Steuerpläne beschädigen das Standort-Image
Von Peter Schäffler und Christoph Kromer *)Im Februar hat die Regierungskoalition ihren 12-Punkte-Plan zur Modernisierung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung vorgestellt. Obgleich es sich dabei zunächst nur um einen Katalog vage umschriebener Maßnahmen handelt, zu dem noch kein Gesetzesentwurf existiert, sorgt das Papier in erheblichem Maß bei Investoren und Verbänden für Unmut. Dies vor allem, weil es sich bei den meisten Punkten weder um Modernisierungen oder Vereinfachungen handelt, sondern schlichtweg um Maßnahmen zur Erhöhung der Steuereinnahmen. Schlimmer sind in diesem Fall die Auswirkungen auf das Klima für Investitionen und M & A-Transaktionen in Deutschland.Unter anderem plant die Regierungskoalition erneut, von Unternehmen auf Fremdkapital gezahlte Zinsen steuerlich nicht gewinnmindernd zum Abzug zuzulassen. Im konkreten Fall geht es diesmal um Leveraged-Buy-out-Strukturen (LBO) zum fremdfinanzierten Erwerb von Unternehmen, bei denen die Darlehensschuld samt der Zinslast letztendlich auf das erworbene Ziel übertragen werden soll. Gerade im Transaktionsbereich ist es für Investoren aber von entscheidender Bedeutung, ob gezahlte Zinsen steuerlich zum Abzug zugelassen werden. Diesbezügliche Planungssicherheit ist daher ein maßgebliches Investitionskriterium. Die ZinsschrankeNun ist es ja nicht so, als ob das deutsche Steuerrecht nicht bereits zur Genüge Regelungen vorzuweisen hätte, nach denen Unternehmen tatsächlich geleistete Zinszahlungen steuerlich nicht berücksichtigen dürfen. Schon 1993 hat der Gesetzgeber mit dem § 8 a Körperschaftsteuergesetz (KStG) eine Regelung verabschiedet, die darauf abzielte zu verhindern, dass insbesondere ausländische Gesellschafter eine deutsche Kapitalgesellschaft statt mit Eigenkapital lieber mit Darlehen ausstatten.Da die Regelung des § 8 a KStG leicht zu umgehen war, wurde 2008 die Nichtabziehbarkeit von Zinsaufwendungen im Zuge des Unternehmenssteuerreformgesetzes neu konzipiert. An die Stelle der alten Regelung trat die in § 4 h Einkommensteuergesetz (EStG) geregelte Zinsschranke. Sie gilt rechtsformunabhängig für sämtliche Arten von Zinsen – auf Gesellschafterdarlehen wie auf Bankdarlehen. Vorbehaltlich eines Systems komplexer Ausnahmeregelungen erlaubt die Zinsschranke grundsätzlich einen Abzug von Zinsaufwendungen lediglich in Höhe von bis zu 30 % des steuerlichen Ebita, sofern der jährliche Netto-Zinsaufwand 3 Mill. Euro oder mehr beträgt. Der nicht abzugsfähige Teil wird wieder dem steuerpflichtigen Gewinn hinzugerechnet. Spürbare BelastungAus Sicht der Unternehmen ist bereits die Zinsschranke eine spürbare Belastung, nicht nur aufgrund der letztendlich höheren Steuerlast, sondern auch in Bezug auf die Compliance-Kosten zur Administrierung dieser Regelung. Sogar der Bundesfinanzhof stuft die Zinsschranke als problematisch ein, wie er jüngst erläutert hat (Beschluss vom 13. März 2012, Az. I B 111/11). Er hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Instruments, insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch übliche Fremdfinanzierungen durch Banken die Zinsschranke auslösen könnten.Das mit der Zinsschranke verfolgte fiskalpolitische Ziel wird jedoch in der Praxis erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Danach ist die Zinsschranke trotz der bestehenden Freigrenze von 3 Mill. Euro geeignet, die Gewinnverlagerungen über Fremdfinanzierung zu beschränken. Eine Verschärfung der Zinsschranke, beispielsweise in Form einer Reduktion der Freigrenze von 3 Mill. Euro, hält das DIW nicht für erforderlich.Vor diesem Hintergrund wäre es naheliegend, wenn sich der Gesetzgeber darauf konzentrieren würde, die bestehende und offensichtlich ausreichende Regelung zur Beschränkung des Zinsabzugs so zu modifizieren, dass sie auch verfassungskonform ist, und damit Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen. Stattdessen plant die Regierungskoalition nun, zusätzlich zur Zinsschranke eine weitere, neue