Anlageprodukte

Tendenz zur Einfachheit

Verschärfung des Wertpapierhandelsgesetzes verunsichert Berater - Branche verstärkt Schulungen

Tendenz zur Einfachheit

Von Armin Schmitz, FrankfurtDa die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers in einer Reihe von Fällen Fehler in der Beratung von Privatanlegern offenbarte, hat der Gesetzgeber mit dem Jahresbeginn im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) neue Regeln für die Anlageberatung festgelegt. Das betrifft auch den Vertrieb von strukturierten Anlageprodukten wie Zertifikaten.So wurde die Verjährungsfrist für Falschberatung von drei auf zehn Jahre erhöht. Wertpapierdienstleistungsunternehmen wie die Banken müssen über jede Anlageberatung bei einem Privatkunden ein schriftliches Protokoll anfertigen. Das Protokoll ist von demjenigen zu unterzeichnen, der die Anlageberatung durchgeführt hat. Eine Ausfertigung ist dem Kunden unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung, jedenfalls vor einem auf der Beratung beruhenden Geschäftsabschluss zur Verfügung zu stellen.Das Ziel des Gesetzgebers war es, den Verlauf des Beratungsgesprächs durch das Protokoll zeitnah schriftlich zu dokumentieren. Dieses Protokoll kann in einer juristischen Auseinandersetzung als Nachweis dafür genutzt werden, wie der Berater das Beratungsgespräch zusammengefasst hat. Die Beratungsprotokolle haben in den vergangenen Wochen zu einer Verunsicherung der Berater und der Emittenten von strukturierten Produkten geführt. Eine Umfrage des Fachorgans “Der Zertifikateberater” zeigt, dass beinahe 40 % der Berater die Protokollpflicht für Beratungsgespräche als Hemmnis für Absatz und Nutzung von Zertifikaten in Kundendepots ansehen. Aus den Banken ist zu hören, dass allein die Dokumentation des Gesprächs mit dem Anleger 15 bis 30 Minuten in Anspruch nimmt.Pessimisten sehen bereits die Tendenz, dass die Berater den Anlegern wegen der Angst vor Fehlern nur noch einfache Strukturen und Zinsprodukte anbieten. “Bereits vor dem Start der neuen Regularien des Wertpapierhandelsgesetzes bestand bei den Anlegern die Tendenz zu einfachen Strukturen und Zinsprodukten. Es ist derzeit noch zu früh, den Einfluss der Verschärfung der Beratungsdokumentation auf die Produktwahl zu beurteilen”, sagt Frank Haak von der WestLB. Zinsprodukte gefragtTatsächlich zeigt die Marktvolumenstatistik des Deutschen Derivate Verbandes einen steilen Anstieg der rentenbasierten Produkte wie Floater und Zinsstufenpapiere auf zuletzt mehr als 36 Mrd. Euro (siehe Grafik). Da das Filialgeschäft ein wichtiger Wachstumsfaktor ist, hat die Branche Initiativen gestartet, um den Vertrieb der strukturierten Produkte wieder in Gang zu bekommen. “Wir haben bereits vor der Verschärfung der Beratungsdokumentation unsere Produktinformationen optimiert und unsere Schulungsaktivitäten für die Wertpapierberater intensiviert”, sagt Haak.Auch der Deutsche Derivate Verband (DDV) reagiert auf die Verschärfung des WpHG. “Der DDV hat nach der Transparenzinitiative in diesem Jahr eine Ausbildungsinitiative gestartet. Abgesehen vom andauernden interaktiven Dialog mit den Anlegern legen wir in den kommenden Monaten ein dreistufiges Online-Schulungstool vor, das sich im ersten Schritt an Privatkunden wendet und Grundkenntnisse vermittelt. Danach folgen zwei aufeinander aufbauende Elemente, die Produkt- und Spezialwissen vermitteln. Für die Profis ist das, neben den internen Schulungen, eine nützliche Ergänzung”, sagt Lars Brandau, Geschäftsführer des DDV. “Ausbildung und Wissen liefern den qualifizierten Zugang zu einer komplexen Produktwelt. Das gilt gleichermaßen für Berater wie Anleger. Die Qualität eines Beratungsgesprächs hängt letztlich vom Kenntnisstand aller Beteiligten ab.”Die Initiativen sind wichtig. So gibt es immer noch Fehler in den Protokollen. Nach wenigen Wochen weisen Verbraucherschützer und Rechtsanwälte auf Mängel hin, dass ein Teil der Protokollvorlagen nicht den geltenden formalen Mindestanforderungen genügt. Die Protokolle seien standardisiert und lückenhaft ausgefüllt.Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat daher Anfang Februar eine Markterhebung gestartet, um herauszufinden, wie die geltenden Vorschriften zur Dokumentation der gegenüber Privatkunden erbrachten Anlageberatung umgesetzt werden. Die Aufsichtsbehörde hat einen 29 Fragen umfassenden Katalog an insgesamt 316 Institute geschickt. Darunter befinden sich sämtliche Privatbanken und ausgewählte Landesbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie einzelne Finanzdienstleistungsinstitute. Aus dem Hause BaFin ist zu hören, dass die Statuserhebung noch nicht abgeschlossen sei. Ergebnisse lägen noch nicht vor.