Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Franz-Josef Schöne

"Tracking Stocks können neue Investoren anlocken"

Spin-Off kann mit der Ausgabe von Spartenaktien vermieden werden - Pionier HHLA als Börsenwert

"Tracking Stocks können neue Investoren anlocken"

– Herr Dr. Schöne, mit der HHLA ist das erste deutsche Unternehmen mit einer Spartenaktie zusätzlich zu den börsennotierten Titeln in den Markt gegangen. In den USA sind Tracking Stocks häufiger anzutreffen, weshalb die Zurückhaltung hierzulande?In Deutschland waren Tracking Stocks in der Vergangenheit kaum bekannt. Erst mit der zunehmenden Ausgabe von Tracking Stocks im Ausland, insbesondere den USA, und der wachsenden Bedeutung von Tracking Stocks an den internationalen Kapitalmärkten ist diese Aktiengattung auch in Deutschland in das Bewusstsein der Märkte gelangt. Auch hat man in Deutschland relativ spät damit begonnen, Tracking Stock- Strukturen rechtlich-dogmatisch aufzuarbeiten. So hat lange Zeit im Raum gestanden, ob Tracking Stocks überhaupt aktienrechtlich zulässig sind. – Sind denn Spartenaktien nun rechtlich zulässig?Wenngleich diese Frage wohl als geklärt gelten und man sagen kann, dass gegen die Ausgabe von Tracking Stocks keine durchgreifenden aktienrechtlichen Bedenken bestehen, ist die rechtliche Aufarbeitung keineswegs beendet. Die Diskussion konzentriert sich heute vor allem auf die Frage, wie Tracking Stock-Strukturen konkret ausgestaltet und die verschiedenen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit der Ausgabe von Tracking Stocks in der Praxis stellen, gelöst werden können. – Welche Vorteile bieten Tracking Stocks im Vergleich zur Zerlegung eines Unternehmens in rechtlich selbständige Einheiten? Soweit ersichtlich, sind bislang in Deutschland Tracking Stocks zumeist von nicht börsennotierten Aktiengesellschaften ausgegeben worden, um für einen bestimmten Unternehmensbereich neue Investoren und frische Finanzmittel zu gewinnen. Zwar kann im Zusammenhang mit der spartenbezogenen Beteiligung des Investors oder aber auch mit einem beabsichtigten Börsengang der Sparte alternativ auch eine Ausgliederung der relevanten Sparte in Betracht gezogen werden. Gegenüber dieser herkömmlichen gesellschaftsrechtlichen Gestaltung bieten Tracking Stocks aber den Vorteil, dass das Unternehmen in seinem rechtlichen Bestand als Ganzes erhalten bleibt. Dies ist oftmals notwendig oder gewünscht. – Was spricht denn gegen einen Spin-Off?Oftmals stehen einem Spin-Off der Geschäftseinheit wirtschaftliche, rechtliche oder steuerliche Gründe entgegen. So kann im Falle der Ausgliederung des Geschäftsbereiches auf eine eigenständige Tochtergesellschaft etwa die Möglichkeit ganz oder teilweise verloren gehen, steuerliche Verluste einer Geschäftssparte mit Gewinnen der anderen Geschäftssparte auszugleichen. Zudem besitzt das Unternehmen eine breitere Asset-Basis, die zur Besicherung von Krediten herangezogen werden kann. Außerdem bleibt die einheitliche Leitung der verschiedenen Sparten durch den Vorstand erhalten, der eine einheitliche Geschäftspolitik verfolgen und Synergie- und Kosteneinsparungspotentiale realisieren kann. Eine Tracking Stock-Struktur kann zudem wesentlich einfacher wieder rückgängig gemacht werden. – Für welche Unternehmen bietet sich die Ausgabe von Spartenaktien an?Spartenaktien bieten sich für solche Unternehmen an, die eine abgrenzbare, diversifizierte Struktur aufweisen, etwa in Form verschiedener abgrenzbarer operativer Geschäftseinheiten, Gruppen von bestimmten Vermögensgegenständen oder auch verschiedenen