ANLAGEPRODUKTE - GASTBEITRAG

Transparenz schafft Vertrauen

Börsen-Zeitung, 27.9.2012 Die Zertifikatebranche ist noch recht jung. Vor genau 22 Jahren hat die Dresdner Bank mit einem Indexzertifikat auf den Dax das erste Zertifikat überhaupt emittiert. Diese deutsche Erfindung ist inzwischen zum...

Transparenz schafft Vertrauen

Die Zertifikatebranche ist noch recht jung. Vor genau 22 Jahren hat die Dresdner Bank mit einem Indexzertifikat auf den Dax das erste Zertifikat überhaupt emittiert. Diese deutsche Erfindung ist inzwischen zum Exportschlager geworden. Der Zertifikatemarkt ist im Übrigen der einzige Finanzbereich, in dem die Deutschen noch die Nase vorn haben.Gerade in letzter Zeit bemängeln viele Anlegerschützer wie auch Regulatoren in anderen Ländern, dass Zertifikate zu komplex und damit zu risikoreich seien. Es werden Forderungen laut, man solle deshalb gesetzgeberische Maßnahmen ergreifen und strukturierte Wertpapiere für Privatanleger am besten ganz verbieten. Hier liegt ein grundsätzliches Missverständnis vor.Richtig ist, dass viele Zertifikate komplex sind, wie übrigens fast alle Finanzprodukte. Es gibt kaum etwas Komplexeres als eine Kapitallebensversicherung. Und selbst die viel geliebten Bausparverträge, die jeder genau zu kennen glaubt, sind letztendlich Zinsswaps kombiniert mit mathematisch höchst kompliziert zu bewertenden Zinsoptionen.Falsch ist, dass diese Finanzprodukte damit auch risikoreicher sind. Vielfach ist das Gegenteil richtig. Um beispielsweise ein Kapitalschutz-Zertifikat mit hundertprozentigen Kapitalschutz, also einem Höchstmaß an Sicherheit, darstellen zu können, bedarf es einiger Komponenten, die das Zertifikat insgesamt als komplex erscheinen lassen.Hingegen sind Knock-out-Produkte mit einem großen Hebel ganz einfache, aber äußerst risikoreiche Produkte. Auch wenn die Absicherungen also mitunter komplex sind, so minimieren sie doch gerade das Risiko für Privatanleger. Deshalb sollte man hier frei nach Einsteins Motto verfahren, so einfach wie möglich, aber bitte nicht einfacher.Ein Auto mit acht Airbags, mit ABS- oder ESP-Komponenten, deren Funktionsweise im Übrigen kein Autofahrer im Detail kennt, ist sicherlich komplexer als ein Trabbi. Welchen Aufschrei gäbe es in der Öffentlichkeit, würde die Bundesregierung mit Blick auf die gewachsene Komplexität der Autos jeden entsprechend ausgerüsteten BMW und jeden Mercedes verbieten, und jeder private Autofahrer dürfte künftig nur noch Trabbi fahren. Bei Zertifikaten ist dieser Irrwitz – wie ein Blick über die belgische Grenze zeigt – inzwischen schon fast Realität.Zweifelsohne: Regulierung ist notwendig, und jede marktwirtschaftliche Ordnung braucht Spielregeln, deren Einhaltung überwacht wird. Richtig ist auch, in der Finanzbranche gibt es Bereiche, die noch nicht richtig reguliert sind, und die Politik muss auch im Rahmen des Anlegerschutzes darauf achten, dass die Anleger nicht übervorteilt werden.Die Politik darf dabei aber nicht die Selbstentscheider völlig aus den Augen verlieren. Gut gemeinter Anlegerschutz darf nicht umschlagen in Bevormundung oder gar Entmündigung. Daher müssen wir aufpassen, dass beim Anlegerschutz nicht des Guten zu viel getan wird. Das regulatorische Korsett wird immer enger und verstärkt die Tendenz, dass immer mehr Anlegern risikoarme, aber auch renditeschwache Produkte angeboten werden, da viele Berater die gestiegenen Haftungsrisiken nicht eingehen wollen. Sicherheit kostet ChancenAbsolute Sicherheit ist selten die beste Lösung, denn gerade in der aktuellen Niedrigzinsphase könnten Anleger mit einem geringen Risiko weit bessere Renditen erzielen. Das Motto vieler Anlegerschützer und Politiker “Sicherheit über alles” führt letztlich zu weniger Wohlstand und mit Blick auf die Inflation sogar zu realen Vermögensverlusten weiter Teile der Bevölkerung.Mit Blick auf die gesamte Regulierung gibt es einen Königsweg, der zur Lösung sehr vieler Probleme führt. Wie am Immobilienmarkt die drei L entscheidend sind, nämlich Lage, Lage, Lage, sind es in der Finanzbranche die drei T: Transparenz, Transparenz, Transparenz.Wären in der Krise, die im Jahre 2008 ihren Ausgang nahm, für die Marktteilnehmer die wesentlichen Risiken der Finanzprodukte und Finanztransaktionen transparent gewesen, wären viele Geschäfte nicht getätigt worden, und allen wäre im wahrsten Sinne des Wortes vieles erspart geblieben.Mittlerweile hat der Gesetzgeber zur Verbesserung der Produkttransparenz in der letzten Zeit eine ganz Menge getan. Ein Meilenstein sind sicherlich auch die Produktinformationsblätter, die kurz und übersichtlich über Funktionsweise und Wesensmerkmale – einschließlich der Risiken – Auskunft geben. Der Deutsche Derivate Verband (DDV) hat dies von Anfang an voll unterstützt und mit den Muster-Produktinformationsblättern für alle Zertifikatetypen damals als erster Verband konkrete Vorlagen erarbeitet. Hausaufgaben gemachtAuch künftig werden der DDV und seine Mitglieder die Transparenz-Initiative konsequent fortführen. Vieles wurde schon erreicht, wie die Produktklassifizierung, die Vereinheitlichung der Fachbegriffe oder die Veröffentlichung von Zertifikate-Indizes für die beliebtesten Zertifikatekategorien.Neu hinzugekommen ist vor wenigen Wochen der DDV-Risikomonitor. Mit diesem App wird der Zertifikateanleger über sein Smartphone informiert, wenn sich aufgrund von Marktgegebenheiten die Risikokennzahl eines seiner Zertifikate ändert, und er kann entscheiden, ob er sein Zertifikat trotzdem behält oder es verkauft.Alles in allem gilt: Produkttransparenz ist immer besser als jegliches Produktverbot. In einem freiheitlichen Rechtsstaat, in dem die Bürger auch in finanziellen Dingen frei und selbstverantwortlich entscheiden können, darf es keine Bevormundung von Anlegern geben, die bereit sind, für höhere Renditechancen auch größere Risiken einzugehen.