Trend zum Overlay-Management setzt sich durch
Von Christina Rathmann, Frankfurt”Schicht, Auflage, Überzug, Überlagerung, Zurichtung” – steht im Wörterbuch hinter dem englischen Wort “Overlay”. In der institutionellen Vermögensverwaltung bezeichnet der Begriff einen neuen Trend. “Overlay-Management ist derzeit bei uns eines der am stärksten nachgefragten Produkte”, sagt James Dilworth, Leiter von Goldman Sachs Asset Management.Immer mehr Investoren gehen dazu über, ihren auf mehrere spezialisierte Vermögensverwalter aufgeteilten Portfolien ein Overlay-Management aufzusetzen. Mittels Derivaten wird damit in der Regel die taktische Asset Allocation für das gesamte Vermögen vorgenommen, das heißt die Anlagen werden an die kurzfristigen Markterwartungen angepasst. Meist firmiert diese Dienstleistung als Global Tactical Asset Allocation (GTAA). Aber auch Währungsrisiken können auf dieser Ebene gesteuert werden. Taktik versus Strategie”Das Overlay-Management ist die logische Folge der Aufspaltung der Wertschöpfungskette”, sagt Bernd Scherer, Global Head of Quantitative Research bei der Deutschen Asset Management (Deam). Im Rahmen der strategischen Asset Allocation entscheidet der Investor, wie er seine Anlagen langfristig auf Aktien, Renten und andere Assetklassen verteilen will; die dafür ausgewählten spezialisierten Manager kümmern sich nur noch um Teilportfolien, aber nicht mehr darum, wie diese im nächsten Monat über- oder untergewichtet werden sollten, um für das gesamte Vermögen eine höhere Rendite zu erzielen. “Der Overlay-Manager bringt mit der taktischen Asset Allocation das ins Portfolio, was durch die Aufteilung des Vermögens auf verschiedene spezialisierte Manager herausgenommen worden ist”, sagt Scherer. Häufig erfolgt das Overlay-Management im Rahmen von Master-KAGs, in denen ein Investor seine Teilportfolien zusammengefasst administrieren lässt.Bei Universal Investment, dem mit 35 Mrd. Euro größten Anbieter von Master-KAGs in Deutschland, werden nach Unternehmensangaben bereits 12 % des Volumens per Overlay-Management gesteuert – Tendenz steigend. Auswahlverfahren laufenGoldman Sachs halte weltweit Mandate von 31,8 Mrd. Euro zum Overlay-Management für die taktische Asset Allocation; hinzu kämen 16 Mrd. Euro, für die mittels Overlay ausschließlich Währungsrisiken gesteuert werden, sagt Dilworth. In Deutschland hat die Bank acht Mandate für ein Volumen von 3,5 Mrd. Euro. Noch drei bis vier Mandate hofft Dilworth in diesem Jahr zu gewinnen. Bei sechs Investoren befinde sich sein Haus derzeit in der Endrunde des Auswahlverfahrens.Die Deam hat nach Scherers Angaben derzeit weltweit 20 Mandate, davon vier in Deutschland. Diese stünden für ein Volumen von knapp 2 Mrd. Euro. Neue Player in DeutschlandMorgan Stanley Investment bietet seit Mitte der neunziger Jahre Global Tactical Asset Allocation an. Bisher hat das achtköpfige Team der Bank, das sich auf Amsterdam und London verteilt, weltweit 8,1 Mrd. Dollar zur taktischen Asset Allocation unter Verwaltung, sagte Executive Director Petr Kocourek im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Vermarktung bei institutionellen Investoren in Deutschland soll nun beginnen. Auch F & C, die ihr Overlay-Management bisher in Großbritannien und den Niederlanden anbieten, wollen am deutschen Markt Fuß fassen. Durch den Einsatz von Derivaten können die Overlay-Manager die Verteilung des Vermögens auf die verschiedenen Assetklassen teilweise erheblich beeinflussen. Als Widerspruch