ASSET MANAGEMENT

Stiftungen geraten immer stärker unter Druck

Niedrigzinsen knabbern am Vermögen - Verband: Anlagestrategien sollten überdacht werden - Investments in volatile Produkte wagen

Stiftungen geraten immer stärker unter Druck

Die anhaltende Niedrigzinsphase setzt Stiftungen wegen des damit verbundenen schleichenden Vermögensverfalls unter einen immer größeren Druck. In der Folge werden mehr Treuhandstiftungen gegründet. Der Bundesverband rät zudem, die bisherige Asset-Management-Strategie zu überprüfen und mehr Geld in volatilere, aber höher verzinsliche Anlagen zu investieren.Von Ulli Gericke, BerlinDie Statistik sieht nicht gut aus – und die Wertentwicklung bei den meisten kleinen Stiftungen ist es auch nicht. Mit “nur” noch 645 Stiftungen wurden im vergangenen Jahr so wenige gemeinnützige Organisationen gegründet wie seit 1999 nicht mehr. Doch während damals sichere Bundesanleihen noch auskömmliche Renditen abwarfen, leiden heute vor allem kleinere Stiftungen unter einem schleichenden Vermögensverfall, weil die aktuellen Niedrigzinsen die Inflation in keinster Weise mehr ausgleichen können – von Aufwendungen für den eigentlichen Stiftungszweck gar nicht zu sprechen.Kein Wunder, dass Wilhelm Krull, Vorstandschef des Bundesverbands Deutscher Stiftungen und Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, bei kleineren Stiftungssummen immer häufiger einen Trend zu Treuhandstiftungen oder auch Zustiftungen beobachtet – “darum ist die Zahl der neuen rechtsfähigen Stiftungen nicht ganz so stark gewachsen wie in den Vorjahren”.Mit (nicht rechtsfähigen) Treuhandstiftungen können die Geldgeber ihren Stiftungszweck und den Namen der Organisation an eine vorhandene, größere Stiftung andocken, die dann für den kleineren “Anhang” die Verwaltung und das Vermögensmanagement organisiert. So wie es beispielsweise die 2005 gegründete “Alfred Biolek Stiftung – Hilfe für Afrika” handhabt, die als treuhänderische Stiftung von der “Stiftung Weltbevölkerung” verwaltet wird. Das spart nicht unwesentlich Kosten. Und verbessert die Erträge, weil ein professionelles Asset Management deutlich höhere Einnahmen verspricht als die Magerzinsen von Bundesanleihen.In diesem Zusammenhang muss Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbands, einräumen, dass viele der letztjährigen Pläne eines “Pooling” vieler kleiner Stiftungen in einer großen Einheit zur professionelleren Vermögensverwaltung gescheitert sind. “Die Finanzdienstleister waren zu teuer”, sagt der Stiftungsverantwortliche im Gespräch mit der Börsen-Zeitung – nicht ohne zu betonen, dass der Verband mit den Banken weiterhin im Gespräch sei. Immerhin gebe es im kirchlichen Umfeld gute Beispiele, wie etwa die Caritas Gemeinschafts-Stiftung in Stuttgart oder das Evangelische Johannesstift in Berlin, die als Dach für teilweise 100 Treuhandstiftungen fungieren. Neues Gesetz hilftGenerell empfiehlt der Bundesverband den kleineren der inzwischen gut 19 550 Stiftungen hierzulande, ihre bisherige Asset-Management-Strategie zu überprüfen, weil das Vermögen mit einer Anlage nur in Bundesschatzbriefen real an Substanz verliert. Auch wenn inzwischen gut die Hälfte aller Stiftungen zusätzlich Spenden einwirbt, sieht Fleisch “noch viel Entwicklungspotenzial” hierzulande, zumal bei Dienstleistungen oder Sachzuwendungen von benachbarten Unternehmen. Schließlich rät der Generalsekretär, auch Anlagen in volatilere Investments zu wagen wie etwa in Aktienfonds. Hier biete das Anfang Februar im Bundestag verabschiedete Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes “eine Reihe von begrüßenswerten zivil- und steuerrechtlichen Änderungen, wie z. B. die zeitliche Flexibilisierung der Rücklagenbildung”, lobt Fleisch – jetzt müsse nur noch der Bundesrat Anfang März zustimmen.Bis dato schreibt das Gesetz vor, das Grundstockvermögen einer Stiftung sei zu erhalten – ohne dass sich der Gesetzgeber dazu geäußert hat, ob dieser Vermögenserhalt nun nominal (also vor Berücksichtigung der Inflationsrate) oder real erfolgen muss. Die Stiftungen sehen den Realerhalt jedoch als eigene Pflicht, beschreibt Fleisch den Branchen-Comment. Da jedoch die gesetzlichen Regelungen nur erlauben, bis zu ein Drittel der Vermögenserträge für den Stiftungserhalt zurückzulegen, kann das Ziel bei kleineren gemeinnützigen Organisationen seit Jahren nicht mehr erfüllt werden, wäre doch dafür ein 6-prozentiger Ertrag vonnöten, um mit einem Drittel davon die momentan 2-prozentige Inflationsrate zu kompensieren. Mehr als 100 Mrd. EuroNur logisch, dass angesichts dieser verzwickten Lage künftig weniger neue Projekte und weniger Volumen je Projekt gefördert werden können. Größere Stiftungen profitierten dagegen zuletzt von der guten Aktienentwicklung und/oder zufriedenstellenden Gewinnausschüttungen. Insgesamt beziffert der Bundesverband das Gesamtvermögen der Stiftungen aller Rechtsformen auf reichlich 100 Mrd. Euro. Allein die rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts kämen auf ein Vermögen von rund 70 Mrd. Euro – wobei die Verkehrswerte der oftmals unterliegenden Firmenbeteiligungen (siehe Tabelle) nicht aktualisiert sind. Die daraus resultierenden Ausgaben für satzungsgemäße Zwecke liegen dem Verband zufolge bei rund 17 Mrd. Euro, von denen durchschnittlich ein Zehntel für die Verwaltung abzuziehen sei.Fast ein Drittel der Gelder wurde 2012 für soziale Zwecke verwendet, jeweils rund 15 % für Bildung und Erziehung sowie Kunst und Kultur. Weitere 12 % flossen in Wissenschaft und Forschung. Mit etwa 45 % verfügt knapp die Hälfte aller Stiftungen über ein Vermögen von 100 000 Euro bis zu 1 Mill. Euro. Fast 30 % sind Kleinststiftungen mit weniger als 100 000 Euro. Gut 22 % aller Stiftungsorganisationen verfügen über ein Vermögen zwischen 1 und 10 Mill. Euro.