ANLAGEPRODUKTE - GASTBEITRAG

Trendumkehr am Zertifikatemarkt

Börsen-Zeitung, 20.9.2012 Einmal pro Jahr führt das Research Center for Financial Services der Steinbeis-Hochschule Berlin im Auftrag der DZ Bank eine repräsentative Umfrage unter den deutschen Banken und Vermögensverwaltern zur Situation am...

Trendumkehr am Zertifikatemarkt

Einmal pro Jahr führt das Research Center for Financial Services der Steinbeis-Hochschule Berlin im Auftrag der DZ Bank eine repräsentative Umfrage unter den deutschen Banken und Vermögensverwaltern zur Situation am Zertifikatemarkt durch. Die Ergebnisse der Umfrage sind einerseits eine Bestandsaufnahme, andererseits vor allem aber auch ein Trendbarometer. Dabei lesen sich die diesjährigen Ergebnisse für die Branche durchaus erfreulich.Denn erstmals seit dem vergleichsweise deutlichen Rückgang infolge der Finanzkrise hat der Anteil der Zertifikate in den Portfolios, die von den Befragten betreut werden, wieder leicht zugenommen. Aktuell liegt er bei 11 % – und damit einen Prozentpunkt über den Werten für 2010 und 2011.Der insgesamt zweistellige Anteil der Zertifikate in den Portfolios ist ein beachtenswert konstanter Wert. Er zeigt, dass die Investoren Zertifikate allen sehr kritischen Stimmen und auch der nach wie vor ambivalenten Berichterstattung zum Trotz in allen Marktphasen nutzen und schätzen. Allerdings bestätigt der aktuelle Marktanteil auch, dass Zertifikate nach wie vor Luft nach oben haben. Bis zum Anteil von 2008, der einen Rekordwert von 13 % erreicht hatte, ist es auf den ersten Blick kein weiter Weg mehr, objektiv betrachtet ist dieser Wert aber nur schwer zu erreichen.So erwartet zwar immerhin die Hälfte der Umfrageteilnehmer, dass die Nachfrage nach strukturierten Anlagen in den kommenden drei Jahren steigen wird – das sind erheblich mehr als etwa bei Termineinlagen. Konkret billigen die Umfrageteilnehmer dem Zertifikatemarkt im Speziellen allerdings nur ein Wachstumspotenzial auf einen Depotanteil von dann 12 % im Jahr 2015 zu. Die Wachstumsdynamik der Vorfinanzkrisenzeit wird der Markt damit – zumindest vorerst – wohl nicht mehr erreichen. Bedürfnis nach SicherheitUnabhängig davon hat sich ganz offensichtlich auch die Wahrnehmung von Zertifikaten als Anlageklasse in den vergangenen Jahren deutlich verschoben. Für die meisten Anleger sind sie heute – das zeigen auch andere Umfragen – Anlage vehikel, die ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Rendite erfüllen müssen.Dies dürfte sich in nächster Zukunft kaum ändern. Denn auch wenn spekulativ orientierte Investoren und die für sie geeigneten Zertifikate nach wie vor eine beachtenswerte Relevanz für den Markt haben, so billigen doch nur wenige deutsche Finanzberater rein spekulativen Zertifikatekategorien Wachstumspotenzial zu. Ganz im Gegenteil erwarten aktuell nahezu 60 % von ihnen, dass beispielsweise der Absatz von Outperformance-Zertifikaten in den kommenden drei Jahren fällt – und keiner geht davon aus, dass der Absatz steigen wird. Kaum besser fällt die Einschätzung beim Thema Sprint-Zertifikate aus.Ein Zukunftsthema sind nach Auffassung der überwiegenden Mehrheit der Banken und Vermögensverwalter dagegen Aktienanleihen. Immerhin zwei Drittel erwarten, dass sich der Absatz dieser Produkte erhöht. Tatsächlich können Aktienanleihen zu einem interessanten Thema für die Branche werden, gerade auch weil sie in volatilen Phasen wie diesen im Gegensatz zu Bonuszertifikaten nicht das Risiko eines Barrierebruchs bergen und die Anleger in jedem Fall einen festen Zins erhalten. Das steigert natürlich die Attraktivität der Aktienanleihen. Ein steigender Absatz dieser Produkte wird sich allerdings kaum auf den wertmäßigen Anteil von Zertifikaten in den Gesamtportfolios der Anleger niederschlagen. Dafür ist das Volumen der Aktienanleihen am gesamten deutschen Zertifikatemarkt mit aktuell weniger als 5 % einfach zu niedrig.Eher steht zu erwarten, dass sich das Wachstum aus den “klassischen” Schwergewichten “strukturierte Anleihen” und “Garantie(Kapitalschutz-)Zertifikate” generieren wird. Diese vereinen nach