Gesellschaften, etwa Mutter- und Tochtergesellschaft. Ferner sollte eine geeignete Aktionärsstruktur wegen eines zu erwägenden “Verlustausgleichs” vorhanden sein. – Sind die verschiedenen verbrieften Unternehmensteile zum wechselseitigen Verlustausgleich verpflichtet?Ja, das sind sie, und zwar in dem Sinne, dass sich der an die Aktionäre ausschüttbare Gewinn aus der Gesamtbilanz des Unternehmens ergibt. Nach den Vorschriften des Aktiengesetzes darf vor Auflösung der Gesellschaft nur der Bilanzgewinn der Gesellschaft unter den Aktionären verteilt werden. Falls die Gesamtbilanz keinen Gewinn ausweist, so kann keine Dividende ausgezahlt werden, auch wenn einzelne Geschäftsbereiche der Gesellschaft ein positives Ergebnis ausweisen. In der Tat kann ein hoher Verlust einer Sparte einen niedrigeren Gewinn der anderen Sparte aufzehren mit der Folge, dass mangels Gewinn in der Gesamtbilanz das Ergebnis der gewinnbringenden Sparte nicht an den an dieser Sparte beteiligten Tracking Stock Aktionär ausgezahlt werden kann. Dies gilt es bei der Strukturierung zu berücksichtigen. – Wo liegen die Probleme von Spartenaktien?Lassen wir mal die vielen aktienrechtlichen Fragestellungen beiseite, die sich bei der Einführung von Tracking Stock-Strukturen im Einzelfall ergeben. Nun, es geht doch darum, möglichst weitgehend das von den Parteien gewünschte wirtschaftliche Ergebnis zu erzielen. Dies bedeutet zunächst, durch eine entsprechende rechtliche Gestaltung sicherzustellen, dass – falls die Sparte A, an welcher der Investor mit Tracking Stocks vermögensmäßig beteiligt ist, einen Gewinn, die Sparte B aber einen Verlust erarbeitet -, dem Investor trotz des negativen Gesamtergebnisses der Gesellschaft am Ende des Tages der Gewinn der Sparte A zufließt – Wie ist ein solcher Ausgleich zu erreichen?Je nach Einzelfall kann dies etwa dadurch erreicht werden, dass, und dies geht nur außerhalb der Satzung, eine Nachschussverpflichtung der Aktionäre, die Spartenaktien der verlustträchtigen Sparte B halten, zugunsten der Aktionäre der erfolgreichen Sparte A vorgesehen wird, dass freie Rücklagen aufgelöst werden oder dass ein nicht ausgezahlter Gewinn einer Sparte in den Folgejahren bei positivem Gesamtergebnis vorzugsweise an den in den vergangenen Jahren ausgefallenen Tracking Stock-Aktionär ausgezahlt wird. – Gibt es weitere Interessenkonflikte zwischen den Aktionären der verschiedenen Gattungen?Soweit Tracking Stocks nicht als stimmrechtlose Vorzugsaktien ausgestaltet sind und daher sämtliche Aktien Stimmrechte in Bezug auf die gesamte Gesellschaft vermitteln, können sich bei einzelnen Beschlüssen Interessenkonflikte zwischen den Gesellschaftern ergeben. Es sind daher – etwa über Stimmbindungsverträge – Strukturen einzuziehen, die solche Interessenkonflikte ausräumen. – Ist es nicht sehr aufwendig, jeweils eigene Jahresabschlüsse für beide Aktiengattungen zu erstellen? In der Tat haben die Unternehmen für Zwecke der Gewinnermittlung eine spartenbezogene Buchführung und Bilanzierung einzuführen und für jede Sparte einen Jahresabschluss zu erstellen. Dies ist ohne Zweifel mit einem Aufwand für die Unternehmen verbunden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Unternehmen häufig bereits eine interne, geschäftsbereichsbezogene Rechnungslegung besitzen. Aufgrund dessen dürfte sich der Mehraufwand für die Erstellung der spartenbezogenen Jahresabschlüsse häufig in überschaubaren Grenzen halten. Dr. Franz-Josef Schöne ist Rechtsanwalt und Partner bei der internationalen Sozietät Lovells. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.