RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MARTINA ROTHE

Transparenzpflichten stoppen staatliche chinesische Bieter

Informationsflut bei öffentlichen Übernahmen - Flexiblere Lösungen im Ausland

Transparenzpflichten stoppen staatliche chinesische Bieter

– Frau Rothe, chinesische Staatsunternehmen sind Treiber für Zukäufe aus dem Reich der Mitte, öffentliche Übernahmen deutscher Aktiengesellschaften gab es bislang aber nicht, woran liegt das?Bieter unterliegen gemäß dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) umfangreichen Offenlegungspflichten. Insbesondere die Definition der “gemeinsam handelnden Personen” bringt chinesische Staatsunternehmen an die Grenzen des Machbaren. Als gemeinsam handelnd gelten natürliche und juristische Personen, die ihr Verhalten mit dem Bieter abstimmen, sowie Tochterunternehmen untereinander (§§ 2 Absatz 5 und 6 WpÜG, § 290 HGB). Paragraf 290 Handelsgesetzbuch (HGB) enthält die unwiderlegliche Vermutung, dass ein Tochterunternehmen unter anderem dann vorliegt, wenn diesem an einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte, das heißt in der Regel der Anteile, zusteht.- Wo ist das Problem für China?Nach der chinesischen Verfassung stehen Industrial Enterprises Owned by the Whole People (IEOWP) im Eigentum des gesamten chinesischen Volkes und unterliegen staatlicher Aufsicht. Sie werden von der State-Owned Assets Supervision and Administration Commission (SASAC) beaufsichtigt, die auch die Anteile hält. Die SASAC ist eine spezielle Kommission des State Council, also der Regierung, und ist verpflichtet, sich nicht in das operative Geschäft einzumischen. Dem Staat kommt lediglich die Rolle des Anteilseigners/Investors zu.- Und das widerspricht den hiesigen Anforderungen?Hier wird die Problematik durch die Anforderungen des WpÜG und des HGB offensichtlich: Unternehmen, an denen der chinesische Staat – direkt oder indirekt – beteiligt ist, werden wie Konzernunternehmen behandelt mit dem chinesischen Staat vertreten durch seine Regierung als “Konzernobergesellschaft” und müssen als Bieter in der Angebotsunterlage sämtliche chinesischen Staatsbeteiligungen als gemeinsam handelnde Personen offenlegen. Nach dem Chinese Statistical Yearbook waren dies im Jahr 2011 über 400 000 Unternehmen.- Und eine solche Informationsflut ist kaum sinnvoll?Ein Mehrwert für den Anleger lässt sich schwer erkennen. Auch dem Transparenzgebot scheint ein solches Übermaß an Information eher zu widersprechen.- Könnten die Interessenten eine Ausnahmegenehmigung bei der BaFin erwirken?Nein, die BaFin hat sich den Weg einer einschränkenden Interpretation der Rechtsnormen für Staatsunternehmen abgeschnitten, indem sie wie zum Beispiel im Fall Areva/Repower Systems AG den Staat wie ein Unternehmen behandelt hat und für die Angebotsunterlage eine Anlage mit sämtlichen Staatsbeteiligungen forderte.- Sieht es in anderen europäischen Ländern ähnlich aus?Das Takeover Panel hat für Großbritannien zum Beispiel einen anderen, pragmatischen Ansatz gewählt. Bei einer chinesischen Staatsbeteiligung ist dem Informationsbedürfnis Genüge getan, wenn eine chinesische Bietergesellschaft nur die direkte Beteiligungskette bis zu der von der SASAC beaufsichtigten letzten “Obergesellschaft” offenlegt. Außerdem muss nicht die gesamte Konzernstruktur des Staatsunternehmens dargestellt werden, sondern lediglich der Teil, dessen Geschäft in Bezug auf den Bieter und die Zielgesellschaft relevant ist.- Gibt es eine einheitliche Linie in der Frage auf EU-Ebene?Derzeit leider nicht. Die Umsetzung von Artikel 2 (1) d) der Übernahmerichtlinie (RL 2004/25/EG) ist in den verschiedenen europäischen Ländern unterschiedlich erfolgt. Das Beispiel aus England zeigt, dass es durchaus flexible Lösungen geben kann. Diesen Weg hat der Gesetzgeber der BaFin mit dem Verweis auf § 290 HGB leider verwehrt.- Gibt es in Brüssel Bestrebungen zur Harmonisierung des Themas?Derzeit gibt es keine konkreten Pläne. Die Übernahmerichtlinie sollte ein europäisches Level Playing Field für Übernahmen schaffen. Vielleicht kann eine “Übernahmerichtlinie 2” die Idee der gleichen Bedingungen auch für die Offenlegungspflichten auf europäischer Ebene herstellen. Allerdings hätte es auch der deutsche Gesetzgeber in der Hand, im Sinne der Transparenz und der Konzentration auf Informationen, die für eine Entscheidung eines Aktionärs “notwendig” sind, die Regelungen des WpÜG, insbesondere den Verweis auf das HGB, zu überarbeiten.—-Martina Rothe ist Rechtsanwältin und Counsel im Frankfurter Büro von Ashurst. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.