RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MICHAEL CIESLARCZYK

Trend zu nachhaltiger Energieversorgung

Händlervereinigung erleichtert Unternehmen die Beschaffung von Ökostrom

Trend zu nachhaltiger Energieversorgung

Herr Cieslarczyk, in Zeiten von “Fridays for Future” verstärken Unternehmen die Bemühungen zu einer nachhaltigen Energiebeschaffung. Gleichwohl geht es dabei hierzulande sehr langsam voran. Wo hakt es?Das Thema nachhaltige Energiebeschaffung ist nicht neu. In den vergangenen Jahren haben Unternehmen jedoch im Wesentlichen versucht, ihren Stromverbrauch über die Beschaffung von Zertifikaten aus bestehender ausländischer Grünstromerzeugung abzubilden. Erst jetzt wird gezielt die Erzeugung in Deutschland durch unmittelbare Vereinbarungen mit Anlagenbetreibern grüner gestaltet. Was hat den Ausschlag gegeben, dass Unternehmen inzwischen Stromlieferverträge mit Betreibern von Anlagen für erneuerbare Energien abschließen?Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten durchaus erfolgreich auf eine substanzielle staatliche Förderung von erneuerbaren Energien gesetzt. Inzwischen steuert der Gesetzgeber jedoch um. Das Fördersystem wird regelmäßig angepasst, und die Förderung fällt – auch durch die Einführung von Auktionen – inzwischen deutlich niedriger aus. Anlagenbetreiber suchen daher erst jetzt alternative Vermarktungswege für die sogenannte “Post-EEG-Phase”. Ist Deutschland hier Vorreiter?Im Gegenteil: Vergleichbare Entwicklungen sind in vielen Ländern zu beobachten. Aufgrund der unterschiedlichen Fördermodelle entwickeln sich die alternativen Vermarktungs- beziehungsweise Beschaffungsmöglichkeiten jedoch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Sogenannte Corporate PPAs, also Stromlieferverträge mit denen energieintensive Endverbraucher unmittelbar mit Anlagenbetreibern Stromlieferungen vereinbaren, sind in den USA und in England schon länger weit verbreitet. Auch in anderen europäischen Märkten wie Schweden und Spanien sehen wir diese Verträge inzwischen häufiger. Gibt es in Deutschland Beispiele für solche Verträge?Ja, die gibt es. Schon früh hat sich die Deutsche Bahn über ähnliche Verträge – allerdings nicht unmittelbar mit Anlagenbetreibern – mit Grünstrom versorgt. Statkraft hat im Dezember 2018 den Abschluss eines PPA mit Mercedes-Benz Cars verkündet, über das – nach Auslaufen der Förderung – ab 2020 Strom aus Bürgerwindparks geliefert wird. Baywa r.e. hat bekannt gegeben, dass sie derzeit mit industriellen Abnehmern über die Belieferung aus dem förderfreien Solarpark Barth V verhandeln. Könnte noch mehr Bewegung in den Markt kommen?Der Zeitpunkt ist optimal, da erste Anlagen aus der Förderung durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) fallen und deren Strom nun alternativ zu vermarkten ist. Gleichzeitig werden erste Projekte völlig ohne staatliche Förderung auskommen müssen. Diese Entwicklungen treffen dabei nun auch auf ein spürbar gewachsenes Interesse auf Kundenseite. Da es bislang allerdings keine Marktstandards gab, war die Verhandlung entsprechender Verträge sehr komplex, und kommerzielle wie juristische Aspekte mussten jeweils mühsam in den Verhandlungen austariert werden. Die European Federation of Energy Traders (EFET), der mehr als 100 Energiehandelsunternehmen angehören, hat nun aber zusammen mit RE-Source, einer von verschiedenen Verbänden, – unter anderem Solar Power Europe und Wind Europe – etablierten Beschaffungsplattform für erneuerbare Energien einen Standardvertrag entwickelt, mit dem Unternehmen und Versorger Verträge auf Basis eines standardisierten, aber flexiblen Regelwerkes abschließen können. Warum glauben Sie, dass sich dieser Vertrag als Marktstandard etablieren wird?EFET hat bereits auf den Strom- und Gashandelsmärkten gezeigt, dass der Markt nach – grenzüberschreitender – Standardisierung verlangt. Inzwischen werden außerbörsliche Strom- und Gaslieferungen auf der Großhandelsebene überwiegend auf der Basis der EFET-Dokumentation gehandelt. Gleiches kann auch für den PPA-Markt erwartet werden. Die Unterstützung durch RE-Source und die dahinterstehenden Verbände wird die Verbreitung zusätzlich fördern. Der Markt wird von dieser Entwicklung profitieren, und Endverbrauchern wird ein einfacherer Weg zu einer nachhaltigen Energiebeschaffung eröffnet. Michael Cieslarczyk ist Partner von DLA Piper in Köln. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.