Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Hans-Gert Vogel

"Stiftungsmodell für Sparkassen kann Vorbildcharakter haben"

Europarechtliche Bedenken zu Stammkapital unbegründet

"Stiftungsmodell für Sparkassen kann Vorbildcharakter haben"

– Am 11. September gab es im hessischen und im nordrhein-westfälischen Landtag Anhörungen zum Sparkassengesetz. In Düsseldorf ging es um die Einführung von Stammkapital und in Wiesbaden um seine Abschaffung. Herr Dr. Vogel, was ist der Hintergrund? In Hessen war die Option zur Einführung übertragbaren Stammkapitals von Anfang an umstritten. Befürchtung war und ist, dies sei der erste Schritt zur Privatisierung. Die Europäische Kommission könnte in der Begrenzung des Erwerberkreises auf öffentlich-rechtliche Erwerber einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit sehen und – wie 2006 beim Verkauf der Landesbank Berlin – eine freie Veräußerbarkeit von Sparkassenanteilen einfordern. Hinzu kommt der Einwand, die Übertragung von Stammkapitalanteilen ermögliche konzernähnliche Strukturen innerhalb des Verbunds, die mit dem Prinzip der regionalen Ausrichtung nicht vereinbar seien. – Und die Befürworter?Sie sehen in der Stammkapitaloption ein zusätzliches Instrument zur Integration innerhalb des Sparkassenverbunds, angesiedelt zwischen bloßer Kooperation und Vollfusion. Im Rhein-Main-Gebiet könnten durch Austausch von Filialen gegen Gewährung von Kapitalanteilen überlappende Geschäftsgebiete bereinigt werden, ohne dass die beteiligten Sparkassen bei einer Fusion ihre Eigenständigkeit verlieren. – Sind europarechtliche Bedenken Ihrer Ansicht nach begründet?Dafür bestehen keine Anzeichen. Kommissar McCreevy hat der hessischen Regelung schriftlich die Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag attestiert. Etwaige Beschwerden von Privatbanken, die bei einer Übertragung von Sparkassenanteilen nicht zum Zuge kommen, dürften kaum Erfolg haben. Denn Artikel 295 EG-Vertrag unterwirft die EU-Kommission in der Privatisierungsfrage einem strikten Neutralitätsgebot. Danach besteht gerade kein Privatisierungszwang, wenn der Erwerberkreis auf Öffentlich-Rechtliche beschränkt ist. Insofern ist auch ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof nicht zu fürchten. In Nordrhein-Westfalen stellt sich diese Frage nicht. Eine Übertragung von Kapitalanteilen ist dort nicht vorgesehen. – In welchem Verhältnis zur Stammkapitaldiskussion steht das von FDP und Grünen in Hessen ins Spiel gebrachte Stiftungsmodell?Allgemein ist die Stiftungskonstruktion gewissermaßen ein Gegenmodell zum nordrhein-westfälischen Konzept. Geht es diesem um eine engere Anbindung der Sparkassen an die Kommunen, so wird mit dem Stiftungsmodell eine stärkere Eigenverantwortlichkeit der Sparkassen angestrebt. Der Sachverständigenrat bezweckt mit seiner Empfehlung, Sparkassen in Aktiengesellschaften zu überführen, die sich im Besitz kommunaler Stiftungen befinden, eine Verringerung politischer Einflussnahmen auf das operative Sparkassengeschäft. Dies entspricht im Übrigen den Erfordernissen einer guten Corporate Governance. Sympathie genießt das Stiftungsmodell bei den Sparkassen selbst und auf der Kundenseite, bei Handwerk und Mittelstand. Die unmittelbaren Ziele der Grünen im hessischen Landtag sind allerdings enger gesteckt: In Kombination mit der Möglichkeit zur Übertragung soll den Sparkassenträgern anstelle des Transfers von Kapitalanteilen eine “europafeste” Regelung zum Zusammenschluss ihrer Institute angeboten werden. – Bringt der Vorschlag in diesem Zusammenhang einen Mehrwert gegenüber dem jetzigen Recht? In seiner jetzigen Form nicht. Denn eine vollständige Zusammenlegung von Sparkassen in “europafester” Weise ist nach allen Sparkassengesetzen seit jeher möglich. Ein Mehrwert bestünde aber dann, wenn auch die teilweise Übertragung von Stiftungssparkassen möglich wäre. Diese ist im Entwurf der Grünen bislang nicht vorgesehen. – Gibt es ein Vorbild?Als ein solches könnte das seit 2003 bei der Stadtsparkasse Bremerhaven bestehende Stiftungsmodell dienen. Dort ist Träger der Sparkasse eine kommunale Stiftung. Das operative Sparkassengeschäft wird in einer Anstalt betrieben. Es besteht allerdings eine Option zu deren Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und zur Beteiligung von Minderheitsaktionären. Von der Umwandlungsoption ist bislang kein Gebrauch gemacht worden, da nach § 40 KWG mit Umwandlung einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse in eine private Rechtsform die Sparkassenbezeichnung entfiele. Ein erster Rechtsformwechsel wird deshalb sicher eine erneute Diskussion über das Recht zur Führung der Sparkassenbezeichnung auslösen.Dr. Hans-Gert Vogel ist Rechtsanwalt bei der Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.Die Fragen stellte Walther Becker.