der Steinbeis-Studie aktuell rund 79 % der in Zertifikate angelegten Mittel auf sich. Der Wert entspricht im Übrigen ziemlich exakt auch dem Marktanteil, den der Deutsche Derivate Verband für diese beiden Produktkategorien errechnet. Von den Teilnehmern der Steinbeis-Studie billigen immerhin über 60 % strukturierten Anleihen einen steigenden Absatz in den kommenden drei Jahren zu. Bei Garantiezertifikaten sind über die Hälfte positiv gestimmt. Motor RisikoaversionEs ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Einschätzungen Realität werden. Denn die Risikoaversion der Anleger wird wohl auch in Zukunft ein wesentlicher Motor für den Zertifikatemarkt bleiben. Auch dafür liefert die Umfrage Belege. So sehen jeweils rund 90 % der Befragten das Risiko-Rendite-Verhältnis, die Einfachheit des Produkts, die Bonität des Emittenten, das Thema Sicherheit und die Verständlichkeit von Produktinformationen als bedeutenden Faktor für den Erfolg von Zertifikaten an. Andere Themen fallen dagegen deutlich ab. So gaben nur etwas mehr als 20 % der Finanzberater an, dass eine innovative Produktstruktur für den Erfolg von Zertifikaten wichtig sei, und ähnlich wenige nannten ein Angebot von Trendthemen bzw. Basiswerten.Die Praxis-Erfahrung, dass insbesondere Beratungskunden Produkte kaufen, die sie verstehen und nach Möglichkeit bereits kennen, bestätigt sich in diesen Aussagen. Produktinnovationen sind zumindest für diese Kundengruppe kaum relevant. Emittenten müssen reagierenDennoch: Nicht zuletzt von den Beratungskunden wird ein deutlicher Wandel der Branche ausgehen, auf den sowohl die Emittenten als auch die Berater reagieren müssen, wollen sie das Wachstumspotenzial des Zertifikatemarkts nutzen. So hat sich im Zuge der Finanzkrise bereits heute das Informations- und Kommunikationsverhalten der Kunden geändert. Sie fragen im Beratungsgespräch häufiger nach und verlangen detailliertere Auskünfte als früher. Sie erkundigen sich verstärkt nach den Kosten, der Funktionsweise und dem Auszahlungsprofil der Zertifikate. Und nicht zuletzt informiert sich das Gros der Kunden vor einem Beratungsgespräch besser über Produkte und Marktgeschehen als früher und liest auch die zur Verfügung gestellten Informationen genauer als in der Zeit vor der Finanzkrise.Die Beratungskunden nähern sich damit in gewissem Maße den Selbstentscheidern an, die sich von Haus aus schon immer selbst und genau informiert haben. Möglicherweise könnten durch das größere Wissen auch Trendthemen wie Rohstoffe und Emerging Markets auch für Beratungskunden erwägenswerter werden als bislang. Darüber hinaus dürfte es auch einen Trend hin zum Sekundärmarktgeschäft geben. In drei Jahren, so das Prognose-Ergebnis der Steinbeis-Studie, würden 59 % der Zertifikate von den Umfrageteilnehmern betreuten Depots über den Sekundärmarkt erworben und nur noch 41 % im Rahmen des Zeichnungsgeschäfts bei Neuemissionen. Aktuell ist die Aufteilung dagegen noch genau umgekehrt. Neue HerausforderungFür Emittenten bedeutet dies alles eine Herausforderung und eine Chance zugleich. Sie müssen zum einen den Kunden die Informationen gut aufbereitet zur Verfügung stellen, die diese benötigen. Eigene aufwendige Zertifikate-Plattformen im Internet wie Eniteo.de der DZ Bank sowie weitere webbasierte Informationsangebote werden hier immer wichtiger, zumal gerade auch Beratungskunden – und eben nicht nur die Selbstentscheider – inzwischen neben den klassischen Medien verstärkt auch die Möglichkeiten des Web 2.0 zur Informationsgewinnung nutzen. Und zum anderen müssen die Emittenten den Kunden den Handel über leistungsfähige Brokerage-Portale wie beispielsweise den VR-ProfiBroker ermöglichen.Mit den richtigen Plattformen können Banken und Emittenten dadurch von dem zu erwarteten verstärkten Sekundärmarktgeschäft profitieren und die Kundenbindung verbessern. Dies in Kombination mit den geeigneten – möglichst einfach strukturierten, gut verständlichen, renditestarken und sicheren – Produkten, wird wesentlich für das Standing und damit auch für die Wettbewerbsfähigkeit eines Emittenten in der Zukunft sein.