zu der – oft von Consultants erarbeiteten – strategischen Asset Allocation wollen sie ihr Angebot aber auf keinen Fall verstanden wissen. “Wie stark wir in ein Portfolio eingreifen, hängt von dem Riosikospielraum ab, den uns ein Investor einräumt”, sagt Deam-Manager Scherer. Meist wird den Overlay-Managern der Tracking Error vorgegeben, also das Ausmaß, in welchem sie das Portfolio von der Benchmark abweichen lassen können. Selbst bei einem Tracking Error von 4 % – was ein sehr hoher Wert wäre – würden Aktien in einem Portfolio nur mit 10 % übergewichtet, wenn sie so positiv bewertet würden, wie es derzeit der Fall sei, sagt Dilworth. Ganz normales Alpha-ProduktBei Morgan Stanley wird die GTAA als eigene Assetklasse gesehen, in die ein Anleger investieren kann. “Taktische Asset Allocation sollte man ansehen wie jedes andere Alpha-Produkt, das durch aktives Management eine Überrendite erzielen will”, sagt Kocourek. “Nur wenn man nicht an aktives Management glaubt, braucht man das nicht.”Anders sieht man das lediglich bei Allianz Global Investors (AGI): Bei der Allianz-Tochter werde Overlay-Management hauptsächlich von Investoren nachgefragt, die ihre Portfolios gegen Wertverluste absichern wollen, berichtet Herold Rohweder, Geschäftsführer der Spezialfondseinheit DBI. Statt durch mehr Risiko mehr Rendite – also Alpha – anzustreben, wollen die 22 Overlay-Mitarbeiter von AGI also die Marktrisiken – das Beta – begrenzen. Rund 4 Mrd. Euro verwaltet AGI für deutsche Investoren in Form des Beta-Overlay-Managements.Morgan Stanley Investment erwartet, dass für ein GTAA-Mandat 5 bis 8 % des Portfolios bereitgestellt werden. Sinnvoll sei ein Overlay-Management bei Portfolien von mindestens 50 bis 100 Mill. Euro. Bei Goldman Sachs ist die Schwelle deutlich höher angesetzt. 500 Mill. Euro mindestens sollte ein Investor an Assets aufweisen, sagt Dilworth. Davon sollten 5 bis 10 % für das Overlay-Management reserviert werden. Die Deam geht nach Angaben Scherers von 200 Mill. Euro Mindestvolumen aus. “Die Faustregel ist, dass der Overlay-Manager für 1 % Tracking Error 1 % des Portfolios an Kapital braucht.”Auf die Frage, wie stark sie welche Assetklassen gerade über- oder untergewichten, antworten die Overlay-Manager wie die meisten Hedgefonds: so gut wie gar nicht. Welche Marktineffizienzen sie sehen und ausnutzen wollen, soll den anderen Marktteilnehmern verheimlicht werden.Eine Untergewichtung wird beim taktischen Overlay-Management über eine Short-Position dargestellt. Falls die Anlagevorschriften des Investors solche Positionen verbieten, müssen sich die Anbieter daran halten und können ihre Vorstellungen nur teilweise umsetzen. Solche Einschränkungen minderten aber die Chance auf zusätzliche Performance, betonen sie. Falls die Anlagevorschriften Investitionen in Dollar-Titel verböten, sei es aber dennoch möglich, die Untergewichtung von US-Aktien über Short-Positionen darzustellen, erläutert Petr Kocourek von Morgan Stanley. Das Währungsrisiko nämlich könne eliminiert werden. Generell würden die Währungen separat von den Assetklassen gewichtet.Da die Overlay-Manager in teils sehr riskante Instrumente investieren, müssen sie etwa von Versicherern als Hedgefondsanlage ausgewiesen werden. Das Risiko beschreiben die Anbieter aber als gering. “Bei einem Investor mit 800 Mill. Euro Vermögen und einem Tracking Error von 1 % ist die Wahrscheinlichkeit, dass er in zehn Tagen 10 Mill. Euro verliert, 374-mal kleiner als die eines Lottogewinns”, hat