Steuerbelastung kommen. Um dies zu vermeiden, wird die Klausel in der Praxis mit einer Möglichkeit der Tilgung aus dem “sonstigen freien Vermögen” ergänzt. Restrukturierungsrichtlinie Mit der Umsetzung der präventiven Restrukturierungsrichtlinie (EU) 2019/1023 in deutsches Recht wird im nächsten Jahr ein Sanierungsverfahren zur Verfügung stehen, um Unternehmen mittels eines vorinsolvenzlichen Schuldenbereinigungsverfahrens zu sanieren. Dieses Verfahren kann für durch Covid-19 in die Krise geratene Unternehmen eine große Rolle spielen. Welche konkreten steuerlichen Auswirkungen sich hieraus ergeben werden, hängt maßgeblich von dessen konkreter Ausgestaltung ab. *) Victor von dem Bussche ist Partner und Melanie Strauß Associate der Kanzlei BRL Boege Rohde Luebbehuesen aus Hamburg.