Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Nadja Picard

Strenge Mitteilungspflichten bei der Verletzung von Kreditklauseln

Covenants-Frühwarnsystem angeraten - Ad-hoc-Mitteilungen prüfen

Strenge Mitteilungspflichten bei der Verletzung von Kreditklauseln

– Frau Picard, in der Krise verletzen mehr und mehr Unternehmen ihre Kreditklauseln. Sind die betroffenen Firmen gehalten, den Kapitalmarkt in einer Ad-hoc-Mitteilung darüber zu informieren?Tatsächlich hat sowohl die Verwendung von Kreditklauseln, auch als Covenants bekannt, als auch deren Verletzung durch die kreditnehmenden Unternehmen zuletzt deutlich zugenommen. Je nach Größenordnung und vertraglicher Ausgestaltung kann die Verletzung von Covenants verschiedene und mitunter gewichtige Folgen haben. Ein Unternehmen sollte in solch einem Fall mögliche Folgen für Finanzierung, eine mögliche Überschuldung, eine drohende Insolvenz sowie die Bilanzierung überprüfen. Zusätzlich ist stets das Vorliegen einer Ad-hoc-Pflicht zu prüfen.- Wann tritt die Ad-hoc-Pflicht bei den Unternehmen ein, wenn sich ein Bruch von Covenants abzeichnet?Hier kommen unterschiedliche Zeitpunkte in Betracht. Eine Ad-hoc-Pflicht ist an das Vorliegen einer Insiderinformation gebunden. Eine Insiderinformation kann zum Beispiel gegeben sein, wenn es durch den Bruch von Covenants zu einer kurzfristigen, außerordentlichen Kündigung wesentlicher Kreditlinien bzw. Kreditverträge durch die Bank kommt. Allerdings könnte auch bereits der Bruch von Covenants eine Insiderinformation darstellen. Dann nämlich, wenn die Unternehmensverantwortlichen zu diesem Zeitpunkt mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, also von 50 % plus x, mit einer Kündigung des Kreditvertrags rechnen müssen und der Wegfall des Kredits in dem Fall eine Insiderinformation darstellen würde.- Es tritt also nicht immer die Ad-hoc-Pflicht ein?Besteht im Einzelfall keine Ad-hoc-Pflicht, so ist über alternative Kanäle der Kapitalmarktkommunikation, insbesondere Pressemeldungen und die Abbildung solcher Vorgänge in der Lageberichterstattung nachzudenken. Denn die Covenant-Situation eines Unternehmens ist ein Thema, an dem Investoren und Analysten mit Recht ein erhebliches Interesse haben.- Muss der Kapitalmarkt auch informiert werden, wenn Covenants erfolgreich nachverhandelt werden können?Grundsätzlich ja, aber auch hier kommt es wieder auf die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der Nachverhandlungen an. Ist der Erfolg hinreichend wahrscheinlich, so liegt keine Insiderinformation vor. Doch Vorsicht: Solche Prognosen sind in der Praxis äußerst schwierig zu treffen.- In welchen Fällen ist eine Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Pflicht möglich?Wenn es die berechtigten Interessen des Emittenten erfordern, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Information gewährleisten kann. Ein Unternehmen kann sich also durchaus für die Dauer von Nachverhandlungen selbst befreien. Das funktioniert aber nur dann, wenn die Verschwiegenheit der Beteiligten sichergestellt ist.- Welche Sanktionen drohen, falls gegen Informationspflichten verstoßen wird?Es gibt drei wesentliche Risikokreise. Den drohenden Verlust des Anlegervertrauens, mögliche Schadenersatzforderungen sowie Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren. Gerade die Schadenersatzproblematik ist zuletzt wieder in den Vordergrund gerückt. Außerdem ist die “Darstellung und Erläuterung wesentlicher finanzieller Risiken im Zusammenhang mit Financial Covenants” einer der von der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung angekündigten Prüfungsschwerpunkte 2010.- Zum Schluss: Was raten Sie Unternehmen, die mit dem Bruch von Covenants konfrontiert sind?Ich rate jedem börsennotierten Unternehmen einen strukturierten Umgang mit Insiderinformationen an, am besten im Rahmen eines klar definierten Ad-hoc-Prozesses. Aus Sicht des Managements hat sich die Einrichtung eines Covenants-Frühwarnsystems bewährt, das eine laufende Überwachung von Kreditklauseln sicherstellt und eine rechtzeitige Reaktion auf drohende Finanzierungsrisiken, inklusive deren Kommunikation, erlaubt. Die Banken sind im Moment oftmals zu Nachverhandlungen von Kreditklauseln bereit. Doch das kann sich bald wieder ändern.—-Nadja Picard ist Partner der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers im Bereich Reporting Services. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.