Bernd Scherer ausgerechnet. Rendite schwer vergleichbarBisher konnten die Anbieter meist dazu beitragen, dass die Vermögen ihrer Kunden mit Overlay-Management besser rentierten als ohne. Die Taktierer von Morgan Stanley erwirtschafteten seit 1995 im Durchschnitt jedes Jahr eine Mehrrendite von 1,8 %. Es kann aber auch schief gehen: Im vergangenen Jahr lag die Bank mit ihren Einschätzungen daneben, und die Performance der Portfolios war um 0,2 % schlechter, als wenn der Investor auf taktische Asset Allocation verzichtet hätte. Bei der Deam habe in den vergangenen fünf Jahren das Verhältnis von Rendite und Risiko (Information Ratio) bei 1 gelegen, sagt Scherer, das heißt, dass die Performance genau dem eingegangenen Risiko entsprochen habe. Goldman Sachs gibt die Information Ratio für die vergangenen neun Jahre mit durchschnittlich 1,2 per annum an. Vergleichbare Angaben zur Performance der verschiedenen Anbieter in den einzelnen Jahren sind kaum zu bekommen. Häufige AnpassungenJeder Manager hat einen anderen Rhythmus, in dem er seine Einschätzungen aktualisiert und die Muster-Portfolios anpasst. Den längsten Atem hat Goldman Sachs. Die “Quantitative Strategies Group” um Bob Litterman in New York nehme im Schnitt etwa einmal im Monat Anpassungen im “Optimum Portfolio” vor, die dann bei den einzelnen Investoren nachvollzogen werden, soweit es ihre Anlagevorschriften zulassen. Das bei Morgan Stanley zuständige Team, das sich auf Amsterdam und New York aufteilt, entscheidet wöchentlich über den aktuellen Anpassungsbedarf. In der Praxis würden etwa alle 14 Tage tatsächlich Veränderungen vorgenommen, berichtet Kocourek. Etwa ein bis zwei Positionen würden dann um vielleicht 0,5 Prozentpunkte angepasst. Bei Bedarf reagiere die Bank aber auch schneller. Nach dem 11. September 2001 etwa seien alle zwei Tage Änderungen vorgenommen worden. Am häufigsten drehen die Portfolio-Spezialisten bei der Deam an den Stellschrauben ihres Portfolios. Bei der Deutsche-Bank-Tochter stellt das globale Modell-Portfolio den Durchschnitt aus den Einschätzungen von sieben Vermögensverwaltungs-Teams des Konzerns dar. Die Teams verteilen sich auf die Standorte New York, London, Singapur, Tokio und Frankfurt. Zweimal am Tag würden ihre Einschätzungen aktualisiert, berichtet Scherer. Implementiert werden die neuen Angaben einmal täglich. Da die gängigen Futures und Forwards die gebräuchlichsten Instrumente des Overlay-Managements seien, fielen die Transaktionskosten auch bei häufigen Umschichtungen kaum ins Gewicht, berichten die Anbieter.Die Gebühren für Overlay-Mandate teilen sich meist in einen festen und einen erfolgsabhängigen Bestandteil auf. Bei Morgan Stanley bilden 10 Basispunkte in der Regel die Grundgebühr, die allerdings bei sehr großen Mandaten deutlich niedriger ausfällt, wie Kocourek sagt. Technische HindernisseDas einzige Hindernis, das Goldman-Sachs-Manager Dilworth gegenwärtig für den Markt in Deutschland sieht, ist technischer Art. “Viele Master-KAG-Anbieter – darunter auch die ganz großen – sind derzeit von der IT her nicht in der Lage, die Risikokontrolle nach dem ,qualifizierten Ansatz’ darzustellen.” Diesen aber verlange die Finanzaufsicht, damit etwa ein Versicherer die für das Overlay nötigen Finanzinstrumente überhaupt nutzen darf. “Mitte 2006 sollten die meisten KAGs ihre Systeme entsprechend nachgerüstet haben”, sagt Dilworth. “Wäre dieses Hindernis schon ausgeräumt, hätten wir schon ein deutlich höheres Volumen in Overlay-Mandaten.”