Regelung zur Beschränkung des Zinsabzugs einzuführen.Im Rahmen des 12-Punkte-Plans ist vorgesehen, den Abzug von Zinsaufwendungen gänzlich zu versagen, soweit die Finanzierungskosten eines Unternehmenserwerbs auf die erworbene Gesellschaft im Rahmen eines sogenannten Debt Push-down verlagert werden. Hierbei handelt es sich um eine international übliche Akquisitionsstruktur. Im 12-Punkte-Plan heißt es hierzu lapidar, dass es sich hierbei um “unerwünschte Gestaltungen” handele, die es zu unterbinden gelte. Finanzierung beschnittenWeshalb hier eine neue Beschränkung eingeführt werden soll, ergibt sich aus dem Papier nicht, was auch von den Wirtschaftsverbänden kritisiert wird. Ebenso bleibt offen, ob es sich bei der geplanten Regelung um eine einzelfallbezogene Regelung für LBO-Strukturen handeln soll oder aber um eine flächendeckende Neuregelung des steuerlichen Zinsabzugs, der auch andere, vergleichbare Fälle treffen würde.Dies wiederum könnte dazu führen, dass letztlich der Zinsabzug für sämtliche Fremdfinanzierungen von Unternehmenserwerben steuerlich verschärft würde. In jedem Fall würde die Umsetzung zu einer Beschneidung der Finanzierungsfreiheit führen, die eine starke Verschlechterung der Rahmenbedingungen für M & A-Transaktionen und Umstrukturierungen in Deutschland zur Folge hätte.Ebenfalls keine Hinweise gibt es bislang zu der Frage, wie sich eine solche Regelung auf bestehende Fälle auswirken würde. Denkbar wäre, die Regelung nur auf solche Fälle anzuwenden, die nach Inkrafttreten der Neuregelung umgesetzt werden, oder aber den laufenden Zinsabzug auch für bereits in der Vergangenheit umgesetzte Transaktionen zu versagen. Bei der Zinsschranke hatte der Gesetzgeber auf eine Regelung für Altfälle oder Übergangsregelungen verzichtet und somit alle bereits laufenden Fremdfinanzierungen erfasst. Dies führte bereits damals zu einem erheblichen Vertrauensverlust in die Planungssicherheit bezüglich Investitionen in Deutschland und einer entsprechenden Zurückhaltung ausländischer Investoren.Wenn Zinsaufwendungen von mit Fremdkapital finanzierten Unternehmenserwerben im Wege von Leveraged Buy-outs oder vergleichbaren Strukturen künftig nicht mehr als Betriebsausgaben geltend gemacht werden könnten, würde das für das betroffene Unternehmen und dessen Gesellschafter eine deutliche Steuermehrbelastung bedeuten, die gegebenenfalls weiteren Kreditbedarf auslösen würde. Somit könnten nur noch eigenkapitalfinanzierte Investments einer faktischen Strafbesteuerung entgehen, was jedoch nicht der gängigen Praxis entspricht.Gerade aus dem Ausland, insbesondere den USA, gibt es schon jetzt starke Kritik an der bestehenden Planung, da die Umsetzung einen Großteil bestehender Unternehmenskäufe durch ausländische Investoren in Deutschland betreffen könnte. Die Verkennung der Bedeutung von LBO-Transaktionen im gesamtwirtschaftlichen Umfeld und die Auswirkungen permanenter Änderungen der Rahmenbedingungen auf die Planungssicherheit könnten letztlich dazu führen, dass Deutschland als Investitionsland zumindest für ausländische Investoren ausscheidet. Ein RegelungspaketDerzeit wird die Thematik von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundesfinanzministeriums, einiger Länder und der Regierungskoalition aufbereitet. Es steht nicht zu erwarten, dass eine isolierte Regelung des Zinsabzugs bei LBO-Strukturen umgesetzt wird. Vielmehr dürfte der 12-Punkte-Plan wohl als einheitliches Regelungspaket zu verstehen sein, das nur im Ganzen verwirklicht werden soll. Mit einem Gesetzesentwurf ist noch vor der Sommerpause zu rechnen, da nur dann eine Verabschiedung des Gesetzes vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr realistisch ist.Es bleibt zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber bis dahin ernsthaft die Frage der Sinnhaftigkeit einer neuen Regelung und ihrer möglichen Auswirkungen auf den Investitionsstandort Deutschland stellt.—-*) Peter M. Schäffler und Christoph Kromer sind Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.