Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Klaus Eyber

Tücken bei grenzüberschreitenden Insolvenzen

Private-Equity-Branche erwartet Pleiten - Weg über englische Gerichte

Tücken bei grenzüberschreitenden Insolvenzen

– Herr Dr. Eyber, die Welt der milliardenschweren Buy-outs hat sich am Subprime-Virus angesteckt fundamental gewandelt. Es drohen Zusammenbrüche großer Unternehmen. Sie sehen gerade bei größeren Firmen nicht nur den Weg über den Verkauf notleidender Kredite, sondern auch den der Sanierung oder Insolvenz. Dieser Weg hat seine Tücken?Richtig. Es wird eine Zunahme von Sanierungs- und/oder Insolvenzverfahren in bislang eher verschonten Branchen geben, die aufgrund der ambitionierten Expansionspolitik des früheren Investors zusätzlich grenzüberschreitende Bedeutung haben, nicht nur, aber vor allem in der EU. Und es kann kompliziert werden, den optimalen Weg für das Unternehmen zu finden. In der Praxis haben sich hier die flexibleren englischen Insolvenzgerichte angeboten. – Ist dies ohne weiteres möglich? Ermöglicht wird dies durch die Insolvenz-Verordnung der EU, die für die Zuständigkeit der Insolvenzgerichte in erster Linie nicht an den satzungsmäßigen Sitz des Schuldners anknüpft, sondern an den Center of Main Interest (COMI). Ist dieser im Ausland – oder wird dorthin verlegt -, kann ein ausländisches Insolvenzverfahren eingeleitet werden, dessen Regeln und Rechtsfolgen auch für alle Beteiligten im Inland verbindlich sind. Dies insbesondere bei Konzerninsolvenzen von hoher praktischer Bedeutung, es wirft aber zahlreiche Fragen auf. Die Gläubiger wollen wissen, wie sie ihre Rechte optimal verwirklichen können, insbesondere, welches Schicksal ihre Sicherheiten erleiden, der Schuldner und dessen Anteilseigner müssen sich frühzeitig im Klaren darüber sein, ob das Endziel der Schuldenbefreiung erreicht werden kann. Last but not least muss der eingesetzte Insolvenzverwalter wissen, ob ihm im Ausland die gleichen Rechte zustehen wie in seinem Heimatland. – Stichwort Konzerninsolvenzen: Welche Rechtsordnung kommt zum Tragen, wenn die Konzernmutter in Deutschland insolvent geht, das Vermögen und Konzerntöchter sich in Nicht-EU-Staaten befinden, doch alle von Insolvenz bedroht werden?Entscheidend ist auch hier der COMI, der für jede einzelne EU-Tochtergesellschaft getrennt zu prüfen ist. Wird die Tochter zentral durch die Konzernmutter gesteuert und ist dies nach außen erkennbar, kann ein einheitliches Insolvenzrecht zur Anwendung kommen. Ist das Management der Tochter hingegen autark, kommt nur ein Insolvenzverfahren nach nationalem Recht in Betracht. Genauso verhält es sich in jedem Falle bei den Tochterunternehmen, die nicht in der EU gelegen sind; hier gibt es keine Prüfung des COMI und demzufolge nur ein nationales Insolvenzverfahren. – Wie kann ein einheitliches Insolvenzverfahren, etwa in England, eröffnet werden?Wenn der COMI der Tochtergesellschaft nicht bereits in England zu verorten ist, muss er dorthin verlegt werden. Das muss ernst gemeint sein, wenn man das Verfahren unanfechtbar gestalten will. Die Einrichtung eines Briefkastens und von Telefonanschlüssen reicht sicher nicht. – Wie können sich Schuldner oder Gläubiger vor unliebsamen Rechtsordnungen schützen ? Im Prinzip nur, indem der Eröffnungsbeschluss des ausländischen Insolvenzgerichts nach dem dort geltenden Verfahrensrecht angegriffen wird. In der Vergangenheit gab es zwar auch den Weg, dem ausländischen Verfahren wegen des Verstoßes gegen den Ordre Public die Anerkennung im Inland zu versagen, auf Dauer wird dies aber nicht der richtige Weg sein. Die EU betrachtet nun einmal alle Insolvenzgesetze und -verfahren als gleichwertig. Das bedeutet, dass man auch mit den Eigenheiten des englischen Insolvenzrechts, das keine gründliche Zuständigkeitsprüfung bei Insolvenzeröffnung kennt, leben muss. – Schafft die EU-Verordnung bereits ein Konzerninsolvenzrecht? Die EU-Verordnung schafft sicherlich kein Konzerninsolvenzrecht, sondern regelt nur Zuständigkeiten und bestimmt damit das anwendbare materielle Insolvenzrecht. Wie aufgezeigt, mag das in bestimmten Fällen helfen. Die Schaffung eines Konzerninsolvenzrechts ist derzeit nur ein frommer Wunsch von Wissenschaft und Praxis, der im Detail seine Tücken hat. Die Regelung, für eine Konzerninsolvenz nur ein einziges zuständiges Gericht zu bestimmen und auch nur einen Verwalter einzusetzen, wird dabei sicher eine Mehrheit finden. Letzten Endes bedeutet ein Konzerninsolvenzrecht aber mehr, nämlich die Auflösung von Rechtsbeziehungen und von Haftungsmassen. Und das würde zweifellos zu Ungleichgewichten führen, die mit dem derzeitigen Rechtsverständnis zumindest in Kontinentaleuropa nicht vereinbar sind. – Welche Rechte hat ein deutscher Insolvenzverwalter im Ausland, d. h. nicht nur in anderen EU-Staaten, sondern z. B. in den USA?Innerhalb der EU kann sich der deutsche Insolvenzverwalter auf sein Heimatrecht verlassen, Ausnahmen gelten unter anderem für die Aufrechnungsmöglichkeiten von Gläubigern, die Anfechtungsrechte und die dinglichen Sicherheiten, also insbesondere Gründstücke. Das Prinzip anderer Staaten – also der USA, aber auch der Schweiz – folgt indessen nicht diesem Anerkennungsmodell, sondern gibt dem ausländischen Insolvenzverwalter nur die Rechte, die ein amerikanischer oder Schweizer Insolvenzverwalter hätte. Man könnte dies als Transformationsmodell bezeichnen.Dr. Klaus U. Eyber ist Partner bei Kaye Scholer in Frankfurt.Die Fragen stellte Walther Becker.